Commentaires Résumé
2016/1 Esprit & religion

Ein Archiv im Archiv

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Seit Herbst 2014 hat die katholische Missionsgesellschaft Bethlehem Immensee (SMB) ihr Archiv im Staatsarchiv des Kantons Luzern deponiert. Für diese kooperative Lösung bot das Staatsarchiv Luzern Hand und setzt damit seine lange Tradition in der Sicherung von kirchlichen und kirchennahen Archiven fort. Die Erschliessung des Archivs wird aber weiterhin von der Missionsgesellschaft Bethlehem bzw. deren Archivarin geleistet.

Ein geplantes Bauvorhaben sowie strukturelle Gründe führten dazu, dass das Archiv der Missionsgesellschaft Bethlehem Immensee (SMB) ausgelagert werden musste. Das Staatsarchiv Schwyz konnte das Archiv aus Platzgründen nicht aufnehmen. Luzern bot sich an, kann aber die Erschliessungsarbeiten, die noch Jahre dauern werden, nicht selber leisten. Die Missionare und das Staatsarchiv kamen deshalb überein, das Archiv gewissermassen mitsamt mit der Archivarin der SMB nach Luzern zu transferieren und so die Erschliessung durch die Missionsgesellschaft durchführen und finanzieren zu lassen. Für das Staatsarchiv Luzern stellt das Archiv der SMB eine willkommene Ergänzung und Abrundung seiner Bestände der kirchlichen Hilfswerke, darunter Caritas und Fastenopfer dar, was auch vermehrt Forschende interessieren dürfte. 

Schule steht am Anfang

Die Missionsgesellschaft Bethlehem Immensee wurde im Jahr 1921 gegründet und ist eine der grossen und wichtigen Missionsgesellschaften der Schweiz. Die Archivbestände gehen bis auf das Jahr 1895 zurück, als der französische Priester Pierre Marie Barral im luzernischen Meggen eine apostolische Schule gründete und diese 1896 nach Immensee verlegte. So bildet der Bestand des Schularchivs und späteren Gymnasiums, das eine lange Schultheatertradition pflegte, einen wichtigen Grundstock des Archivs. Ab dem Jahr 1924 war die noch junge Gesellschaft in China, später im damaligen Süd-Rhodesien und heutigen Simbabwe, dann in Taiwan und Japan, aber auch in Kolumbien und in einigen weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas tätig.

Archivbestände

Die im Archiv aufbewahrten Unterlagen legen Zeugnis ab vom vielfältigen weltweiten Wirken der Immenseer Missionare, deren missionarische Tätigkeit sehr weit gefasst werden muss. So sind denn die Archivalien auch nicht nur für kirchlich Interessierte von Bedeutung. Anhand der Akten, Fotos und Filme lassen sich bedeutende Leistungen der Immenseer Missionare erforschen, sei dies nun moderne Kirchenarchitektur in Japan und Taiwan, medizinische Ethik, indigene Sprachen und Übersetzungen, japanisches Theater, taiwanesische Musik, afrikanische Instrumente und anderes mehr. Die Immenseer Missionare gründeten eine afrikanische Schnitzerschule, bauten Staudämme, errichteten Lehrlingswerkstätten und führten eine Druckerei. Sie erlebten den Befreiungskrieg in Simbabwe hautnah, verloren Mitbrüder und blieben auch in höchster Gefahr vor Ort präsent. In der Schweiz wirkten bedeutende Immenseer an theologischen Hochschulen und begründeten missionswissenschaftliche Zeitschriften.

Forschende aus aller Welt

Das Archiv wird auch von den Missionaren selbst rege genutzt. Auch die Immenseer haben wie viele andere Ordensgemeinschaften keinen priesterlichen Nachwuchs mehr und ihre Gemeinschaft wird immer kleiner. Gemeinsames Wissen über die Geschichte der Gesellschaft schwindet zunehmend, weshalb sich einige Mitglieder daran machen, die Anfänge der missionarischen Einsätze in Simbabwe, Kolumbien oder Taiwan zu erforschen und aufzuschreiben. Daneben interessieren sich Forschende aus aller Welt für die Dokumente im Archiv, weil gewisse Akten über Sachverhalte nur im Archiv der SMB «überlebt» haben und andernorts Akten aus klimatischen degradierten oder aus politischen Gründen zerstört worden sind. 

Ein-Personen-Archiv

Das Archiv der SMB ist seit den Anfängen ein Ein-Personen-Archiv, auch wenn der zuständige Archivar oder die Archivarin zeitweilig Unterstützung von Gesellschaftsmitgliedern oder einer Praktikantin erhielt. Die Aufgaben der Archivarin sind dadurch äusserst vielfältig: Entgegennahme von Akten, Bewertung, Kassation, Erschliessung, Recherche, Aushebung und Deponierung von Akten. Die Kehrseite dieses spannenden Aufgabenspektrums ist, dass die Erschliessung der noch immer wachsenden Aktenbestände nur langsam vorankommt und es noch viele unverzeichnete oder ungenügend verzeichnete Aktenbestände gibt. Auch existiert kein öffentlich einsehbares Findmittel. Archivkundinnen und -kunden wenden sich deshalb mit einer möglichst präzisen Fragestellung an die Archivarin, welche dann nach Aktenbeständen recherchiert und diese im Lesesaal des Staatsarchivs zur Einsichtnahme bereitstellt. Aus diesem Grund ist eine Voranmeldung bei der Archivarin unerlässlich. 

Vetter Elisabeth 2015

Elisabeth Vetter

Elisabeth Vetter führt das Archiv der Missionsgesellschaft Bethlehem seit Mai 2010. Sie studierte Germanistik, Soziologie und Philosophie an der Universität Zürich und absolvierte nach einigen Jahren Berufstätigkeit in den Bereichen Bibliothek, Redaktion und Archiv den Masterstudiengang Informationswissenschaft an der Fachhochschule Chur. 

Résumé

Depuis l’automne 2014, la Société missionnaire de Bethléem Immensee (SMB) a déposé ses archives aux archives d’État du canton de Lucerne. Pour cette solution intelligente, les archives d’État de Lucerne ont proposé leur aide et ont ainsi poursuivi la longue tradition de sécurisation des archives ecclésiastiques et connexes. L’exploitation des archives continuera a être assurée par la Mission de Bethléem; par l’archiviste Elisabeth Vetter.