Die Einführung von Records Management in der kantonalen Verwaltung Graubünden - Anforderungen und Herausforderungen
Mit dem Aufkommen der Informations- und Kommunikationstechnologien wurde die Aktenführung in den Organisationseinheiten meist vernachlässigt. Die Bestimmungen wurden häufig nicht auf elektronische Dokumente angepasst, und die Ablage auf den Laufwerken ist vielfach historisch gewachsen. Die Konsequenz sind unübersichtliche und redundante Ablagen. Records Management (Aktenführung/Schriftgutverwaltung) setzt genau bei diesen Problemstellungen an und betrachtet die Information über den ganzen Lebenszyklus, von der Erstellung bis zur Vernichtung bzw. Ablieferung ans Staatsarchiv.
Records Management verbessert den momentanen Zustand der Aktenverwaltung und ist eine Hilfe im Arbeitsalltag. Durch die Einführung eines OrdnungssystemsEin Ordnungssystem (Aktenplan, Registraturplan) ist eine prozessorientierte, meist hierarchische Struktur der Ablage.wird die Übersichtlichkeit verbessert, die Dokumente sind personenunabhängig und deshalb nicht redundant abgelegt. Die Verlässlichkeit von Dokumenten wird erhöht, und die Geschäftstätigkeit bleibt nachvollziehbar und transparent, indem beispielsweise eine Versionenverwaltung zur Verfügung steht, welche jeder zeit nachweist, wer wann welche Änderungen vorgenommen hat. Es geht aber auch um die Nutzung von neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit, welche ECM oder Records Management Systeme bieten.
Rechtliche Grundlagen
Ende 2006 beschloss die Regierung des Kantons Graubünden eine Entreprise Content Management(ECM) Strategie, wovon Records Management ein Teilaspekt ist. Im Frühjahr 2007 beauftragte die Regierung die Standeskanzlei, die notwendigen rechtlichen Grundlagen für Records Management zu schaffen. Diese hat daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Graubünden die Weisung über die Aktenführung in der kantonalen Verwaltung erstellt, welche Ende 2007 von der Regierung verabschiedet wurde.
Projektorganisation und Verantwortlichkeiten
Die Weisung über die Aktenführung in der kantonalen Verwaltung hält neben dem Geltungsbereich und den Grundsätzen der Aktenführung auch die Verantwortlichkeiten fest.
Die Leitung der Organisationseinheit ist für die Aktenführung in der eigenen Organisation und für die Definition der notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen verantwortlichAus Gründen der Flexibilität wurde die Definition einer Organisationseinheit bewusst offengelassen. So kann man dem Anspruch gerecht werden, diejenigen Einheiten als Organisationseinheit zu definieren, welche bis anhin für die Archivierung von Akten zuständig waren. In den meisten Fällen ist dies ein Amt, aufgrund von Umstrukturierungen kann dies aber auch eine Abteilung sein..
Es gibt zudem in jeder Organisationseinheit eine Person, welche für das Records Management zuständig ist. Diese Person leitet das Projekt in der Organisationseinheit und ist die Kontaktperson zum Staatsarchiv und zum Amt für Informatik.
Gemäss der Weisung sind alle Mitarbeitenden zu einer ordnungsgemässen Aktenführung verpflichtet.
Die Weisung hält aber nicht nur die Verantwortlichkeiten aufseiten der Organisationseinheit fest, sondern sie definiert ebenfalls die Rollen des Staatsarchivs und des Amtes für Informatik.
Das Staatsarchiv hat den Auftrag erhalten, die Umsetzung der Weisung zu koordinieren, Mustervorlagen und Anleitungen für die organisatorischen Rahmenbedingungen zu definieren so wie die Organisationseinheiten zu beraten.
Das Amt für Informatik ist für die technische Umsetzung von Records Management verantwortlich.
Es wurde zudem eine departementsübergreifende Projektgruppe gebildet, mit je einer Vertretung pro Departement, der Standeskanzlei, des Amtes für Informatik und einem Fachexperten. Diese Projektgruppe dient mehrheitlich dem Kommunikationsaustausch: Das Staatsarchiv hat einen Ansprechpartner pro Departement und informiert die Projektgruppe halbjährlich über den Projektstatus.
Projektziele
Die Weisung über die Aktenführung in der kantonalen Verwaltung gibt das Ziel vor: die Einführung von Records Management in allen Organisationseinheiten mit Unterstützung des Staatsarchivs und des Amtes für Informatik.
Es ist aber nicht vorgesehen, dass die ganze kantonale Verwaltung ab einem bestimmten Zeitpunkt nach den Grundsätzen des Records Managements arbeitet. Nach drei Pilotprojekten führen die ersten interessierten Organisationseinheiten Records Management ein. Anschliessend folgen etappenweise die weiteren Organisationseinheiten. Diese phasenweise Einführung ist einerseits durch die Kultur der kantonalen Verwaltung Graubünden, andererseits durch Ressourcen des Staatsarchivs und des Amtes für Informatik bedingt.
Die Einführung von Records Management in den Organisationseinheiten darf nicht alles Bestehende und Funktionierende auf den Kopf stellen. Bereits in der Weisung wird festgehalten, dass Records Management pragmatisch einzuführen sei. Zusammen mit den Organisationseinheiten wird analysiert, wo Handlungsbedarf besteht. Die Ziele werden für jede einzelne Organisationseinheit separat definiert.
Organisatorische Grundlagen
Um Records Management einführen zu können, braucht es verschiedene organisatorische Grundlagen. Wie erwähnt, ist es Aufgabe des Staatsarchivs, diese zu definieren und die Organisations einheiten entsprechend zu beraten.
In Anlehnung an die Richtlinien des Bundes sowie Records Management Standards anderer Ländern besteht das Konzept aus drei Pfeilern:
Den Grundstock bilden die gesetzlichen Grundlagen, darauf aufbauend sind in jeder Organisationseinheit die folgenden Meilensteine vorgesehen:
– Organisationsvorschriften
– Analyse und Bewertung der Akten
– Ordnungssystem
Den Schluss bildet die technische Umsetzung.
Für die Umsetzung von Records Management sind Organisationsvorschriften nötig, welche die Verantwortlichkeiten und die Regeln einer Organisationseinheit im Bereich Aktenführung festhalten und von der Leitung der Organisationseinheit unterschrieben werden.
Weiter ist eine Analyse erforderlich: Jede Organisationseinheit muss sich darüber im Klaren sein, wo sie steht und wohin sie will. Es stellt sich die Frage, welche Dokumente vorhanden und welche für die Organisationseinheit beziehungsweise für das Staats archivwichtig sind (Bewertung der Akten). Das Staatsarchiv empfiehlt, als ersten Schritt die Organisationsvorschriften zu erstellen, damit die Leitung der Organisationseinheit hinter dem Projekt steht. Obwohl die Organisationsvorschriften kurz und knapp sein sollten, ist es in der Praxis oft schwierig, Arbeitsabläufe und Verfahren zu definieren, ohne sich vertieft mit dem Thema auseinandergesetzt und den Ist- und Sollzustand analysiert und definiert zu haben. Der letzte und wichtigste Meilenstein ist der Aufbau eines Ordnungssystems.
Das Staatsarchiv hat für diese und weitere wichtige Abläufe Merkblätter (Vorlagen und Arbeitsanweisungen) erstellt, welche neben der Beratung den Organisationseinheiten als Arbeitsmittel zur Verfügung stehen. Bis jetzt sind folgende Dokumente erstellt worden:
– Richtlinie Records Management (Aktenführung) in der kantonalen Verwaltung
– Merkblatt 1: Projektablauf (inkl. Vereinbarung und Projektantrag)
– Merkblatt 2: Organisationsvorschriften (inkl. Vorlage)
– Merkblatt 3: Dienststellenanalyse (inkl. Vorlage)
– Merkblatt 4: Aktenbewertung (inkl. Bewertungsvereinbarung)
– Merkblatt 5: Ordnungssystem
– Merkblatt 6: Dossierbildung
– Merkblatt 7: Ablieferung ans Staatsarchiv bzw. Vernichtung
Da Records Management die Arbeitsweise jedes einzelnen Mitarbeitenden verändert, kommt der Information und Kommunikation, dem Change Management, eine grosse Bedeutung zu. Ein Schulungs- und Kommunikationskonzept hält fest, wann wem welche Information zukommt. Das Staatsarchiv präsentiert das Projekt auf verschiedenen Ebenen, von der Departementsleitung bis zum Mitarbeitenden, hilft bei der Erstellung von Schulungs unterlagen und stellt möglichst viele Arbeitshilfen zur Verfügung.
Technische Umsetzung
Die kantonale Verwaltung hat mit der ECM-Strategie das Produkt Microsoft Office Sharepoint Server (MOSS) als eine der Standardanwendungen gewählt. Für die Abbildung der organisatorischen Vorgaben auf MOSS haben die Ressourcen sowie das Knowhow gefehlt. Daraufhin hat das Amt für Informatik zusammen mit dem Staatsarchiv entschieden, die GEVERLösung OXBA (Office Extensions for Business Administration) einzusetzen. OXBA wird vom Bundesamt für Informatik und Telekommunikation zusammen mit Microsoft entwickelt und deckt grösstenteils die notwendigen Funktionalitäten ab.
Nach Anpassung an die kantonalen Richtlinien wird OXBA ebenfalls den Organisationseinheiten der kantonalen Verwaltung zur Verfügung stehen.
Erfahrungen und Lernpunkte für die Praxis
Wie beschrieben, ist das Staatsarchiv für den organisatorischen, das Amt für Informatik für den technischen Teil zuständig. Dazu kommt die Zusammenarbeit mit den Organisationseinheiten sowie mit externen Beratern. Wir bewegen uns also in einem Drei- oder sogar Vierecksverhältnis. Dabei sind die Verantwortlichkeiten nicht immer ganz klar geregelt, und eine zentrale und übergreifende Gesamtprojektverantwortung würde einiges vereinfachen. Entscheidend ist jedoch, dass die Einführung von Records Management der Leitung der Organisationseinheiten ob liegt. Das Staatsarchiv und das Amt für Informatik nehmen «nur» eine beratende und koordinierende Funktion wahr, sind aber nicht für die Einführung an sich zuständig.
80% der Vorarbeiten bei der Einführung von Records Management sind organisatorischer Natur, welche vor der technischen Umsetzung zu leisten sind. Records Management Systeme bieten vielfältige Möglichkeiten; eine klare Abgrenzung im Bereich Daten und Funktionen ist deshalb unumgänglich. Es ist wichtig, dass man sich bewusst ist, dass ein Kulturwandel stattfindet, und dementsprechend das Schulungs- und Kommunikationskonzept wählt. Es ist darauf zu achten, dass eine Alltagssprache benutzt wird und die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt abgegeben werden.
Der Praxisbezug darf nicht verloren gehen, es sind die Probleme der täglichen Arbeit zu lösen; das neue Ordnungssystem und die Arbeitsabläufe sollen deshalb auf Vorhandenem aufbauen und nur geändert werden, wo es nicht optimal funktioniert.
Fazit
Obwohl das Projekt erst in den Anfängen3 steckt, hat der Kontakt mit den Organisationseinheiten gezeigt, dass das Bedürfnis nach einer Verbesserung vorhanden ist. Allerdings weniger, um die rechtlichen Vorgaben einhalten zu können, sondern in erster Linie aus arbeitstechnischer Sicht (bessere Auffindbarkeit der Dokumente, Zusammenarbeit, Integration von EMails etc.). Es ist jedoch nicht immer einfach, eine alltagstaugliche Lösung zu finden. Ein Patentrezept gibt es nicht, die Anforderungen, die Kultur und die Ausgangslage der Organisationseinheiten sind sehr unterschiedlich.
Die Erarbeitung der organisatorischen Grundlagen erfordert von beiden Seiten, Organisationseinheit und Staatsarchiv, einige Ressourcen. In den Organisationseinheiten stehen für Aufgaben ausserhalb des Tagesgeschäftes meist wenige Ressourcen zur Verfügung. Das Staatsarchiv bringt die nötige Fachkompetenz und kann und soll die Organisationseinheiten beraten, denn sie sind froh, wenn sie jemanden zur Seite haben, der sie bei der Einführung unterstützt.
Abstract
- Français
Fin 2007, l’Exécutif cantonal des Grisons a adopté des instructions sur la gestion des dossiers dans l’Administration cantonale. Outre sa portée et ses principes, la directive fixe que l’introduction du Records Management est de la compétence de la direction de chaque unité administrative. Les Archives d’Etat ont reçu pour mission de coordonner la mise en œuvre de la directive. Elles doivent proposer des modèles et des instructions pour le cadre organisationnel. Elles doivent aussi conseiller les différentes unités. Le service informatique est quant à lui responsable de la mise en œuvre technique. Conformément aux directives de la Confédération et des normes retenues par d’autres pays en matière de Records Management, les Archives d’Etat diffusent des feuilles d’information qui servent de jalons essentiels dans la mise en œuvre du RM (par exemple, les règles d’organisation, l’évaluation documentaire, le système de classification). 80 % des travaux préparatoires à l’introduction du RM sont d’ordre organisationnel et précèdent la mise en œuvre technique. Le RM modifie radicalement la façon dont chaque employé travaille. C’est pourquoi l’information, la communication, la gestion du changement ont un rôle fondamental. Il convient de veiller à ce que cette communication emprunte la voie du langage quotidien et que les bonnes informations soient transmises au bon moment. Bien que le projet en soit encore à ses balbutiements, le contact avec les unités organisationnelles a montré clairement que l’amélioration de la gestion des dossiers est un vrai besoin. Toutefois, celle-ci se dessine moins en vue de satisfaire les exigences légales que pour résoudre des problèmes professionnels (meilleure recherche documentaire, collaboration, etc.). Il n’existe pas de solution toute faite pour l’introduction du RM tant les besoins, la culture et la position initiale de chaque unité organisationnelle sont différents.