Bilderschliessung mittels Tagging- und Crowdsourcing-Projekten
Internetanwendungen, die das direkte Erstellen, Bearbeiten, Verknüpfen und Vervielfältigen von Inhalten ermöglichen, machen sich auch Gedächtnisinstitutionen zunutze, indem sie ihre Bestände einerseits einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen können, andererseits die Nutzerinnen und Nutzer an der Bearbeitung der Inhalte beteiligen, um Bestände zu identifizieren und einen besseren Zugang zu ermöglichen.
Im Fokus dieser Abschlussarbeit standen das Ermitteln und der Vergleich von Gedächtnisinstitutionen, die eine Partizipation der Öffentlichkeit möglich machen, indem diese mittels Vergabe von Schlagworten, sogenannten Tags, gemeinschaftlich (Social Tagging) ausgewählte Bestände unterstützend erschliessen. Bereits bei der Recherche nach entsprechenden Projekten zeichnete sich schnell ab, dass unterschiedliche Vorgehensweisen und Methoden angewendet werden, was einen direkten Vergleich erschwerte. Der Fokus der zu untersuchenden Projekte wurde daher auf die Gedächtnisinstitution Archiv mit dem Sammlungsschwerpunkt Bild- und Fotobestände gelegt. Dafür infrage kommende Institutionen konnten aus der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden, Grossbritannien und den USA für eine Befragung gewonnen werden. Diese Auswahl erwies sich jedoch als zu klein, um als repräsentativ angesehen werden zu können.
Das Interesse lag auf zwei Hauptfragestellungen, die den Mehrwert dieser Art der Erschliessung, auch im Vergleich zur klassischen Indexierung, aufzeigen sollten sowie darauf, wie eine Beteiligung der Nutzer gefördert und gesichert werden kann.
Die in dieser Arbeit untersuchten sogenannten Crowdsourcing-Projekte in Gedächtnisinstitutionen fallen in die Kategorie der Classification (Oomen & Aroyo, 2011, S. 140). In der Praxis unterscheiden sich diese, wie bereits erwähnt, teilweise deutlich voneinander. Bei einigen Projekten kann die Sammlung entweder direkt über eine Plattform der Institution oder über ein Webdienstleistungsportal wie Flickr mit Tags versehen werden. Die Nutzerin oder der Nutzer hat sich bei der Vergabe der Begriffe an keine oder nur minimale Vorgaben zu halten. Dementsprechend weisen die vergebenen Tags eine breite Vielfalt auf.
Ein anderer Ansatz ist die Rekrutierung von Nutzerinnen und Nutzern, die über ein spezifisches Wissen verfügen, das ein Archiv für die Erschliessung oder Identifizierung eines Bildbestands benötigt. Hier können auch Vorgaben für die Verwendung der Begriffe aufgestellt oder im Nachgang von den Experten nachbearbeitet werden.
Für die beiden genannten Ansätze können je zwei Beispiele erwähnt werden. Beim Amerikanischen Nationalarchiv NARA1 können die Nutzerinnen und Nutzer, nach der Erstellung eines Nutzerprofils, direkt im Archivkatalog selbst oder aus thematisch zusammengestellten Bildern, unter der Beachtung der Benutzerbestimmung2, frei wählbare Begriffe vergeben. In regelmässigen Abständen weist das Archiv per Newsletter auf neu lancierte Projekte hin, in die sich die Nutzerinnen und Nutzer einbringen können.
Eine ganz spezifische Gruppe von Personen, die bei der Erschliessung von unvollständig dokumentierten Bildbeständen aus dem Fotoarchiv der Swissair mithalf, sprach das bekannte Projekt des Bildarchivs der ETH-Bibliothek3 an. Ehemalige Swissair-Mitarbeitende befanden sich während vier Jahren in einem teilweise intensiven Wissensaustausch mit der Initiantin. Das Bildarchiv machte Vorgaben hinsichtlich der Bildinformationen wie Datierung, Personennamen oder der Benennung von technischen Bestandteilen. Doch konnten die Bilder auch frei beschrieben werden. Diese gewonnenen Informationen wurden dann im Nachgang von den Mitarbeitenden des Bildarchivs in Schlagworte umgewandelt.
Ergebnisse zum Mehrwert
Alle befragten Institutionen konnten einen Mehrwert mithilfe eines Social-Tagging- oder Crowdsourcing-Projekts verzeichnen. Dieser Mehrwert zeichnet sich zum einen durch die angestiegene Bekanntheit der Archivinstitution (bei kleineren Archiven) aus, zum anderen hatte die Beteiligung der Bevölkerung Auswirkungen auf die Bestände, die seit dem Projekt öfter besucht sowie besser aufgefunden wurden. Im Vergleich zur klassischen Indexierung konnte kein direkter Zusammenhang hergestellt werden, da nicht alle Institutionen im Detail eruieren, welchen Einfluss die Form einer unkontrollierten Erschliessung mittels freier Vergabe von Schlagworten auf die Sammlung hat und (bis jetzt) keine Evaluation über die Qualität der vergebenen Tags durchgeführt wurde.
Die Bildsammlung des Projekts des Bildarchivs der ETH-Bibliothek, die in Kooperation mit einer überschaubaren Anzahl von Personen durchgeführt wurde, scheint im Vergleich zu den anderen Projekten den grössten Nutzen hinsichtlich der Wissensgenerierung erreicht zu haben.
Ergebnisse zur Motivation
Die Befragung zeigte, dass die Projektziele für die Nutzerinnen und Nutzer transparent gemacht werden müssen, damit diese bereit sind, sich aktiv einzubringen und sich über einen längeren Zeitraum an einem solchen Projekt beteiligen. Aktiven Teilnehmern soll zudem vermittelt werden, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Dies kann in Form eines Bewertungssystems erreicht werden, indem beispielsweise diejenigen Anwender, die viele Bilder identifizieren oder taggen, innerhalb des Netzwerks explizit erwähnt werden. Zudem müssen die laufenden Projekte immer wieder über verschiedene Kommunikationskanäle beworben werden.
Zu einem erfolgreichen Projekt tragen verschiedene Faktoren bei. Entscheidend ist, wie bereits bei der Motivierung, dass das Vorhaben in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wird. Wichtig scheint auch, eine klar definierte Zielgruppe für das jeweilige Projekt und für die zu erschliessenden Bestände zu ermitteln, damit die Bereitschaft für eine Mitwirkung möglichst hoch ausfällt. Wie die Befragung jedoch zeigte, muss es sich nicht nur zwingend um eine spezifische Zielgruppe mit entsprechenden Kenntnissen handeln, um einen Mehrwert für die Sammlung oder das Archiv zu generieren. Der Erfolg eines Projekts hängt von klaren und transparenten Zielen ab, die sich eine Institution für das Projekt setzen muss.
Bei den nicht erfolgreichen Projekten konnte zudem ausgemacht werden, dass der technische Aspekt, also die Implementierung eines solchen Systems in die eigene Umgebung, einen grossen Stellenwert hat und dieser berücksichtigt werden sollte. Die dazu benötigten Ressourcen hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie die dafür eingesetzte Plattform (kostenpflichtig oder nicht) und die Grösse der Institution, sowie vom personellen Aufwand und der Intensität der Interaktion mit den Nutzern.
Bibliographie:
Oomen Johan, Aroyo Lora, «Crowdsourcing in the cultural heritage domain: opportunities and challenges», In C&T ́11 Proceedings of the 5th International Conference on Communities and Technologies New York: ACM, 2001, S. 138-149.
Abstract
- Français
L’accès aux collections d’un niveau de description insuffisant peut être amélioré et garanti au moyen d’une indexation (mots-clés) ou d’un balisage (tags), qui font recours à la participation de la population et aux connaissances spécialisées d’un public non- professionnel. Le travail de diplôme pour la filière Information Science de l’HTW Coire a exploré cette thématique et ce type de projet pour des collections d’archives iconographiques et photographiques. Les résultats de son analyse montrent que les façons de procéder les plus variées existent. La plus-value pour les institutions concernées consiste dans l’amélioration de l’accessibilité et la plus grande notoriété des collections. Des mesures de marketing ciblées et régulières sont nécessaires pour obtenir la participation active de la population et réussir l’entreprise, ainsi qu’une sélection «orientée objectif» des collections choisies pour la description participative.