Evangelische Kirchenarchive in Deutschland: mit Strategie in die Zukunft
Die evangelischen Kirchenarchive in Deutschland sind zusammengeschlossen im Verband kirchlicher Archive. Zusammen mit dem Verband kirchlich-wissenschaftlicher Bibliotheken (VkwB) – dem übrigens auch mehrere Schweizer Bibliotheken angehören – bilden sie die Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche (AABevK).
Die Arbeitsgemeinschaft hatte 2013 beschlossen, ein aktuelles Strategiepapier zu erstellen, um ihre Arbeit den Anforderungen der Zeit, insbesondere dem Medienwandel, gemäss auszurichten. Im Mai 2016 wird die finale Fassung des Strategiepapiers vorgestellt.
Institutioneller Bereich
Das übergeordnete Ziel kirchlicher Archive und Bibliotheken besteht darin, angesichts des erweiterten Aufgabenspektrums in gleichbleibend hoher Qualität zu arbeiten. Entscheidende Voraussetzungen hierfür sind eine ausreichende Ausstattung mit fachlich qualifiziertem und kontinuierlich weitergebildetem Personal sowie eine entsprechende Anpassung und Ergänzung der räumlichen und technischen Ausstattung. Der Nutzen, den eigene Archive und Bibliotheken für ihre kirchlichen Träger bieten, muss durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit verdeutlicht werden. Dazu zählen Dienstleistungen für die eigene Trägerinstitution, Angebote für die interessierte Öffentlichkeit und Präsenz in der Bibliotheks- und Archivlandschaft. Moderne Kommunikationsmethoden unter Einsatz aktueller Technologien sind die dafür notwendigen Werkzeuge. Archive und Bibliotheken müssen zunehmend als Vermittler archiv- und bibliotheksspezifischer Schlüsselkompetenzen in Erscheinung treten (u.a. Kenntnis der Organisationsstruktur, Auswahlkompetenz, Recherchestrategien, Schriftkenntnis). Das Angebot von Schulungen für externe und interne Nutzerinnen und Nutzer ist dabei ein wichtiges Instrument.
Archive stellen die Erschliessungsinformationen ihrer Bestände online bereit. Langfristig sollen häufig genutzte Quellen digital zur Verfügung stehen. Dazu können digitale Lesesäle oder bereits implementierte Portale genutzt werden. Archive sind frühzeitig in den Einführungsprozess eines Dokumentenmanagementsystems einzubinden. Nur in Kooperation von Archiven mit Verwaltung, Schriftgutverwaltung und IT ist eine spätere Übernahme elektronischer Unterlagen in ein digitales und revisionssicheres Langzeitarchiv nach formulierten Anforderungen gewährleistet.
Bibliotheken garantieren eine gezielte Suche unter kompetenter fachlicher Begleitung gegenüber den oft eher zufallsorientierten Funden spontaner Suche im Internet. Sie müssen verstärkt Informations- und Medienkompetenz vermitteln, um ihre Nutzerinnen und Nutzer zu befähigen, Informationen gezielt zu finden, zu bewerten und zu nutzen. Bibliotheken entwickeln ihr Dienstleistungsangebot weiter und dienen damit in Fragen der Fachinformation als zentrale Ansprechpartner. Sie müssen in die Entscheidungs- und Arbeitsabläufe ihrer Institutionen eingebunden werden, um individuell auf deren Bedarf zugeschnittene Fachinformationen bereitstellen zu können.
Personeller Bereich
Das Tätigkeitsfeld der Fachkräfte in kirchlichen Archiven und Bibliotheken hat sich im Zuge von Medienwandel und vermehrter Öffentlichkeitsarbeit wesentlich erweitert. Diese veränderten Anforderungen können nur mit angemessener Professionalität bewältigt werden. Zur Wahrung der notwendigen fachlichen und technischen Standards dürfen daher für fachspezifische Aufgaben nur archivarisch oder bibliothekarisch ausgebildete Fachleute eingestellt werden. Das vorhandene Personal muss sich kontinuierlich weiterbilden. Hierfür sind die finanziellen Voraussetzungen und die zeitlichen Möglichkeiten zu schaffen. Dem durch die gestiegenen Anforderungen verursachten personellen Mehrbedarf an Fachpersonal ist hinreichend Rechnung zu tragen. Zusätzlich muss in grossen kirchlichen Archiven und Bibliotheken IT-Fachpersonal für die professionelle Erledigung der wichtigen einschlägigen Aufgaben (z.B. Archivierung elektronischer Unterlagen, Speichermanagement digitaler Medien und Unterlagen) vorhanden sein.
Kooperation und Verbundlösungen
Bibliotheken und Archive in der evangelischen Kirche arbeiten kooperativ und in überregionalen Verbünden. Dies geschieht in dem Wissen, dass nur durch Zusammenarbeit die wachsenden Aufgaben bewältigt werden können. Bibliotheken erweitern durch Vernetzung ihr lokales Angebot. Dabei ist der gegenseitige Zugriff verlässlich sicherzustellen. Sie betreiben den kostenlosen «Innerkirchlichen Leihverkehr» und pflegen kooperativ Datenbanken wie den «Virtuellen Katalog Theologie und Kirche» und die «Predigtdatenbank für Theologie und Kirche». Deren Nutzung und Attraktivität muss gesteigert werden, etwa durch eine integrierte Bestellfunktion.
Zwei Alleinstellungsmerkmale der kirchlichen Spezialbibliotheken sind die Erschliessung von Aufsatzliteratur und die in die Tiefe gehende fachliche Erschliessung, die sich am kirchlichen Bedarf orientieren. Diese müssen zunehmend durch Arbeitsteilung der Bibliotheken untereinander erfolgen, damit die hohe Qualität beibehalten werden kann. So können die Zuarbeit der kirchlichen Bibliotheken zum «Index Theologicus» und die Erschliessung von Internetquellen noch ausgeweitet werden. Der kooperative Erwerb von E-Medien wird angestrebt. Für lizenzierte Medien soll eine zentrale Rechteverwaltung und Zugriffssteuerung aufgebaut werden.
Archive kooperieren insbesondere bei der Nutzung digitalisierten Archivgutes. Das gemeinsame Portal «Archion», das auf innovative und wirtschaftliche Weise Zugang zu Kirchenbüchern vermittelt, soll im Umfang und hinsichtlich der präsentierten Quellenarten ausgebaut werden. Im Bereich des Open Access wird die Kooperation mit spartenübergreifenden, nationalen Portalen angestrebt. Bei der Archivierung elektronischer Unterlagen ist die Zusammenarbeit der Archive mit den Verwaltungen und der IT, etwa bei der Einführung von Dokumentenmanagement-Systemen, unerlässlich. Die Etablierung einer Langzeitarchivierung elektronischer Unterlagen wird ebenfalls nur durch Verbundlösungen auf gesamtkirchlicher oder spartenübergreifender Basis verwirklicht werden können.