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2007/1 I+D-Fachleute – kompetent in der Gegenwart, unverzichtbar in der Zukunft

Warum Unternehmen Lehrlinge ausbilden. Die Lehrlingsausbildung lohnt sich

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Vor wenigen Jahren konnte erstmals mit einer Kosten-Nutzen-Studie bei Schweizer Betrieben gezeigt werden: Die Lehrlingsausbildung lohnt sich. Doch wie ist dieser Befund zu verstehen? Und darf die Ausbildung von Jugendlichen überhaupt mit ökonomischen Motiven begründet werden? Ein Koautor der Studie nimmt Stellung.

Die ErhebungSchweri, J., Mühlemann S., Pescio Y., Walther B., Wolter S., & Zürcher, L. (2003): Kosten und Nutzen der Lehrlingsausbildung aus der Sicht Schweizer Betriebe. Chur/Zürich: Rüegger.aus dem Jahr 2000/01 der Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Universität Bern brachte zutage: Berufslernende kosten einen Betrieb im Schnitt pro Jahr rund 26 000 Franken (vor allem Lehrlingslöhne und Löhne für AusbilderInnen). Dem steht jedoch ein durchschnittlicher Wert von 28 000 Franken gegenüber, den die Lernenden durch ihre produktive Arbeit im Betrieb beisteuern. 

Es resultiert also im Schnitt ein geringer Nettoertrag von rund 2000 Franken. Hochgerechnet auf alle ausbildenden Schweizer Betriebe ergeben sich eindrückliche Zahlen: Die gesamthaft anfallenden Bruttokosten belaufen sich auf 4,8 Milliarden Franken, die produktiven Erträge gar auf fast 5,2 Milliarden Franken. Es verbleibt den ausbildenden Betrieben ein Nettoertrag von 386 Millionen Franken pro Jahr.

Diese Nachricht freute bei der Publikation im Jahre 2003 die Partner der Berufsbildung und alle politischen Lager gleichermassen, wenn auch teilweise aus unterschiedlichen Gründen. Die Wirtschaftsverbände freuten sich über eine offensichtlich funktionierende duale Berufsbildung, warnten aber (etwa in einer Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes) zugleich davor, die Ausbildung nur unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Für die Gewerkschaften war das Ergebnis ein Fingerzeig für die Wirtschaft, neue Lehrstellen zu schaffen. Zudem wur- den die Erträge als Hinweis darauf verstanden, dass ein Spielraum für höhere Lehrlingslöhne vorhanden sei.

Aus den Augen geriet sehr rasch das zweite wichtige Ergebnis der Studie, dass sich nämlich die Ausbildung in den Betrieben äusserst heterogen präsentiert und die Durchschnittswerte alleine wenig aussagekräftig sind.

Zum einen zeigen sich zwischen den Berufen grosse Unterschiede in den Nettoerträgen beziehungsweise Nettokosten. Während die Ausbildung von Elektromonteuren und -monteurinnen hoch rentabel ist, müssen die Firmen für die Ausbildung von Polymechanikern und -mechanikerinnen Nettokosten in Kauf nehmen.

Diese Beispiele zeigen, dass es grundsätzlich zwei verschiedene Arten gibt, ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis der Ausbildung sicherzustellen: Entweder können die Lernenden während der Lehre so produktiv eingesetzt werden, dass sich alle Kosten decken lassen, oder es verbleiben am Ende der Lehre ungedeckte Nettokosten, die durch Nutzen nach der Lehre gedeckt werden können.

Dieser Nutzen nach der Lehre wurde von der Studie ebenfalls teilweise ermittelt. Die Grundidee dahinter: Muss ein Betrieb Fachkräfte über den externen Arbeitsmarkt einstellen, so entstehen ihm verschiedene Kosten, die sich durch das Weiterbeschäftigen selbst ausgebildeter Fachkräfte vermeiden lassen. Für die externe Rekrutierung fallen konkret Such- und Inserierungskosten sowie Kosten für die Bearbeitung von Bewerbungsdossiers und für Bewerbungsgespräche an. Eigene Lernende am Ende ihrer Lehrzeit dagegen müssen nicht gesucht und auch nicht intensiv geprüft werden – ihre Fähigkeiten und ihre Arbeitsweise konnten im Betrieb drei bis vier Jahre lang eins zu eins beobachtet werden.

Extern rekrutierte Fachkräfte müssen des Weiteren eingearbeitet werden, da sie in der Regel die Abläufe im Betrieb nicht kennen und häufig auch mit den Produkten, den Kunden beziehungsweise Märkten sowie mit den Lieferanten nicht bekannt sind. Auch hier haben selbst ausgebildete Fachkräfte den Vorteil, dass sie mit dem Betrieb und seinem Umfeld vertraut sind und keine spezielle Betreuung oder Einarbeitungszeit mehr brauchen.

In der Studie wurde erhoben, wie teuer den Betrieben Such- und Einarbeitungskosten zu stehen kommen, die für Einstellungen über den externen Arbeitsmarkt anfallen. Dieser Betrag lässt sich durch das Weiterbeschäftigen von Lernenden einsparen. Der Betrag wurde daher mit dem Anteil der Lernenden multipliziert, die nach der Lehre mindestens ein Jahr lang im Betrieb verblieben, um die sogenannten Opportunitätserträge pro Lehrling zu erhalten. Bei den Polymechanikern und -mechanikerinnen handelt es sich im Schnitt um 22 000 Franken, bei den Elektromonteuren und -monteurinnen dagegen um rund 8000 Franken. Es zeigt sich deutlich: Bei der «teuren» Polymechaniker-Ausbildung investiert der Betrieb während der Lehrzeit, um den eigenen Fachkräftenachwuchs auszubilden und mit der Weiterbeschäftigung der Lernenden einen Nutzen nach der Lehre zu erzielen. Bei der Elektromonteur-Ausbildung steht die Weiterbeschäftigung jedoch nicht im Vordergrund. Es ist sogar rentabler, die fertig ausgebildeten Fachkräfte ziehen zu lassen und neue Lernende einzustellen.

Doch auch innerhalb der Berufe zeigen sich grosse Unterschiede in den Kosten und Nutzen der Ausbildung. Grossbetriebe weisen in manchen Berufen ganz andere Zahlen auf als Kleinbetriebe (während dies in anderen Berufen wiederum nicht zutrifft). Ein heterogener Beruf wie die Ausbildung zur Kauffrau respektive zum Kaufmann lässt sich mit einem Durchschnitt besonders schlecht erfassen. Die Streuung der Kosten-Nutzen-Zahlen rund um den Durchschnitt ist sehr gross.

So positiv also die Nachricht von der im Schnitt lohnenden Berufsausbildung war, sie war doch mit der Warnung versehen, dass für konkrete Schlussfolgerungen immer die Heterogenität der Berufsbildung zu beachten sei. Basislehrjahre beispielsweise erscheinen für die Polymechaniker-Ausbildung sinnvoll (und sind dort auch seit längerem bekannt), um die Lernenden rasch auf ein Niveau zu führen, welches ihren produktiven Einsatz erlaubt; in der Elektromonteur-Ausbildung würden sie hingegen zu hohen Ertragseinbussen führen, weil der produktive Einsatz der Lernenden zu Beginn der Lehre wegfiele.

Schliesslich erfuhren die Aussagen zur Rentabilität der Berufsausbildung noch eine weitere Einschränkung: In der Studie waren nicht nur ausbildende, sondern auch nicht ausbildende Betriebe befragt worden. Die Analyse der Unterschiede zwischen diesen beiden Arten von Betrieben zeigte, dass die Kosten und Nutzen der Ausbildung eine wichtige Rolle spielten dafür, ob ein Betrieb ausbildete oder nicht. Anders gesagt: Die meisten der nicht ausbildenden Betriebe bildeten gerade deswegen nicht aus, weil ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Ausbildung weniger günstig wäre als jenes bei den ausbildenden Betrieben. Dieses Resultat hat weitreichende Folgen für die Bildungspolitik und ist Gegenstand eines weiteren, in diesem Heft abgedruckten Artikels (vgl. S. 24).

Bilden Betriebe aus ökonomischen Gründen aus?

Der Kunde von der lohnenden Lehrlingsausbildung taten die zuvor diskutierten Einschränkungen keinen Abbruch. Hingegen führte das an sich erfreuliche Resultat zu einem merkwürdigen Spagat der Argumente. Als Werbeargument für die Schaffung von Lehrstellen war das Resultat allerorten hoch willkommen. Zugleich schien es aber unanständig zu unterstellen, dass die Betriebe Lernende aus ökonomischen Motiven ausbildeten. Gewerkschaften wie Wirtschaftsverbände waren sich einig, dass die Berufsausbildung eine gesellschaftliche Verantwortung darstelle und die Arbeitgeber somit einer sozialen Pflicht nachkamen beziehungsweise der Gesellschaft einen Dienst erwiesen. Wie aber passte das dazu, die Rentabilität der Ausbildung als Ausbildungsargument zu verwenden?

Die Meinung der Autoren der Kosten-Nutzen-Studien war und ist eindeutig: Ökonomische Motive spielen eine wichtige Rolle in der Berufsbildung (aufseiten der Betriebe wie aufseiten der Lernenden), und es ist nichts Unanständiges daran. Im Gegensatz zu vollschulisch ausgerichteten Teilen unseres Bildungswesens, die vom Staat alleine reguliert werden, bestimmen ökonomische Motive unmittelbar und spürbar die Form und das Ausmass der Lehrlingsausbildung in der Schweiz. Viele Jugendliche könnten keine Berufslehre in Angriff nehmen, wenn nicht auch die Wirtschaft dieser Ausbildungsform verpflichtet wäre und dementsprechend Lehrplätze zur Verfügung stellen würde.

Obwohl die Berufslehre als System ein Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Staat und den Auszubildenden darstellt, ist die Grundvoraussetzung für eine Lehrlingsausbildung schweizerischen Zuschnitts die Bereitschaft der Wirtschaft, für Schulabgängerinnen und -abgänger Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Bereitschaft hängt nicht nur davon ab, ob sich ein Unternehmen mit dieser Form der (Aus-)Bildung identifiziert. Die wirtschaftlichen Aussichten der Branche, des Betriebes oder des auszubildenden Berufes sind gleichermassen ausschlag- gebend.

Auf einen kurzen Nenner gebracht kann man davon ausgehen, dass, falls die Ausbildung von Lehrlingen ökonomisch keinen Sinn machen würde, diese in ihrer heutigen Form schwerlich überleben könnte. Bei der Entscheidung für die Ausbildung spielt zweifellos auch der Wunsch eine Rolle, jungen Menschen eine Ausbildung zu bieten; doch gibt es gute Gründe anzunehmen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Ausbildung für die Entscheidung der Firmen insgesamt wichtiger ist:

– Soziale Verantwortung kann und muss eine Firma auf vielerlei Art und Weise wahrnehmen: Indem sie Arbeitsplätze schafft, auch Arbeitsplätze für Benachteiligte, indem sie den Umweltschutz in der Produktion beachtet, faire Löhne zahlt usw. Zugleich bewegt sie sich jedoch in einem Wettbewerbsumfeld, d.h., die Kunden werden ihre Produkte oder Dienstleistungen nur nachfragen, wenn sie bei gleicher Qualität nicht teurer sind als die der Konkurrenz. Der Wettbewerb führt da- zu, dass sich die profitabelsten Firmen, also jene, welche die (in den Augen der Abnehmer) beste Leistung zu den geringsten Kosten erbringen, auf dem Markt durchsetzen. Entsprechend kann die Firma die genannten sozialen Ziele nur soweit verfolgen, als sie nicht zu stark mit den betriebswirtschaftlichen Interessen kollidieren. Eine Firma kann es sich etwa in der Regel nicht leisten, langfristig bei un- günstigem Kosten-Nutzen-Verhältnis auszubilden. Die betriebliche Ausbildung muss innerhalb der Schranken operieren, welche von den Absatzmärkten gesetzt werden, auf denen die jeweilige Firma tätig ist. Die Ausbildung von Jugendlichen, für die keine Arbeit vorhanden ist, könnte beispielsweise in einem Kleinstbetrieb durchaus das Fortbestehen des Betriebes gefährden.

– Das Argument der sozialen Verantwortung als treibende Kraft hinter der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe hat wenig empirische Erklärungskraft. Lassen sich die Schwankungen auf dem Lehrstellenmarkt, wo sich in den vergangenen Jahrzehnten Phasen von Lernenden-Knappheit und solche von Lehrstellen-Knappheit abgewechselt haben, mit Ausschlägen und Wellenbewegungen in der sozialen Verantwortung der Betriebe erklären? Dienstleistungsbetriebe bilden im Durchschnitt weniger häufig aus als Betriebe des Baugewerbes. Liegt die Begründung dafür in einer höheren sozialen Verantwortung des Baugewerbes? Abgesehen davon, dass sich soziale Verantwortung schwer messen lässt, gibt es wenig Hinweise darauf, dass sich die Vorgänge auf dem Lehrstellenmarkt auf starke Veränderungen in der sozialen Verantwortung der Arbeitgeber zurückführen liessen.

Hingegen ist es offensichtlich, dass sich die betrieblichen Voraussetzungen für die Ausbildung in unterschiedlichen Branchen oder in Betrieben unterschiedlicher Grösse stark unterscheiden: Es fallen jeweils andere Tätigkeiten an, der Arbeitsablauf ist anders organisiert, und das beeinflusst sowohl die Kosten wie die Erträge, die bei der Ausbildung von Berufslernenden anfallen. Es lassen sich beispielsweise die Hypothesen aufstellen, dass in einem Grossbetrieb mehr Arbeiten anfallen, welche sinnvoll von Lernenden erledigt werden können und dass er mehr Möglichkeiten hat, gute Lernende nach der Ausbildung weiterzubeschäftigen. Beide Hypothesen postulieren, dass in Grossbetrieben mehr Erträge aus der Ausbildung anfallen, was zur weiteren Hypothese führt, dass Grossbetriebe eher ausbilden als Kleinbetriebe. Das Kosten-Nutzen-Modell ist also nützlich in dem Sinne, dass sich mit Daten überprüfbare Hypothesen ableiten lassen. Gleichzeitig dient das Modell auch dazu – wenn es empirisch bestätigt werden kann –, die Resultate der Analysen zu interpretieren.

– Die beste Art, über den Einfluss verschiedener Faktoren etwas auszusagen, liegt in direkten empirischen Untersuchungen. Bisher liegen für die Schweiz nur wenige Untersuchungen vor, welche das unterschiedliche Ausbildungsverhalten der Betriebe direkt analysieren. Mühlemann et al. (2005)Mühlemann, S., Schweri, J., Winkelmann, R., & Wolter, S. C. (2005). A Structural Model of Demand for Apprentices. CESifo Working Paper No. 1417.etwa weisen nach, dass die erwarteten Nettokosten während der Ausbildung einen signifikanten Einfluss auf die Ausbildungswahrscheinlichkeit eines Betriebes haben. Sind alle anderen Umstände gleich, wird derjenige Betrieb eher ausbilden, der niedrige Nettokosten beziehungsweise höhere Nettoerträge aus der Ausbildung erwartet.

Darf ein Betrieb aus ökonomischen Gründen ausbilden?

Die bisher angeführten Argumente waren positiver und nicht normativer Natur, das heisst, es wurde (theoretisch) begründet, warum für die Betriebe die Kosten-Nutzen-Folgen bei der Entscheidung für oder gegen eine eigene Ausbildung entscheidend sind und dass Forschung und Politik diesem Faktor entsprechend grosse Beachtung schenken müssen.

Eine ganz andere Frage als die, wie die Entscheidung tatsächlich getroffen wird, ist die Frage, wie sie getroffen werden sollte. Ist es aus sozialer oder ethischer Perspektive richtig, wenn die Betriebe ihre Ausbildungsentscheidung einem Kosten-Nutzen-Kalkül unterwerfen? Diese Frage liegt ausserhalb der positiven Wissenschaft, da sie Werthaltungen beinhaltet. Was die Wissenschaft zu dieser Frage jedoch beitragen kann, ist, Überlegungen anzustellen, ob das Ergebnis dieses Handelns für die Betroffenen – gemessen an bestimmten Kriterien – besser oder schlechter ausfällt, als wenn sich das Handeln auf andere Entscheidungskriterien stützen würde. Eine umfassende Diskussion dieses Punktes würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, weil Grundfragen der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung in Gegenüberstellung zu anderen Systemen angesprochen sind.

Es lässt sich aber in aller Kürze argumentieren, warum das Handeln der Betriebe die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt fördern und durchaus auch im Interesse der Jugendlichen liegen kann: Wenn sich die Betriebe gemäss ihrem Kosten-Nutzen-Kalkül für eine Ausbildungstätigkeit entscheiden, werden in der Wirtschaft jene Betriebe ausbilden, bei denen sich die Ausbildung am meisten auszahlt. Das bedeutet für die Jugendlichen, dass sie an ihrer Lehrstelle für wirtschaftlich relevante, d.h. produktive, Tätigkeiten gebraucht werden und ernsthaft in den Produk- tionsprozess eingebunden werden. Diese Praxiserfahrung macht viel vom Erfolg des dualen Ausbildungssystems (z. B. niedrige Jugendarbeitslosigkeit) im Vergleich zu vollschulischen Systemen aus, wie sie in anderen Ländern existieren. Würden die Firmen dagegen aus anderen als ökonomischen Motiven in grosser Zahl Lehrstellen anbieten, wäre die Gefahr gross, dass für die Jugendlichen zu wenig sinnvolle Arbeit vorhanden ist, die sie auf dem Weg zur Fachperson im jeweiligen Beruf weiterbringt. Da beim Kosten-Nutzen-Kalkül der Firmen auch ein allfälliger Nutzen durch die Weiterbeschäftigung der selbst ausgebildeten Berufsleute einfliesst, ist zudem sichergestellt, dass auch in jenen Branchen und Berufen ausgebildet wird, bei denen es in Zukunft Arbeitskräftebedarf und somit gute Arbeitsplatzchancen für die Jugendlichen gibt. Diese Gründe sprechen dafür, dass dank dem Kosten-Nutzen-Kalkül der Betriebe die Lehrstellen dort geschaffen werden, wo sie – auch aus Sicht der Jugendlichen und der Gesamtgesellschaft – am sinnvollsten angesiedelt sind.

Ein weiterer Aspekt der Diskussion um ökonomische versus soziale Motive ist die negative Konnotation, die ökonomischen Begriffen wie «Profit», «rentabel» oder «Nutzen» anhaftet. Diese Begriffe sagen jedoch in der ökonomischen Theorie nichts über den Charakter der Menschen aus, die beispielsweise «ihren Nutzen maximieren». Es handelt sich um abstrakte Konzepte, welche die Entscheidungssituation von Personen und Firmen beschreiben sollen. Ziel des Berufsbildungssystems ist es, dass alle Beteiligten (Jugendliche, Wirtschaft, Staat) sich zum gegenseitigen Vorteil engagieren. Wenn sich in ökonomischer Terminologie die Jugendlichen im Nutzenmaximum und die Betriebe im Profitmaximum befinden, mag dies weniger ansprechend formuliert sein, meint aber letztlich dasselbe.

Fazit

In diesem Artikel wurden die Hauptergebnisse einer breit angelegten Kosten-Nutzen-Untersuchung der beruflichen Bildung dargestellt. Im Schnitt erzielen die ausbildenden Betriebe in der Schweiz geringe Nettoerträge aus ihrer Lehrlingsausbildung, und zwar noch ohne Berücksichtigung von Nutzenelementen, die durch Weiterbeschäftigung der ausgebildeten Lernenden entstehen. Zugleich hat sich aber eine grosse Heterogenität in den Ergebnissen gezeigt. Die Realität der Ausbildung in verschiedenen Berufen und Betrieben muss berücksichtigt werden – politische Massnahmen und Instrumente sollten stets gezielt eingesetzt werden, da es kaum möglich ist, der Vielfalt der Berufsbildung mit einer generellen Massnahme gerecht zu werden.

Bei aller wahrgenommenen Freude über das gute Kosten-Nutzen-Verhältnis der betrieblichen Ausbildungen stiessen die Autoren der Studie auch häufig auf Zurückhaltung, sobald die Kosten und Nutzen der Ausbildung als Ausbildungsmotiv thematisiert wurden. Im Artikel wurde dargestellt, dass viele Gründe dafür sprechen, dass ökonomische Motive eine zentrale Rolle spielen und dass es ebenso gute Gründe gibt, warum eine ökonomisch motivierte Entscheidung für oder gegen die Lehrlingsausbildung in den Betrieben sogar im Interesse aller Beteiligten liegt, die Jugendlichen eingeschlossen.

Noch nicht ausbildende Betriebe sind daher mit Recht dazu aufzufordern, sich mit der Berufsbildung zu beschäftigen und eine eigene Ausbildungstätigkeit ernsthaft zu prüfen. Wenn sie zum Schluss kommen, dass die Ausbildung zu hohem Aufwand führen würde, es jedoch zu wenig Arbeit gibt, die sinnvollerweise von Lernenden ausgeübt werden kann und die ihnen auch einen Lernfortschritt ermöglicht, dann ist es richtig, auf eine Ausbildungstätigkeit zu verzichten.

Sobald jedoch geeignete Arbeit vorhanden ist, dann belegen die Resultate der Kosten-Nutzen-Studie, dass eine rentable Organisation der Ausbildung möglich ist. Auch dank verschiedener staatlicher Anlaufstellen sowie der Existenz von Lehrbetriebsverbünden, welche den Einstieg in die Ausbildung erleichtern, steht einer erfolgreichen Ausbildungstätigkeit nichts mehr im Wege.

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Jürgi Schweri

Leiter Bildungsökonomische Studien Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) Zollikofen