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2014/3 Kulturerbe der Wirtschaft – kollektives Gedächtnis - Patrimoine culturel économique – mémoire collective

Das Firmenarchiv der Novartis AG

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Die Novartis ist ein weltweit führendes Unternehmen im Gesundheitswesen. Sie ist 1996 aus der Fusion der beiden Basler Chemie-Konzerne Ciba-Geigy und Sandoz hervorgegangen. Das Portfolio umfasst verschreibungspflichtige Arzneimittel, Produkte für die Augenheilkunde und Generika. Im Frühjahr 2014 wurden die Impfstoff- und die Tiermedizin-Sparte verkauft, während das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten in ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem britischen Pharmakonzern eingebracht wurde.

Das Firmenarchiv der Novartis AG

Das Firmenarchiv der Novartis AG ge­ hört zu den ältesten Unternehmensar­chiven der Schweiz. Die Konzernarchi­ve der Vorgängerfirmen von Novartis (Geigy, CIBA und Sandoz) wurden in den 1950er­ und 1960er­Jahren ge­gründet. Den Anlass dazu bildeten Ju­biläen. So wurde das Firmenarchiv der J.R. Geigy A.G. 1953 ins Leben gerufen, ehe das Unternehmen fünf Jahre später sein 200­-jähriges Bestehen feiern soll­te. Das sogenannte Werkarchiv der ehe­maligen Sandoz entstand 1963. Zwei Jahre zuvor hatte sich nämlich bei den Vorarbeiten zur Festschrift zum 75­-jäh­rigen Bestehen des Unternehmens ge­zeigt, dass sich eine Firmengeschichte nur schwer schreiben lässt, wenn die notwendigen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder zumindest nicht greif­bar sind.

Das Firmenarchiv der Novartis befindet sich auf dem Areal St. Johann in Basel, wo auch der weltweite Hauptsitz von Novartis angesiedelt ist. Es ist im fünf­ten und sechsten Stockwerk eines ehe­maligen Fabrikationsbetriebs für Dis­persionsfarbstoffe untergebracht. Die Gesamtfläche beträgt 938 Quadratme­ter. Im Firmenarchiv sind vier Mitarbei­ter und Mitarbeiterinnen vollzeitig an­ gestellt1.

Nach der Fusion von 1996 war das Fir­menarchiv dem Sekretariat des Verwal­tungsrats und ab 2010 an dem Chairman’s Office angegliedert. Seit dem ersten Juli 2014 ist es wieder dem Sekretariat des Verwaltungsrats unter­stellt. 

Die Bestände des Firmenarchivs

Bedingt durch die beiden Fusionen von CIBA mit Geigy (1970) und von Ciba-Geigy mit Sandoz (1996), betreut und verwaltet das Firmenarchiv sechs unabhängig voneinander gewachsene bzw. noch wachsende Archivkörper:

– Bestand der J.R. Geigy AG
– Bestand der Durand & Huguenin AG
– Bestand der CIBA Aktiengesellschaft und darin integriert deren Vorgängerfirmen
– Bestand der Sandoz AG
– Bestand der Ciba-Geigy AG
– Bestand der Novartis AG

Das Archiv umfasst mehrere Regalkilometer verschiedensten Schriftguts und nicht schriftlicher Überlieferung, darunter beispielsweise Protokolle der Verwaltungs- und Geschäftsleitungssitzungen, Jahresabschlüsse, Berichte aus Filialen, Organigramme, Lohnlisten, Laborjournale, Areal- und Baupläne, firmeneigene Publikationen, Produktverpackungen sowie klassische und digitale Bild- und Tondokumente. Die ältesten Unterlagen stammen aus den 1820er-Jahren2.

Aufgaben und Dienstleistungen

Im Firmenarchiv werden die historisch und/oder geschäftlich relevanten Unterlagen aus allen Bereichen des Unternehmens gesammelt, aufbewahrt und erschlossen. Aus diesen Kernaufgaben ergibt sich, dass das Firmenarchiv als Informationszentrum für alle Fragen, die die Unternehmensgeschichte betreffen, fungiert. Damit sind folgende Serviceleistungen verbunden:
– Das Firmenarchiv beantwortet jährlich Hunderte von internen und externen schriftlichen oder mündlichen Anfragen.
– Es berät Personen, die zu unterschiedlichsten Zwecken in den Beständen unseres Archivs recherchieren.
– Das Firmenarchiv entwickelt spezielle Angebote, wie inhaltliche Ausstellungskonzepte, schriftliche Beiträge oder Vorträge zur Unternehmensgeschichte.
– Es bietet Gruppenführungen an, bei denen auch besondere Interessen berücksichtigt werden können.

Benutzung


Das Firmenarchiv steht in erster Linie den Mitarbeitenden der Novartis für Anfragen und Recherchen zur Verfügung. In zweiter Linie gewährt es externen Benutzerinnen und Benutzern Einsicht in die Bestände. Die im Firmenarchiv aufbewahrten Unterlagen sind der Öffentlichkeit jedoch erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 30 Jahren seit ihrer Erstellung zugänglich. Das Firmenarchiv der Novartis ist zurzeit das wohl am häufigsten von externen Personen besuchte Schweizer Unternehmensarchiv: Im ersten Halbjahr 2014 nahmen 29 Interessenten von ausserhalb des Unternehmens vor Ort Einsicht in das Archivgut, zwei von ihnen in vertiefter Recherchearbeit über mehrere Wochen.

Digitalisierung von AV-Medien


Gegenwärtig verfolgt das Firmenarchiv drei Grossprojekte: die Konzipierung und Realisierung einer historischen Ausstellung, die Bildung eines Bestands «Novartis Campus»3 und das Digitalisierungsprojekt von AV-Medien, das hier vorgestellt werden soll.
Das Firmenarchiv der Novartis besitzt rund 65004 audiovisuelle Medien (AV-Medien) aus den Jahren zwischen 1933 und 2013. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Basler chemischpharmazeutische Industrie. Das AVArchivgut umfasst fast alle im Laufe der Jahrzehnte entwickelten und genutzten AV-Technologien: Celluloseacetat-Filme (35 mm, 16 mm, Super 8), Video-Magnetbänder (U-Matic, 1 Zoll C, VHS, Betacam SP), Magnettonbänder (Spule, Kassette), Digitalvideos (DVCAM, DVCPRO) sowie digitale Datenträger (CD, DVD). Eine personelle Aufstockung erlaubte es dem Firmenarchiv, sich ab 2012 ernsthaft um die AV-Medien zu kümmern. Allerdings sind die notwendigen Abspielgeräte (Filmprojektoren, Tonbandgeräte sowie Videorecorder der diversen technischen Generationen) nicht mehr in der Firma vorhanden. Deshalb konnte das Firmenarchiv weder den Zustand noch die Archivwürdigkeit der AV-Medien bewerten und konnte diese auch nicht inhaltlich erschliessen und nutzbar machen. Man entschied sich dafür, das gesamte Material durch externe Spezialisten (Film und Tonstudio bzw. Fachlabor), die über die nötige technische Ausrüstung, das erforderliche Know-how, eine ausgewiesene Erfahrung und ausreichende Kapazitäten verfügen, in digitale Formate umwandeln zu lassen. Die Wahl fiel auf einen engagierten Einmannbetrieb, mit dem das Digitalisierungsprojekt Anfang 2013 in Angriff genommen wurde. Bis Ende Jahr lagen 445 AV-Medien in digitalem Format vor. 2011 verfasste das Firmenarchiv eine Jubiläumspublikation. Diese gab Anlass zur Idee, den Mitarbeitenden die Unternehmensgeschichte auch in einer Ausstellung näherzubringen. Anfang 2014 erhielt das Firmenarchiv den Auftrag, umgehend eine räumliche Präsentation unter Einbezug von Objekten und multimedialen Mitteln zu realisieren. Möglichst rasch sollten dafür viele interessante und attraktive Filme zu diversen Themen zur Verfügung stehen. Dies machte es nötig, einen zweiten Digitalisierungspartner beizuziehen, um bei der AV-Digitalisierung schneller voranzukommen.

Nach einiger Zeit zeigten sich deutliche Diskrepanzen in der Digitalisierung beider Anbieter: Die beiden Studios verfolgen nach bestem Wissen und Gewissen und aufgrund ihrer Erfahrungen unterschiedliche Ziele. Das Archivierungsformat (Master) zur Langzeiterhaltung der Filme und als Basis zukünftiger Forschungen dokumentiert beim einen Partner den möglichst authentischen Erhaltungszustand des Schmalfilms. Der andere Partner versucht, der ursprünglichen Qualität und Charakteristik des Films nahezukommen, diesen also im Sinne seines Autors erfahrbar zu machen und zu erhalten. Der zweite Anbieter bearbeitet5 die Rohdaten mit dem Ziel, Filme optisch hochwertig zu überliefern, und komprimiert sie daraufhin ins Archivierungsformat. Der erste greift hingegen nur geringfügig in die Rohdaten ein und bearbeitet erst auf Kundenwunsch das komprimierte Archivierungsformat weiter, um ein in Bild und Ton ansprechendes Digitalisat als Nutzungsformat zu erzeugen.

Ob ein eher «pragmatisches» und rekonstruierendes Vorgehen (zugunsten von Originalität und Ästhetik) oder ein eher «puristisches» und konservierendes (im Sinne von Integrität und Historizität) vorzuziehen ist, wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Grundsätzlich kann man bei der Archivierung von AV-Medien sowohl den Erhaltungsals auch den Entstehungszustand mit Authentizität in Verbindung bringen. Derzeit holt das Firmenarchiv Expertenmeinungen ein, um diese Frage vor dem Hintergrund der eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten für sich selbst zu entscheiden. Entsprechende Wortmeldungen aus der Leserschaft von arbido sind sehr willkommen!

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Walter Dettwiller

Er leitet seit 2004 das Firmenarchiv der Novartis AG. Er hat Geschichte und Philosophie studiert, war Mitarbeiter im Schweizerischen Landesmuseum Zürich sowie im Historischen Museum Basel. Zudem war er als freischaffender Historiker tätig. Er hat zu verschiedensten historischen Themen mehrere Ausstellungen realisiert und Publikationen verfasst.

Abstract

Les archives de Novartis SA sont parmi les plus anciennes archives d’entreprises privées en Suisse: le groupe chimique-pharmaceutique bâlois a en effet été l’un des pionniers dans ce domaine dans les années 1950 et 1960. Ce service d’archives prend en charge et gèrent six entités d’archives, indépendantes les unes des autres. Les fonds d’archives forment plusieurs kilomètres de rayons, sous forme écrite et non écrite. En proposant aussi un accès à ses fonds à l’externe, le service d’archives agit comme un centre d’informations pour toutes les questions liées à l’histoire de l’entreprise. Cette offre est intensément utilisée. Parmi les grands projets actuellement en cours aux archives, cet article présente celui sur la numérisation des supports audiovisuels.