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2007/3 Überlieferungsbildung – Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung für Transparenz

Überlieferungsbildung – ein zentrales Thema im Weiterbildungsprogramm der Universität Bern in Archiv- und Informationswissenschaft

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Überlieferungsbildung umfasst den ganzen Life cycle der Unterlagen und erfordert kritische Urteilskraft. Überlieferungsbildung betrifft die verschiedenen archivischen und bibliothekarischen Fachfunktionen. Im Rahmen eines umfassenden Informationsmanagements vermittelt der Master of Advanced Studies in Archival and Information Science (MAS AIS) der Universität Bern eine Einführung in die historischen und theoretischen Grundlagen von Überlieferungsbildung und vermittelt Fachkompetenz auf universitärem Niveau.

Überlieferungsbildung wird im internationalen Kontext gelehrt und im Hinblick auf die Anwendung im schweizerischen Umfeld diskutiert. Die AbsolventInnen des Weiterbildungsprogramms werden dazu befähigt, die Überlieferungsbildung der Informationszentren fundiert und zukunftsgerichtet zu hinterfragen, zu definieren und weiterzuentwickeln.

Überlieferungsbildung – kein Fach?

Das Weiterbildungsprogramm der Universität Bern in Archiv- und InformationswissenschaftDas Weiterbildungsprogramm und aktuelle Informationen sind in deutscher und französischer Sprache unter www.archivwissenschaft.ch oder www.archivistique.ch abrufbar., das mit einem zweijährigen voll belegten Kurs im Herbst 2006 erfolgreich gestartet ist, enthält kein Fach Überlieferungsbildung. Existiert es deshalb nicht?

Überlieferungsbildung ist die zentrale Aufgabe jeder archivischen Arbeit. Sie ist eine der schwierigsten und spannendsten Funktionen, darum auch gefährdet: Ein rigoros angewandter theoretischer Überbau oder ein gesellschaftspolitisches Modell verhindern eine breite Überlieferungsbildung, die eine offene (Geschichts-) Forschung und neue Fragestellungen zukünftiger Generationen ermöglicht. Eine Überlieferungsbildung, die erst mit der Übernahme von Unterlagen ins Archiv beginnt, vernachlässigt den Blick auf den Lebens- bzw. Entstehungsprozess von Unterlagen. Archivische und informationswissenschaftliche Arbeit verlangt heute eine gezielte Intervention der Fachkräfte bereits vor der Produktion der Unterlagen. Die Wahl der Informationssysteme sollte nicht mehr unabhängig von der dauernden Archivierung der Unterlagen getroffen werden; Prozesse zur Nutzung der Unterlagen und Schnittstellen zum Informationszentrum müssen definiert werden: Records Management und Langzeitarchivierung greifen ineinander, damit Überlieferungsbildung überhaupt stattfinden kann.

Überlieferungsbildung – ein zentrales, modulübergreifendes Thema

Überlieferungsbildung ist ein Thema, das im MAS AIS modulübergreifend behandelt wird und sich als archiv- und bibliothekswissenschaftlicher roter Faden durch das ganze Weiterbildungsprogramm zieht. Im Überblick und als Gesamtschau behandelt wird es in den beiden Rahmenmodulen des MAS AIS: Im Einführungsmodul werden die gesetzlichen Grundlagen für Überlieferungsbildung im schweizerischen Kontext erläutert und in die Terminologie der Bewertung von Unterlagen eingeführt. Im Schlussmodul wird das erworbene Fachwissen noch einmal anhand der Theorie und der Fallbeispiele anderer Länder vertieft und überprüft.

Dazwischen wird Überlieferungsbildung unter verschiedenen Aspekten eines modernen Informationsmanagements gelehrt. Der Zertifikatsteil des Weiterbildungsprogramms, der nach 4 Modulen und einem ersten Studienjahr abgeschlossen wird, vermittelt die Grundlagen von Records Management (Modul 1b) sowie archivische und bibliothekarische Kernkompetenzen (Modul 1c). Hier steht die Überlieferungsbildung im Zusammenhang von Sicherung bzw. Erwerbung, Bewertung und Erschliessung.

Im Aufbauteil des Masterprogramms wird das Themenspektrum ausgeweitet, vertieft, theoretisch und historisch untermauert und mit dem notwendigen technologischen und informationswissenschaftlichen Wissen ergänzt. Überlieferungsbildung ist darum ein Teil des zweiten Records Management-Moduls (Modul 2d) und des Moduls zur archivischen Langzeitarchivierung (Modul 3b). Sie ist Schwerpunktthema im Aufbaumodul zu den archivischen und bibliothekarischen Kernkompetenzen (Modul 2c), wo sie auch im Rahmen einer aktiven Akquisitionspolitik und Erwerbungsstrategie sowie von Bewertung und Ausscheidung von Unterlagen im Kontext von Preservation and Conservation vermittelt wird. Der Unterricht im MAS AIS bezieht hier die internationale Perspektive, u.a. mit dem kanadischen Konzept des «Calendrier de conservation», und deutsche Archivtradition mit dem heute favorisierten Top-Down-Modell bzw. der vertikal-horizontalen Methode und den Bewertungsansätzen des 20. Jahrhunderts mit ein.

Die beiden historisch orientierten Module (Module 2a und 3a) regen die Reflexion über Historiographie und über die aktuellen Methoden der Geistes- und Sozialwissenschaften an und bilden damit den Hintergrund für eine Bewertungsdiskussion. Es geht auch darum, einen kritischen Blick auf die Überlieferungsbildung schweizerischer Institutionen aus der Sicht der universitären Forschung zu werfen.

Im Modul 3c steht neben allgemeinem und Projekt-Management das Thema Memopolicy im Vordergrund. Hier werden von einer gesellschafts-politischen Warte aus die Voraussetzungen für eine Überlieferungsbildung in Archiv und Bibliothek, für den Aufbau eines historischen Gedächtnisses der Schweiz, dargestellt und geschaffen. Damit einher gehen finanzpolitische Überlegungen und die personellen Voraussetzungen, welche erst das effiziente und zielgerichtete Arbeiten in einem modernen Informationszentrum der öffentlichen Verwaltung oder der Privatwirtschaft ermöglichen.

Da die Rahmenmodule (Module 1a und 3d) die rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und Entwicklungen in den Vordergrund stellen sollen, wird im Abschlussmodul des Aufbauteils noch einmal der Blick auf die Überlieferungsbildung der Nachbarländer Deutschland und Frankreich gerichtet, die mit ihrer Verwaltungs-, Bibliotheks- und vor allem ihrer Archivtradition massgeblich auf die Schweiz eingewirkt haben.

Ausgeweitet wird die Diskussion, indem durch Gastdozierende – parallel zum Einstiegsmodul, in dem Kanada und insbesondere Québec mit dem EBSI als Modell gedient haben – auch die Perspektive US-amerikanischer nationaler Institutionen eingebracht wird.

Überlieferungsbildung – schweizerische und internationale Perspektiven

Überlieferungsbildung ist ein omnipräsentes Thema und eine grosse Herausforderung. Sie spielt in die verschiedenen archiv- und bibliothekswissenschaftlichen Grundlagenfächer hinein. Exemplarisch dargestellt wird sie hier an den Unterrichtseinheiten zur Bewertung, die je einen Schwerpunkt in der Grund- und in der Aufbaustufe des Weiterbildungsprogramms in Archiv- und Informationswissenschaft bilden.

Für die Bewertung konnten herausragende Spezialisten und Didaktiker gewonnen werden. Carol Couture, Direktor der Archives nationales, Québec, und Frank M. Bischoff, Direktor der Archivschule, Marburg, skizzieren nicht nur die in Kanada und in Deutschland praktizierten BewertungsmodelleSiehe http://www.banq.qc.ca/portal/dt/aide/plan_site_anq/plan_site_anq.jsp?bnq_ resolution=mode_1280 http://www.forum-bewertung.de. Carol Couture, Les fonctions de l’archivistique contemporaine. Québec 1999, bes. Kpt. 1: La politique de gestion des archives, S. 3–30; und Kpt. 4: L’évaluation, S. 103–143. Frank M. Bischoff/Robert Kretzschmar (Hg.), Neue Perspektiven archivischer Bewertung. Beiträge zu einem Workshop an der Archivschule Marburg 15. November 2004 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 42), Marburg 2005 [abgekürzt: Bischoff/Kretzschmar 2005]., sondern bieten einen Überblick über die Bewertungsdiskussion eines ganzen Jahrhunderts. Mit ihrer Darstellung praktischer Methoden ermöglichen sie den Studierenden, sich in die Theorie der Bewertung einzuarbeiten und die von schweizerischen DozentInnen aus dem Archiv- und Bibliotheksbereich dargestellten Fallbeispiele in einen grösseren Kontext zu setzen.

Mit den beiden Dozenten werden zwei Leitgedanken des MAS AIS, das interkulturelle und mehrsprachige Lernen, umgesetzt. Carol Couture kommentiert auch die Unterrichtseinheiten zu einer bibliothekarischen Ausscheidungspolitik und setzt damit den integrativen und interdisziplinären Ansatz des Weiterbildungsprogramms um.

Gemäss dem kanadischen und von Couture massgeblich weiterentwickelten Modell einer «archivistique et bibliothéconomie intégrée» bietet der «Calendrier de conservation», der Aufbewahrungskalender, der gemäss detaillierten Regeln zur Makro- und Mikrobewertung die Aufbewahrung von Unterlagen sicherstellt, ein Vorgehensmodell, welches einen anderen Ansatzpunkt wählt als das deutsche Registraturprinzip preussischer Herkunft, das für die deutsche Bewertungsdiskussion bestimmend wurde.

Der Bewertungsprozess ist auch im Kontext der Archiv- und der Bibliothekswissenschaft zu sehen. Doch die Zusammenarbeit zwischen Bibliothekaren und Archivarinnen ist (noch) nicht schweizerische Wirklichkeit. Ausscheidung wird aber auch in der Bibliothekswelt praktiziert. Hubert Villard, Direktor der Bibliothèque cantonale et universitaire, Lausanne, stellt diese in den Rahmen von «Preservation and Conservation». Auch hier erfolgt eine Kategorisierung und Valorisierung von Unterlagen. Selektive Erwerbung und damit auch Bewertung kann nach dem Kriterium des «dépôt légal», einer gesetzlich bestimmten Ablieferungspflicht, gesteuert werden, wie Etienne Burgy, Bibliothèque de ville, Genève, darstellt, oder nach dem Modell der Conspectus-Methode erfolgen, wie Ulrich Niederer, Direktor der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, überzeugend darlegt. Ausscheidung oder désherbage wird sowohl in der Kantonsbibliothek Solothurn als auch im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv praktiziert, wo u.a. Firmenarchive, damit Unterlagen privater Provenienz, im Rahmen einer klaren Akquisitionsstrategie bewertet werden.

Kontrastierend zu diesem integrativen archiv- und bibliothekswissenschaftlichen Ansatz sind die Vermittlung älterer und neuerer Bewertungsansätze sowie die kritische Darstellung der Umsetzungsversuche im Rahmen eines für die Studierenden obligatorischen und erlebnisreichen Blockseminars, das vom 27.–30. Juni 2007 am archivwissenschaftlichen Institut der Archivschule Marburg durchgeführt wurde. Wenn nach diesem Seminar klar wurde, dass jede Generation sich der Bewertungsfrage wieder neu stellen mussAndreas Kellerhals/Robert Kretzschmar, «Mut zur Lücke – Zugriff auf das Wesentliche. Die Diskussion über archivische Bewertung geht weiter», in: Der Archivar 57, 2004, S. 69–70. Mirta Olgiati. Politique de la mémoire nationale: la sélection du patrimoine documentaire en Suisse (Cahiers de l’IDHEAP, 224), Chavannnes-Lausanne 2005.und verschiedene Methoden gute Resultate erwarten lassen, aber letztlich – bei intellektueller Redlichkeit – ein Rest von Unsicherheit bleibt, so wurde das Ziel des Auslandseminars erreicht, in dessen Zentrum die Auseinandersetzung mit historischen Konzepten und nicht verwirklichten oder überholten Modellen, welche die Bewertungsdiskussion massgeblich beeinflusst haben, wie dem Ansatz von Booms, dem niederländischen Modell PIVOT u.a., stand. 

Zu entwickelnde schweizerische Regeln zur Bewertung bzw. zur Überlieferungsbildung brauchen den Rahmen der intellektuellen Auseinandersetzung in einem mehrsprachigen und internationalen Zusammenhang zur Schärfung der Methoden und Modelle. Bestehen müssen sie aber in der Archiv- und Bibliothekspraxis, die von der jeweiligen Verwaltungstradition stark geprägt sind.

Die Schweiz gehört nicht zu den Theoriebildnern, neuere Arbeiten zur Überlieferungsbildung werden nur in unregelmässigen Abständen publiziertSchweizerische Zeitschrift für Geschichte. Revue suisse d’histoire. Rivista Storica Svizzera. Überlieferungsbildung und Bewertung. Evaluation et formation des sources archivistiques, 51/4, 2001, S. 413– 534. Simone Chiquet, Die Bewertung im Schweizerischen Bundesarchiv, in: Studien und Quellen 29, 2003, S. 363–405. Josef Zwicker, Zum Stand der Bewertungsdiskussion in der Schweiz, nebst Bemerkungen zu den Aussengrenzen der Überlieferungsbildung, in: Bischoff/Kretzschmar 2005 (siehe Anm. 2), S. 101–118.. Es ist daher eine der Aufgaben der archiv-, bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studiengänge, diese Diskussion in Gang zu bringenSiehe dazu die Arbeiten, die im Rahmen der Vorgängerausbildung des MAS AIS, dem Zertifikat in Archivwissenschaften an der Université de Lausanne als Abschlussarbeiten der Kurse 2002–2006 verfasst wurden: Evelyn Boesch, Ansätze und Modelle für archivische Bewertung. Evaluation im Hinblick auf die Überlieferungsbildung der Privatbestände des Archivs der ETHZ, Zürich 2004. Mireille Othenin-Girard, Archivierungskonzepte für das Spitalwesen: Diskussion und Analyse, Zürich 2004. Brigitte Schmid, Überlieferungsbildung aus Unterlagen der Steuerverwaltung am Beispiel des Kantons Zug, Zug 2004. Eine Auswahl dieser Untersuchungen wird in der archivwissenschaftlichen Reihe des Verlags Hier+Jetzt erscheinen.und sie auch mit Publikationen fortzusetzen. In «Archivpraxis Schweiz» wird Überlieferung wie folgt definiert: «Les archivistes alémaniques emploient volontiers le terme de Bewertung (évaluation), mais parallèlement s’est imposée à eux l’expression Überlieferungsbildung, qu’on peut traduire par ‹constitution du patrimoine archivistique›»François Burgy/Anita Egli/Jürg Schmutz, Evaluation et sélection des documents dans les Archives suisses: éliminer avec discernement et constituer le patrimoine, in: Gilbert Coutaz et al. (Hg.), Archivpraxis in der Schweiz, Baden 2007, S. 282 [abgekürzt: Archivpraxis Schweiz]..

Überlieferungsbildung – Adaption für die Praxis

Zur Überlieferungsbildung gehören die Sicht von aussen und die Binnendarstellung. Zur Aussensicht und zu den Rahmenbedingungen ist Folgendes zu nennen: Um das historische Gedächtnis eines Informationszentrums, eines Archivs oder einer Bibliothek oder eines Staates aufzubauen, braucht es Regeln und gesetzliche Grundlagen. Ergänzt wird diese berufsspezifische und juristische Sicht in der Aus- und Weiterbildung durch die Diskussion von Managementmodellen und Ansätzen zu einer schweizerischen Memopolicy, wie sie u.a. Peter Knoepfel und seine Mitarbeitenden am IDHEAP in Lausanne erforschen. Die Analyse schweizerischer Entwicklungen wird schliesslich wieder durch die internationale Perspektive erweitert und kontrastiert, im europäischen Kontext, durch diejenige Frankreichs und DeutschlandsIm Schlussmodul des MAS AIS vermittelt durch Hartmut Weber, Präsident des Deutschen Bundesarchivs, und Ulrike Schwens, Direktorin der Deutschen Bibliothek, und durch Martine de Boisdeffre, Direktorin der Archives de France..

Kanada, insbesondere Québec, bietet beispielhafte und auch auf die Schweiz adaptierbare Ansätze der Zusammenarbeit zwischen privaten Archiven oder Archivierungsstellen und den öffentlichen Einrichtungen. Public-private partnership nach dem kanadischen Modell mit seiner Spannung zwischen Dezentralisierung und Vernetzung könnte auch auf andere staatliche Strukturen angewandt werden, damit Archive privater Provenienz dezentral gesichert und aufgearbeitet und so erhalten werden können. Die Ausschüttung von Geldern der öffentlichen Hand ist dabei an qualitative Kriterien gebundenSiehe www.anq.gouv.qc.ca/conseil/pro.... Vgl. auch Gaby Knoch-Mund, Mittelbeschaffung für Archiv und Bibliothek. Methoden und praktische Beispiele. Certificat en archivistique et en sciences de l’information, Université de Lausanne, Bern 2006, S. 34 (Druck in Vorbereitung, siehe Anm. 5)..

Ebenso zeigen die «Positionen des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare – zur archivischen Überlieferungsbidung» sowie das Positionspapier der deutschen KommunalarchiveAnhang 1 und Anhang 2 Positionspapier der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag, in: Bischoff/Kretzschmar 2005, Zitat S. 210.Möglichkeiten zur Zusammenarbeit staatlicher Einrichtungen mit nichtöffentlichen Registraturbildnern und privaten Einrichtungen auf: Vorgeschlagen werden «Vereinbarungen über Bewertungsmodelle, Übernahmen oder Vernetzung von Archivbeständen (...). Ziel dieser Kooperation ist es, die jeweils aussagekräftigste Überlieferung aufzubewahren und zugänglich zu machen. Die Verantwortung für die (...) Überlieferungsbildung bleibt aber beim jeweiligen (...) Archiv.» Was hier für Kommunalarchive formuliert wurde, macht wiederum deutlich: «Die Transparenz der Überlieferungsbildung muss gewährleistet sein».

Die Aussensicht und die gesetzlichen Grundlagen sind in der Schweiz auf Bundesebene und in vielen Kantonen durch Archivgesetze gewährleistet. Es wird zumeist nicht mehr darüber diskutiert, wohin ein Nachlass gehöre, nämlich in eine Bibliothek oder ein Archiv

  1. Christoph Graf, Wohin gehören Nachlässe? in: Nachrichten VSB/SVD 59/3 (1983), S. 147–160. 

, sondern es wird heute die Frage gestellt, ob Überlieferungsbildung (vor allem im Bereich der Privatarchive und der privaten Archive) über die explizit formulierte Akquisitionsstrategie der öffentlichen und etablierten Institutionen hinausgehen soll11 und eine schweizweit koordinierte Akquisition der privaten Archive und von Privatarchiven (d.h. von Nachlässen und Beständen, die zwar ausserhalb von Verwaltung und Behörden entstanden, aber komplementär zu diesen sind) anzustreben sei.

Eine Strategie, welche auch Archive privater Provenienz in Betracht zieht, ist sehr zu begrüssen, ein Dokumentationsplan für Privatarchive in der Schweiz wird aber (wie viele andere überzeugende und griffige Ansätze) am ausgeprägten Föderalismus und vermutlich auch am Prestigedenken aufbewahrender Institutionen scheitern. Eine gesamtschweizerische Strategie für Privatarchive würde die Zielrichtung des «Repertorium der hand- 

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Gaby Knoch-Mund

Dr. phil., Studienleitung MAS ALIS Universitäten Bern und Lausanne