Commentaires Résumé
2008/2 L’économie des nouveaux médias

Elektronische Bibliothek Schweiz: E-lib.ch – Ziel und Weg

Commentaires Résumé

Unter dem Titel Elektronische Bibliothek Schweiz: E-lib.ch (http://www.e-lib.ch) hat im Januar ein ehrgeiziges Projekt der Schweizer Hochschulbibliotheken seine Arbeit aufgenommen. Im Folgenden sollen seine Ziele und Inhalte kurz dargestellt werden.

Hintergrund und Ziele

In den vergangenen Jahren haben die Hochschulbibliotheken umfangreiche Angebote im Internet aufgebaut. Bei der Lizenzierung neuer Informationsprodukte über das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken1wurden sie über mehrere Jahre hinweg vom Bund unterstützt. Die Kundinnen und Kunden der Bibliotheken haben von dieser Erweiterung des Angebotes bereits bisher stark profitiert. Die Geschäftsstelle des Konsortiums selbst ist jedoch eine Dienstleistungseinrichtung für die Bibliotheken, die für die Hochschulangehörigen nur in Erscheinung tritt, wenn sie bei der Beseitigung von Störungen Hilfe leistet.

Mit dem Modul E-Archiving des Konsortiums hat sich dies bereits teilweise geändert: Für das Publikum sind hier unter anderem eine Plattform für den Onlinezugriff auf digitalisierte Schweizer Zeitschriften2sowie ein Pilot-Server mit gesammelten Metadaten von verschiedenen institutionellen Repositorien der Schweiz entstanden3.

Das Projekt Elektronische Bibliothek Schweiz: E-lib.ch kann als logische Weiterführung dieser früheren Projekte gelten und profitiert von den bisherigen Erfahrungen. Ihr Ziel ist es, die nicht mehr ohne weiteres überschaubare Vielfalt von Informationsquellen zu bündeln, um den Hochschulangehörigen in der Schweiz die Beschaffung von hochwertigen Informationen und Dokumenten zu erleichtern. Daneben werden gezielte Erweiterungen des digitalen Angebotes dort vorgenommen, wo in der Schweiz ein gewisser Rückstand gegenüber der Entwicklung in anderen Ländern wahrgenommen wird. Dies betrifft insbesondere die Digitalisierung ausgewählter Bestände.

Rahmenbedingungen

E-lib.ch ist ein Innovations- und Kooperationsprojekt der Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK) gemäss dem Universitätsförderungsgesetz, an dem sich der ETH-Rat und das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie beteiligen (BBT). Für den Zeitraum von 2008 bis 2011 stehen für die kantonalen Universitäten 7 Mio. CHF zur Verfügung, für den ETH-Bereich 2 Mio. CHF und für die Fachhochschulen 1 Mio. CHF. Bei diesem Projekttyp wird von den beteiligten Institutionen eine Eigenleistung in gleicher Höhe wie die Förderung erwartet.

Im Gegensatz zu den genannten früheren Projekten ist die Ausführung durch eine zentrale Stelle bei E-lib.ch nicht möglich: Der Umfang der zu leistenden Arbeiten übersteigt die Möglichkeiten der vorhandenen Geschäftsstelle hinsichtlich Personal und Infrastruktur bei weitem. Aus diesem Grund wurde lediglich eine zentrale Koordinationsstelle bei der ETH-Bibliothek in Zürich eingerichtet, während die Einzelprojekte in den verschiedenen beteiligten Hochschulen geleitet werden. Die Teilprojekte werden somit «bottom-up» zu den gemeinsamen Funktionen von E-lib.ch zusammengeführt, die ihrerseits «top-down» definiert werden. 

Projektauswahl

Um die Vision der Elektronischen Bibliothek Schweiz mit Leben zu füllen, wurden im vergangenen Jahr Anträge der Hochschulen in sieben inhaltlichen Clustern entgegengenommen. Diese waren im Vorfeld auf der Basis von Projektideen aus einer breit angelegten Umfrage definiert worden:

- Cluster 1 – Aufbau Portale und Metasuchen

- Cluster 2 – Digitalisierung von Inhalten und Nachweisen

– Cluster 3 – Aufbau von Dokumenten-Servern

–  Cluster 4 – Information Literacy (Kompetenzen für den effizienten und effektiven Gebrauch der Informationsressourcen)

- Cluster 5 – Langzeitarchivierung

- Cluster 6 – Content

- Cluster 7 – Aufbau von Kompetenzzentren

Die Zahl der tatsächlich eingereichten Anträge lag deutlich unter der Zahl der abgegebenen Projektideen, die Verteilung entsprach ungefähr den Erwartungen, wobei die meisten Anträge auf Digitalisierungsmassnahmen entfielen. Selbstverständlich ist die Zahl der Anträge nur ein unzulängliches Mass für die Gewichtung, da der Umfang der einzelnen Projekte sehr unterschiedlich ist.

Verschiedene Institutionen hatten bereits im Vorfeld der Antragstellung signalisiert, dass sie auf eine Antragstellung verzichten müssten. Als Gründe wurden unzureichende Eigenmittel sowie das Fehlen von geeignetem Personal genannt. Solche strukturellen Gesichtspunkte sollten bei der Konzeption zukünftiger Kooperationsprojekte sowohl auf Seiten der Partnerinstitutionen als auch durch die Auftrag gebenden Gremien berücksichtigt werden.

Der spätere Lenkungsausschuss hat die eingegangenen Anträge evaluiert und der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) eine entsprechende Entscheidungsgrundlage vorgelegt. Wesentliche Beurteilungskriterien waren der Beitrag der einzelnen Projekte zur Vision der Elektronischen Bibliothek Schweiz und ihr konkreter Nutzen für die Kundinnen und Kunden.

Die von der CRUS bewilligten Projekte werden im Folgenden vorgestellt und in den Zusammenhang des Gesamtprojektes E-lib.ch eingeordnet. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite von E-lib.ch. Sie nennt zudem jeweils die Kontaktpersonen der Projekte, die bei konkreten Fragen selbstverständlich direkt angesprochen werden sollten.

Projekte zu Recherche und Nutzung

Mit dem Abschluss der Projektauswahl hatte die Zuordnung zu den Clustern ihren wesentlichen Zweck erfüllt. Um eine künstliche Zersplitterung zu vermeiden, wird den Clustern eine Gruppierung in zwei Schwerpunkte überlagert, die die Zielsetzung von E-lib.ch angemessener abbildet.

Im Schwerpunkt Recherche und Nutzung sind Projekte vereinigt, die neue Funktionen für das Auffinden und die Bereitstellung von Informationsquellen erarbeiten. Das Webportal E-lib.ch bündelt die Beiträge der verschiedenen Projekte und weitere Angebote unter einer Oberfläche. Hier ist insbesondere das Projekt SwissBib4zu nennen, das die Kataloge sämtlicher Hochschulbibliotheken sowie der Schweizerischen Nationalbibliothek zu einem Gesamtkatalog der Generation 2.0 zusammenführt und damit einen langgehegten Wunsch aufgreift.

Während SwissBib sich somit auf bibliographisch greifbare Ressourcen konzentriert, ergänzen fachspezifische Portalprojekte den Zugriff auf weitere Informationsquellen. Hierzu zählen die Projekte Kartenportal.CH – Virtuelle Fachbibliothek Geoinformation für Karten und Geodaten sowie Info-Net Economy als Plattform für den Zugriff und Austausch von Informationen und Wissen in den Wirtschaftswissenschaften. Das Projekt infoclio.ch5der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften realisiert ein Portal zu geschichtswissenschaftlichen Themen und Quellen. Es wird unabhängig von E-lib.ch vom Bund gefördert und wird als assoziiertes Projekt in die Funktionen der Elektronischen Bibliothek Schweiz eingebunden.

Als kleineres Teilprojekt sorgt die Konsolidierung des Metadatenservers aus dem Projekt E-Archiving dafür, dass die Erfahrungen mit dem Harvesting von Metadaten aus institutionellen Repositorien nachgenutzt werden können und diese Daten in die gemeinsame Recherche einfliessen.

Das Projekt Multivio hat die Entwicklung eines Software-Moduls zum Ziel, das eine einheitliche Präsentation und Navigation verschiedenartiger und hierarchisch aufgebauter Objekte zum Ziel hat, die bislang jeweils eine eigene Wiedergabe-Software benötigen. Das Produkt wird als Open Source für die Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden.

Die explosionsartige Vermehrung der unmittelbar zugänglichen Informationsmenge im Internet vermittelt den Eindruck, dass «immer etwas gefunden werde». Dieser Eindruck führt dazu, dass die notwendigen Kompetenzen zur Auswahl und Beurteilung geeigneter Quellen unterschätzt werden. Hier setzt das breit abgestützte Kooperationsprojekt Informationskompetenz an Schweizer Hochschulen an. Durch die Sammlung und Aufbereitung von Lehrmaterialien und die Verankerung in der informationswissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung soll nachhaltig gewährleistet sein, dass Kundinnen und Kunden die Kompetenz vermittelt werden kann, adäquate Methoden und Quellen zur Recherche heranzuziehen und die Ergebnisse zutreffend zu bewerten. 

Die Elektronische Bibliothek Schweiz soll eine qualitativ hochwertige Ergänzung zu Internetsuchmaschinen darstellen, indem sie vermehrt wissenschaftliche Quellen des Deep Web (z.B. lizenzierte Inhalte) und nicht online verfügbare Ressourcen sichtbar macht und den Zugriff darauf vermittelt. Trotz dieser Differenzierung wird E-lib.ch bei der Wahl des ersten Einstiegspunktes für eine Informationsrecherche in der täglichen Praxis mit eingespielten Nutzungsgewohnheiten konkurrieren müssen. Aus diesem Grund widmet sich ein Teilprojekt in der zweiten Hälfte der Laufzeit dem Marketing der Elektronischen Bibliothek Schweiz und damit der Platzierung des neuen Angebots im Bewusstsein und im «Werkzeugkasten» der Nutzerinnen und Nutzer.

Projekte zu digitalen Inhalten

Der zweite Schwerpunkt umfasst Projekte, die sich in unterschiedlicher Weise mit der Verfügbarkeit von Inhalten in digitaler Form auseinandersetzen, wovon eigentliche Digitalisierungsprojekte die grösste Gruppe bilden. Diese umfassen ein Spektrum von mittelalterlichen Handschriften über neuzeitliche Drucke bis hin zu wissenschaftlichen Zeitschriften. Das Projekt e-codices6baut dabei auf dem bestehenden Angebot Codices Electronici Sangallenses7auf und erweitert dessen Rahmen über die Handschriften der Stiftsbibliothek hinaus auf Bestände anderer Schweizer Bibliotheken.

Schweizer Drucke sind Gegenstand des von zahlreichen Bibliotheken getragenen Projektes e-rara.ch8. Zunächst richtet sich der Fokus auf Drucke des 16. Jahrhunderts. Weitere beantragte Projekte zur Digitalisierung alter Drucke können in enger Zusammenarbeit mit e-rara.ch realisiert werden und erhalten so die angestrebte Einbindung in eine landesweite Lösung.

Das erfolgreiche Projekt retro.seals.ch des Konsortiums der Schweizer Hochschulbibliotheken erfährt innerhalb von E-lib.ch eine Fortsetzung. Neben funktionalen Erweiterungen wird es nun möglich sein, auch eher regional verankerte wissenschaftliche Zeitschriften aufzunehmen.

Diese und weitere Digitalisierungsaktivitäten werden durch das Projekt Best Practices Digitalisierung unterstützt. Es war ursprünglich darauf ausgerichtet, die Erfahrungen aus dem Projekt des Konsortiums zur Zeitschriftendigitalisierung auszuwerten und nachnutzbar zu machen. Das breite Interesse und die hohen Erwartungen werden jedoch voraussichtlich eine Neuausrichtung erfordern.

Das Bedürfnis nach langfristiger Verfügbarkeit wissenschaftlicher Informationen findet seinen Niederschlag in den drei Projekten E-Depot, Konzept Langzeitarchivierung und DOI-CH. Das E-Depot dient dazu, bei Bedarf lizenzierte Verlagsinhalte lokal zu speichern und für die Kundinnen und Kunden zugänglich zu halten. Der Auftrag des Konzepts Langzeitarchivierung geht sowohl inhaltlich als auch zeitlich weit über die Aufgaben der Speicherung hin- aus: Es berücksichtigt vor allem wissenschaftliche Primärdaten und wird mögliche Organisationsformen für die grundsätzlich unbegrenzte Langzeitarchivierung vorschlagen. Eine wichtige Rolle dabei kommt der dauerhaften Auffindbarkeit der Daten zu, die durch die Vergabe und permanente Pflege persistenter Identifikatoren gesichert werden kann. Das Projekt DOI-CH bereitet mit internationalen Partnern die Vergabe von DOIs (Digital Object Identifiers) in der Schweiz vor, welche die vorhandene Möglichkeit zur Vergabe von URNs (Uniform Resource Names) über die Nationalbibliothek ergänzen wird. Die drei genannten Projekte können auf Vorarbeiten aus dem Projekt E-Archiving zurückgreifen.

Zum Konzept von E-lib.ch, dass sowohl die Teilprojekte als auch das Gesamtprojekt nicht als abgeschlossene Produkte betrachtet werden. Vielmehr schaffen sie jeweils eine Plattform, die nach Beendigung der laufenden Projekte erweitert werden kann und soll. Dementsprechend zahlreich sind bereits jetzt die Kontakte zu Einrichtungen und Proje kten, die zwar nicht innerhalb von E-lib.ch gefördert werden können, deren Inhalte und Angebote aber nach Möglichkeit in die Funktionen des Portals eingebunden werden sollen. Dabei gehen die Kontakte erfreulicherweise bereits jetzt über die klassischen bibliothekarischen Partner hinaus.

E-lib.ch soll und kann die Idee der elektronischen Bibliothek weder technisch noch konzeptionell neu erfinden. Es kann von vielfältigen Erfahrungen im In- und Ausland profitieren und orientiert sich insbesondere an international anerkannten Standards, damit spätere Erweiterungen auf unkomplizierte Weise umgesetzt werden können. Nicht zuletzt stellt die oft als Beschränkung empfundene vergleichsweise Überschaubarkeit der Schweiz für die Realisierung eines landesweiten Projekts einen Vorteil dar.

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Matthias Töwe

Geschäftsstelle Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken.