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2012/1 Fachportale für Kulturgut

Eine gemeinsame Suche über die Sammlungen der Filmarchive Europas. The European Film Gateway EFG

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Genauso wie Bibliotheken, Archive und Museen stehen die Institutionen, die das europäische Filmerbe bewahren und vermitteln – also Filmarchive und Kinematheken – vor zahlreichen Herausforderungen, die die Digitalisierung weiter Bereiche der Informationsgesellschaft mit sich gebracht hat. Die Aufgabe der meisten Filmarchive und Kinematheken bestand und besteht dabei nicht allein im Sammeln und Bewahren des jeweiligen nationalen Filmerbes, sondern auch in seiner Vermittlung.

Seit je entfalten sie deshalb umfangreiche Aktivitäten im Rahmen regelmässiger Filmprogramme, durch Festivals, Ausstellungen, pädagogische Veranstaltungen und Publikationen. Mit der zunehmenden Bedeutung digitaler Vermittlungstechniken über das Internet haben sich die Filmerbeinstitutionen auch auf diesem Feld positioniert oder sind dabei, dies zu tun. Die neuen Herausforderungen, mit denen sie sich dabei konfrontiert sehen, bestehen unter anderem in der Standardisierung, der Interoperabilität, der digitalen Langzeitarchivierung und nicht zuletzt in rechtlichen Fragen der öffentlichen Verfügbarmachung. Wie in den anderen Sparten auch, sind im Bereich des Filmerbes insbesondere im vergangenen Jahrzehnt durch eine Vielzahl einzelner Digitalisierungsprojekte Angebote entstanden, die heute nur noch schwer zu überblicken sind. Sie stehen im Internet gleichberechtigt neben einer noch grösseren Anzahl privater und kommerzieller Unterhaltungs-, Bildungs- und Informationsangebote und sind von diesen häufig nicht ohne Weiteres zu unterscheiden. Diese Unübersichtlichkeit ist die zentrale Herausforderung, die im EU-Projekt EFG – The European Film Gateway (Laufzeit September 2008 bis August 2011) angegangen wurdeDas EFG-Portal ist unter http://www.europeanfilmgateway.eu erreichbar. Projektinformationen und -dokumentation bietet www.efgproject.eu [letzter Zugriff bei allen im Artikel genannten Internetseiten: 10.08.2011].

Als sogenanntes «Best Practice Network», gefördert durch das eContentplus-Programm der Europäischen Union, hat sich EFG zum Ziel gesetzt, Ansätze der Vernetzung im Kontext der europäischen digitalen «Bibliothek» Europeana durch praktische Implementierungen auszuprobieren und zu testen. Mit ihren gegenwärtig mehr als 22 Millionen Objekten aus Europas Bibliotheken, Archiven, Museen und audiovisuellen Sammlungen ist die Europeana bereits jetzt ein spartenübergreifendes Rechercheangebot für Inhalte und Informationen des europäischen Kulturerbes.

Damit steht EFG in einer Reihe mit weiteren sogenannten «Aggregator»-Projekten im Rahmen der i2010 Digital Libraries Initiative: Zum Beispiel Athena1 als Aggregator für die europäischen Museen, APEnet2für die Nationalarchive, EuropeanaLocal3 für die regionalen und lokalen Archive sowie Euscreen4 für die Fernseharchive Europas. EFG «aggregiert» die Metadaten über Inhalte von 16 Filmarchiven: Dabei handelt es sich nicht allein um bewegte Bilder: Eine grosse Bandbreite an Medien- und Dokumenttypen vom Spielfilm bis zur Wochenschau, über Setfotografien und Film Stills, schriftliche Produktions- und Filmzensurunterlagen und gedruckte Publikationen wie Rezensionen und Interviews werden dabei berücksichtigt. Mithin lässt sich das Projekt als eine «kleine Europeana» in sich bezeichnen, das vor ähnlichen Herausforderungen stand.

EFG aggregiert gegenwärtig ca. 550 000 Objekte, darunter mehr als 20 000 Videos, die über www.european-filmgateway.eu gesucht und angezeigt werden können. Es werden dabei lediglich die Metadaten zusammengeführt. Die Inhalte selbst bleiben auf den jeweiligen Servern der beteiligten Partner. Die Metadaten enthalten in jedem Fall einen Direktlink zur Datei sowie in den meisten Fällen einen Link zur sogenannten lokalen Landing Page, also der HTML-Seite, in die das Objekt eingebettet ist.

Die Partnerinstitutionen und ihre Sammlungen 

Das Projekt wurde vom europäischen Kinemathekenverbund (Association des Cinémathèques Européennes, ACE) initiiert und wird vom Deutschen Filminstitut – DIF koordiniert. Insgesamt sind 21 Institutionen beteiligt, darunter u.a. das IT-Forschungsinstitut ISTI von der italienischen nationalen Forschungsgesellschaft CNR in Pisa. ISTI stellt mit seiner D-Net-Anwendung die Softwarelösungen zur Aggregierung und Indexierung der Daten bereit. 

Die grössten Bestände stammen dabei von:

– Cinecittà Luce, Rom: Ca. 14 000 Beiträge der italienischen Wochenschau La Settimana Incom sind durchsuchbar und online abrufbar. Sie zeigen kulturelle, soziale und politische Ereignisse in Italien im Zeitraum von 1946 bis 1965 und dokumentieren somit die Entwicklung des Landes in dieser Zeit. Darüber hinaus findet man dort ausgewählte Teile der Dokumentar- und Kurzfilmsammlung, darunter frühe Werke von Rossellini, Antonioni, Comencini und anderen berühmten italienischen Filmemachern sowie einen umfangreichen Fundus an Fotografien des historischen Luce-Archivs aus der Zeit des Faschismus bis zum Ende der 1970er- Jahre. Sie zeigen filmbezogene Ereignisse und das italienische «dolce vita» mit all seinen berühmten Persönlichkeiten und Ereignissen.

– Deutsches Filminstitut – DIF: Hier werden die filmbezogenen Sammlungen des DIF, darunter das Werk des Fassbinder-Fotografen Peter Gauhe, das weite Teile des Filmschaffens von Rainer Werner Fassbinder in einzigartiger Weise dokumentiert, präsentiert. Neben mittlerweile historisch zu nennenden Produktionsunterlagen aus dem Firmenarchiv der CCC-Filmkunst von Artur Brauner, einem der grössten Independent-Produzenten im Nachkriegseuropa, sind zum Beispiel sämtliche Bilder und Materialien sowie zahlreiche Trailer aus filmportal.de ebenfalls recherchierbar und abrufbar.

– Der Beitrag des Dänischen Filminstituts enthält frühe Dokumentarfilme, die die dänische Gesellschaft in der Zeit von 1906 bis 1940 in Kultur- und Werbefilmen sowie Aktualitäten dokumentieren. Frühe Kurzspielfilme geben einen Eindruck davon, wie Unterhaltungsfilme in der Phase des frühen Kinos aussahen. Hinzu kommen rund 700 Ausschnitte und Trailer von Filmen aus dem pädagogischen Verleihprogramm des Instituts. Die Filme des dänischen Filmpioniers Peter Elfelt (1866–1931) sind aus filmischer Sicht interessant und zugleich einzigartige Zeitdokumente. Als königlicher Hoffotograf hatte Elfelt Zugang zu den wichtigsten Personen und Ereignissen seiner Zeit, zur dänischen High Society, die in seinen Filmen zu sehen sind. Darüber hinaus illustrieren über 45 000 Film Stills mehr als ein Jahrhundert dänischer Filmproduktion von den frühen Stummfilmen mit Asta Nielsen bis zu den jüngsten Werken von international renommierten Regisseuren wie Susanne Bier und Lars von Trier.

  • Von der Cinémathèque Française kommen unter anderem mehrere Sammlungen zur Vor- und Frühfilmgeschichte, zum Beispiel die Sammlungen Etienne-Jules Marey und Eadweard Muybridge, den Vätern der vorkinematografischen Chronofotografie. Ebenfalls in die Vorfilmepoche gehört die digitalisierte Laterna-Magica-Sammlung mit Bildergeschichten und Kunstwerken aus Frankreich, Grossbritannien, Deutschland und den USA vom 18. Jahrhundert bis in die 1920er-Jahre, mithin ein Prunkstück der Cinémathèque-Bestände.

  • Für die Schweiz ist die Lichtspiel- Kinemathek Bern vertreten, die auf dem EFG Filme des bekannten Fotografen und Dokumentarfilmers Kurt Blum (1922–2005) zeigt.

    Weitere Sammlungen kommen von zehn anderen europäischen Filmarchiven und Kinematheken:

  • Cinemateca Portuguesa – Museo do Cinema, Lissabon

  • Cineteca di Bologna

  • EYE Film Instituut Nederland

  • Filmarchiv Austria

  • Nationales Filmarchiv Finnland, Helsinki

  • Litauisches Zentralstaatsarchiv, Vilnius

  • Nationales Filmarchiv Tschechien, Prag

  • Norwegische Nationalbibliothek, Oslo

  • Griechisches Filmarchiv, Athen

  • Filmoteka Narodowa, Warschau

    Die Inhalte des EFG-Portals werden, wie auch bei Europeana, nicht zentral vorgehalten. Sie liegen verteilt auf den Servern der verschiedenen beteiligten Institutionen. Es werden lediglich die Metadaten in einem zentralen Index zusammengeführt, die immer auch den Link zum Objekt und zur Website in der das Objekt eingebettet ist, enthalten. Die Dateien bleiben damit unter der Kontrolle des jeweiligen Archivs, das auch die Verantwortung für seine Inhalte trägt. Eine zentrale Auswahl der über EFG zugänglichen Archivbestände findet vorläufig nicht statt. Angesichts der Partner erschien dies nicht zwingend nötig. Da diese immer Institutionen des jeweiligen nationalen Filmerbes sind und die entsprechende kuratorische Expertise besitzen, wurde diese Aufgabe bei den Konsortialpartnern belassen. EFG fungiert somit als eine Suchmaschine, die wie gängige Internetsuchmaschinen inhaltlich «agnostisch» ist – mit dem Unterschied, dass sämtliche Inhalte aus den Sammlungen autorisierter Filmerbeinstitutionen stammen und daher die entsprechende Authentizität aufweisen.

Der Weg der Metadaten: vom Archiv zum EFG 

Ein vergleichsweise komplexes und für vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten Platz bietendes Datenmodell liegt dem EFG-Auftritt zugrunde. Die Datenbank orientiert sich an den Prinzipien der Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR) der IFLA und ist auf die Anforderungen der Beschreibung von Filmwerken und filmbezoge- nen Materialien angepasst. Bei der Datenmodellierung wurde unter anderem auf die Vorarbeiten der Standardisierungsgruppe CEN TC 372 «Cinematographic Works» zurückgegriffen, deren Resultat mittlerweile in Form des europäischen Standards EN 15907 vorliegt.6 Die Bereitstellung der Daten musste aber nicht gemäss EFG-Schema erfolgen. Dies erschien angesichts der hohen technischen Anforderungen, die eine Transformation der Daten an die Provider gestellt hätte, nicht praktikabel. Die Minimalanforderung an die Archive bestand daher lediglich darin, Daten in gültigem, wohlgeformtem XML zu liefern. Die Struktur der Exportdaten wurde nicht vorgegeben. Lediglich einige Datenelemente (u.a. Titel, Link zur Ressource) waren dabei Pflicht. Diese zahlreichen, heterogenen Quelldaten wurden in der Folge durch ein Mapping-Team am Deutschen Filminstitut auf das EFG-Zielschema abgebildet. Die daraus entstandenen individuellen Vorgaben für die Datentransformation wurden an den Technologiepartner CNR-ISTI zur Implementierung der Importfilter und dem anschliessenden Daten-Ingest weitergegeben.

Diese Herangehensweise war, obschon notwendig, nur im Rahmen eines vergleichsweise gut ausgestatteten Projekts wie EFG zu leisten. Die Bearbeitung eines Datenexports durch das Mapping-Team am Deutschen Filminstitut (Anleitung des Datenproviders, syntaktische und semantische Prüfung, Formulierung der Transformationsregeln, Anleitung der Programmierer, Prüfung der Test-Ingests und Bug-Reporting, schliesslich Abnahme des Importfilters und Freigabe der Daten) nahm im Schnitt fünf Arbeitstage in Anspruch. Um die Daten der 16 Provider möglichst vollständig präsentieren zu können, war die Verarbeitung von mehr als 60 unterschiedlichen Datenexporten nötig. Allein für diesen Teil der Datenkoordination fielen also Arbeiten im Umfang von fast 1,5 Personenjahren an. Aufwände des Technologiepartners ISTI und auf Seiten des jeweiligen Datenproviders sind hierbei noch nicht berücksichtigt.

europeanfilmgateway.eu

Die Suche auf www.europeanfilmgate-way.eu liefert Objekte aus den Beständen der Filmarchive als Ergebnis: Videos, Fotos und Bilder, Texte. Filmografische Informationen (Stabs- und Besetzungsangaben, Original- und Verleihtitel etc.) unterstützen die Suche, stehen aber in der Ausgabe nur zum Teil zur Verfügung. Im Zentrum stehen die Sammlungsobjekte selbst. Das EFG-Portal ist damit kein Rechercheinstrument für filmografische Informationen wie etwa die Internet Movie Database (IMDb) oder das deutsche filmportal.de.

Suchergebnisse lassen sich nach Provider, Jahrzehnt, Sprache und Medientyp filtern. Wo vorhanden, werden neben inhaltlichen Erschliessungsangaben (Synopsen, Objektbeschreibungen, Schlagwörtern, Zeitangaben) auch die jeweilige Provenienz und Rechteinhaber genannt. Mit dem Link zum ursprünglichen Kontext bekommen Nutzer, die an einer Verwendung der Objekte interessiert sind, entsprechende Kontaktinformationen zum jeweils verantwortlichen Archiv. Mit der Registrierung im «MyEFG» erhält der Nutzer darüber hinaus die Möglichkeit, Objekte in einem personalisierten Bereich zu speichern und zu annotieren.

Europeana

Neben dem Aufbau des EFG-Portals bestand und besteht der Hauptzweck des Projekts in seiner Funktion als Aggregator für die europäische digitale «Bibliothek» Europeana. Die wie beschrieben zusammengeführten Daten stellt das EFG-System über eine OAI-Schnittstelle auf Basis der «Europeana Semantic Elements» (ESE) bereit. Alle im EFG zusammengeführten Inhalte sind inzwischen auch über Europeana zugänglich.

Ausblick

Weitere Bestände sollen möglichst auch nach Ende des Projekts sukzessive über EFG in Europeana eingebunden werden. Einblick in die technischen und organisatorischen Anforderungen geben das «EFG Data Provider Handbook» und umfangreiche Dokumentationen des Schemas, der gültigen Vokabularlisten und weiterführende Informationen auf der Projektseite.7 Das Portal stellt hierfür ein eigenes Kontaktformular zur Verfügung.8 Eine Anbindung auf die gewohnte Weise, also durch Bereitstellung von XML-Daten im ursprünglichen Quellformat, kann das Projekt jedoch nur mithilfe weiterer Projektmittel gewährleisten. Fehlt diese, können perspektivisch nur Daten verarbeitet werden, die vollständig EFG-Schemakonform geliefert werden.

Das auf D-Net basierende EFG-System bietet nunmehr Möglichkeiten für weiter gehende Kooperationsprojekte der europäischen Filmarchive und Kinematheken. So ist gegenwärtig ein umfangreiches Filmdigitalisierungsprojekt in Planung, das in den kommenden beiden Jahren ca. 650 Stunden Filmmaterial über den Ersten Weltkrieg digitalisieren und über Europeana im Web bereitstellen soll. Das EFG-Projekt hat hierfür die notwendigen Vorarbeiten geleistet.

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Georg Eckes

Deutsches Filminstitut

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Tout comme les bibliothèques, archives et musées, les archives cinématographiques et les cinémathèques font face aux nombreux défis amenés par la numérisation. Leur mission n’est pas uniquement de collecter et de conserver, mais également de transmettre le patrimoine filmographique. La numérisation des fonds et leur présence sur la Toile engendrent des questions de standardisation, d’interopérabilité, d’archivage à long terme et des questions juridiques de leur mise à disposition du public. Cette complexité est le principal défi du projet EFG – The European Film Gateway – créé en 2011 et relié à Europeana.eu. EFG agrège les métadonnées de 16 archives cinématographiques soit environ 550 000 objets dont plus de 20 000 vidéos accessibles sur www.europeanfilmgateway.eu. Le contenu reste ainsi sur les serveurs des partenaires, et les métadonnées offrent un lien direct au contenu. Le projet a été initié par l’Association des cinémathèques européennes (ACE) et coordonné par l’Institut du film allemand (DIF). ISTI (Istituto di Scienza e Tecnologie dell’Informazione, à Pise) se charge de la partie technique de l’agrégation et de l’indexation des données. La recherche est concentrée sur le document lui-même. Les informations filmographiques sont en complément de la recherche, mais ne sont que partiellement accessibles. L’EFG n’est donc pas un outil de recherche cinématographique tel que l’Internet Movie Database ou filmportal.de.