Commentaires Résumé
2021/4 Le document, c'est quoi?

Online-Archive: Interessenausgleich durch Ausblenden und Ergänzen

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Dokumente und andere Inhalte in Online-Archiven führen häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Vergessen geht, dass es technische Lösungen gibt, die einen Interessenausgleich zwischen Online-Archiven und betroffenen Personen ermöglichen.

Persönlichkeitsrechte und Datenschutz im Netz (infografiker.com)
cc by-nc-nd/3.0/de/

Digitale Transformation versus Daten- und Persönlichkeitsschutz

In einem Archiv wird Archivgut zeitlich unbeschränkt im Rahmen von bestehenden Schwerpunkten und Zuständigkeiten aufbewahrt, zugänglich gemacht und erhalten. Traditionell müssen interessierte Personen ein Archiv vor Ort besuchen und – wenn überhaupt – ist nur der Katalog online abrufbar. Das Archivgut, insbesondere Dokumente, liegt in physischer Form vor. Es gibt keine Erschliessung mit einer Volltextsuche und der Weg aus dem Archiv führt über Kopien, die von den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern erstellt werden müssen.

Mit der digitalen Transformation ändert sich dieser Zugang grundlegend: Digitale Originale und Reproduktionen können mit geringsten Hürden oder gar frei im Internet weltweit zur Verfügung gestellt werden. Im Sinn von Open Access und Open Data fördern insbesondere wissenschaftliche Archive den freien Zugang zu Digitalisaten, Inhalten und Metadaten. Inhalte, auch aus vielen anderen Online-Quellen, bleiben dauerhaft online oder werden zumindest nicht systematisch gelöscht. Solche Inhalte werden insbesondere von Suchmaschinen wie jener von Google erfasst und über Suchergebnisse erschlossen.

Das Ergebnis ist, dass immer mehr Personen feststellen, dass Daten und Informationen aus ihrer Vergangenheit über einfache Suchanfragen – beispielsweise nach ihrem Namen – auffindbar sind. Was in vielen Fällen zu Freude oder zumindest nostalgischen Gefühlen führt, wird in anderen Fällen zum Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen: Die betroffenen Personen möchten veröffentlichte Jugendsünden, längst nicht mehr im privaten Strafregisterauszug ersichtliche Verurteilungen und fehlerhafte Dokumente löschen oder zumindest korrigieren lassen.

In der Folge bringen Anwältinnen und Anwälte den Persönlichkeitsschutz und den Datenschutz in Stellung, insbesondere mit Verweis auf das «Recht auf Vergessen» (eigentlich: «Recht auf Vergessenwerden») und das «Recht am eigenen Bild». Archive, Medien und andere, die Online Inhalt zeitlich unbeschränkt veröffentlichen, argumentieren mit überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen an einer dauerhaften und unveränderten Veröffentlichung. In aufwendigen Verfahren, häufig unter Einbezug von Suchmaschinen-Betreiberinnen, entscheiden Gerichte – teilweise in mehreren Instanzen – in die eine oder andere Richtung.

Technischer Interessenausgleich zwischen Online-Archiven und betroffenen Personen

Klar ist, dass «Archiv» allein normalerweise nicht als Rechtfertigungsgrund taugt, um Dokumente und sonstige Informationen über eine Person gegen deren Willen frei im Internet zugänglich zu halten. Genauso klar ist, dass im Streitfall eine anspruchsvolle und sorgfältige Interessenabwägung durch Gerichte erfolgen muss. Diese Abwägung dient auch dem Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit.

In vielen Fällen vergessen die beteiligten Parteien, dass es einfache technische Lösungen gibt, die eine Ausgleich zwischen den Interessen von Online-Archiven und betroffenen Personen zu ermöglichen.

Wer sich als Online-Archiv versteht, möchte das Archivgut nicht anpassen oder gar löschen. Wer sich von Dokumenten in einem Online-Archiv negativ betroffen fühlt, leidet meist in erster Linie unter der Erschliessung durch Suchmaschinen. Die technische Alternative zur Löschung besteht deshalb darin, dass die strittigen Inhalte nicht mehr in den Suchergebnissen von Suchmaschinen erscheinen.

Für diesen Zweck gibt es den Robots Exclusion Standard. Dieses etablierte, wenn auch inoffizielle Protokoll ermöglicht Websites, den Robotern von Google und anderen Suchmaschinen unter anderem mitzuteilen, dass die Erfassung von Inhalten unerwünscht ist.

Robots.txt von Seobility
CC BY-SA 4.0

Technischer Interessenausgleich zwischen Online-Archiven und betroffenen Personen

Klar ist, dass «Archiv» allein normalerweise nicht als Rechtfertigungsgrund taugt, um Dokumente und sonstige Informationen über eine Person gegen deren Willen frei im Internet zugänglich zu halten. Genauso klar ist, dass im Streitfall eine anspruchsvolle und sorgfältige Interessenabwägung durch Gerichte erfolgen muss. Diese Abwägung dient auch dem Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit.

In vielen Fällen vergessen die beteiligten Parteien, dass es einfache technische Lösungen gibt, die eine Ausgleich zwischen den Interessen von Online-Archiven und betroffenen Personen zu ermöglichen.

Wer sich als Online-Archiv versteht, möchte das Archivgut nicht anpassen oder gar löschen. Wer sich von Dokumenten in einem Online-Archiv negativ betroffen fühlt, leidet meist in erster Linie unter der Erschliessung durch Suchmaschinen. Die technische Alternative zur Löschung besteht deshalb darin, dass die strittigen Inhalte nicht mehr in den Suchergebnissen von Suchmaschinen erscheinen.

Für diesen Zweck gibt es den Robots Exclusion Standard. Dieses etablierte, wenn auch inoffizielle Protokoll ermöglicht Websites, den Robotern von Google und anderen Suchmaschinen unter anderem mitzuteilen, dass die Erfassung von Inhalten unerwünscht ist.

Traditionell wurden diese Wünsche bzw. Anweisungen in einer zentralen Textdatei namens robots.txt für eine gesamte Website abgelegt. Inzwischen hat sich der Ansatz durchgesetzt, Anweisungen für einzelne Webseiten zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt meist durch Metatags im Quelltext von HTML-Seiten, aber auch HTTP-Header-Felder können verwendet werden.

Der Wunsch, dass eine Website oder Webseite nicht in den Ergebnissen einer Suchmaschine erscheinen soll, wird mittels «noindex» als «robots»-Meta-Tag oder als X-Robots-Tag-Feld im HTTP-Antwort-Header übermittelt. Google und alle seriösen Suchmaschinen halten sich an eine solche Anweisung.

Der strittige Inhalt bleibt unverändert im Archiv abrufbar, wird aber nicht mehr Internet-öffentlich durch relevante Suchmaschinen erschlossen. Die gezielte Erschliessung jenseits der Internet-Öffentlichkeit bleibt möglich, zum Beispiel für registrierte Nutzerinnen und Nutzer sowie gemäss entsprechenden Nutzungsbedingungen. So kann eine Löschung, wie sie Archive mit Verweis auf die historische Wahrheit fast immer vermeiden möchten, verhindert werden.

Technisch lösbar ist auch der alleinige Wunsch nach der Korrektur von Fehlern: Dokumente in digitaler Form können fehlerbereinigt werden und standardmässig in dieser Fassung abrufbar gehalten werden. Die Anpassung bzw. Korrektur wird aber als Versionierung ausgewiesen und die Versionsgeschichte kann abgerufen werden. Nutzerinnen und Nutzer, die sich tatsächlich mit einem Inhalt befassen, erhalten Transparenz, ohne dass fehlerhafte Inhalte den Daten- und Persönlichkeitsschutz einer betroffenen Person durch eine direkte Abrufbarkeit verletzen

Steiger Martin 2015

Martin Steiger

Martin Steiger studierte Rechtswissenschaften an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum mit eigener Kanzlei in Zürich. Als Rechtsanwalt befasst er sich insbesondere mit Angelegenheiten im Urheberrecht. In seiner Freizeit engagiert sich Martin Steiger unter anderem bei der Digitalen Allmend für den freien Zugang zu Wissen im digitalen Raum.

Résumé

Dokumente und andere Inhalte in Online-Archiven führen häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Die Internet-öffentliche Erschliessung durch Google und andere Suchmaschinen führt zu Begehren von betroffenen Personen, die mit ihrem Daten- und Persönlichkeitsschutz argumentieren, während Online-Archive auf ihren Auftrag und die historische Wahrheit verweisen. Vergessen geht, dass es technische Lösungen gibt, die einen Interessenausgleich zwischen Online-Archiven und betroffenen Personen ermöglichen.