Commentaires Résumé
2006/2 Droit d’auteur – Loi fédérale sur le droit d’auteur et les droits voisins (Loi sur le droit d’auteur, LDA)

Die Bibliotheken und das Öffentlichkeitsgesetz

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Bibliotheken und Öffentlichkeitsgesetz – die Zusammenführung im Titel erstaunt zunächst. Gibt es doch kaum offenere, auf Information für alle ausgerichtete Einrichtungen als Bibliotheken. Bedarf es da eines besonderen Nachdenkens über mögliche Auswirkungen eines Öffentlichkeitsgesetzes, hier dem Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ: Das Gesetz und die dazugehörige Verordnung werden zum 1. Juli 2006 in Kraft treten. Der Text des Gesetzes findet sich in BBI. 2004, 7269 ff.) entsprechend, auf Bibliotheken im Zuständigkeitsbereich des Bundes?

Die Prinzipien des Öffentlichkeitsgesetzes des Bundes und einige Erfahrungen mit entsprechenden Regelungen der Kantone haben schon im Dossier «Öffentlichkeitsgesetz» in Arbido 5 (2005) ihre Darstellung gefunden.

Andreas Kellerhals hatte dort bereits den Bezug zum Archivgut hergestelltAndreas Kellerhals, «Was Sie schon immer über den Staat wissen wollten, aber nie zu fragen wagten ...». In: Arbido 2005, H. 5, 3–4.. Auf diesen Ausführungen baut dieser Beitrag auf.

Bibliotheken als Adressaten des Informationszugangs

Der erste Aspekt von «Bibliotheken und Öffentlichkeitsgesetz» ist unmittelbar einleuchtend: Können die Bibliotheken des Bundes Adressaten von Informationsanfragen nach dem BGÖ werden? Mit welcher Art von Anfragen werden sie zu rechnen haben?

Alle Bibliotheken oder bibliothekarischen Einrichtungen der zentralen Bundesverwaltung (etwa die der Bundeskanzlerin unterstellte Eidgenössische Parlaments- und Zentralbibliothek und die den Bundesämtern unterstehenden Bibliotheken wie etwa die Bibliothek des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten oder die Bibliothek des Bundesamtes für Justiz) und der dezentralen Bundesverwaltung (etwa die Schweizerische Landesbibliothek [SLB]Bundesgesetz über die Schweizerische Landesbibliothek (SLBG) vom 18.12.1992 (AS 1993, 1773; SR 432.21).als FLAG-EinheitFLAG: Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget. – Gilt für die SLB ab 1.1.2006 laut Beschluss des Bundesrates vom 18.5.2005.des Bundesamtes für Kultur, aber auch die Bibliotheken der Eidgenössischen Technischen HochschulenVgl.Art.4Abs.1,5Abs.1,33Abs.1des Bundesgesetzes über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Gesetz; SR 414.110).) sind Teile der Bundesverwaltung und fallen damit unter den Geltungsbereich des BGÖArt. 2 Abs.1 lit. a BGÖ; siehe auch Botschaft BBI 2003, 1985 f.. Im Folgenden beschränken wir uns beispielhaft auf die Departementsbibliotheken und die SLB.

Die Anwendbarkeit des BGÖ steht allerdings unter dem Vorbehalt anderer Bundesgesetze, die «(...) abweichende Voraussetzungen für den Zugang zu bestimmten Informationen vorsehen.1» Insoweit geht etwa für die SLB die Bestimmung vor, dass ihre Bestände vor Ort einzusehen sind und ein Nutzungsreglement aufzustellen ist2.

Mit der Erwähnung der Bestände stellt sich aber zugleich die Frage, welcher Art die Informationsanfragen denn dann noch sein könnten. Gegenstand des Informationsanspruchs nach dem Wortlaut des BGÖ sind «amtliche Dokumente»10. Ein amtliches Dokument ist jede aufgezeichnete Information, die im Besitz einer Behörde ist und die die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft11. Inwieweit Informationen, die sich bei den genannten Bibliotheken befinden und nicht Gegenstand expliziter Sonderregelungen sind, darunter fallen, lässt sich nur anhand konkreter Informationsnachfragen klären. Nicht darunter fallen dürften aber etwa bei einer Departementsbibliothek Bücher oder Zeitschriften, die die Bibliothek beschafft hat, da diese Bestände zwar im Zuge einer öffentlichen Aufgabe beschafft wurden, nicht aber selbst eine solche betreffen. Anders ist das aber möglicherweise bei dort bereitgehaltenen Veröffentlichungen der eigenen und anderer (Bundes-)Behörden. Allerdings dürfte es sich insoweit um Dokumente handeln, die in einem Publikationsorgan oder auf einer Internetseite des Bundes veröffentlicht sind. Insoweit ist der Informationsanspruch ohnehin erfüllt12. Gleiches gilt für die Information über die Bestände dieser Bibliotheken (einschliesslich der Departementsbibliotheken), die über allgemein zugängliche (elektronische) Kataloge nachgewiesen sind13.

Ein Zugriffsversuch mithilfe des BGÖ ausgerechnet auf Bestände und Kataloginformationen wird eher unwahrscheinlich sein. Was bleibt dann noch? Da - selbst unter Einbezug kantonaler Erfahrungen – der Umgang mit Informationszugangsgesetzen noch relativ neu ist, lassen sich hier keine verlässlichen Voraussagen machen. Der Blick auf (allgemeine) internationale Erfahrungen lehrt, dass Umfang und Art der Nutzung im Wesentlichen von drei Faktoren abhängen:

– von der allgemeinen Informationskultur des jeweiligen Staatswesens,

– von der individuellen Informationskultur der jeweiligen betroffenen Einrichtung und

– von den jeweils aktuellen Themen der gesellschaftlichen und politischen

Auseinandersetzung. Damit lassen sich zumindest einige Nachfragetypen prognostizieren. Gefragt werden wird etwa – wie auch bei anderen staatlichen Einrichtungen – nach bevorstehenden organisatorischen, personellen und räumlichen Veränderungen, nach Budgeteinzelheiten und der Effektivität und Effizienz der Organisation.

Solche Informationen sowohl bei der SLB als auch bei den Departements- bibliotheken sind in der Regel «amtliche Dokumente» i.S. des BGÖ. Die allgemeinen Ausnahmeregelungen des BGÖ14 dürften hier kaum zum Zuge kommen, wobei auf die Bedeutung der Ausnahme zum Schutz der Privatsphä- re15 noch gesondert einzugehen sein wird. Wenn es sich um noch nicht ab- geschlossene Entscheidungsprozesse handelt, wird man aber auf die entspre- chende Ausnahme aus dem Katalog der besonderen Fälle zurückgreifen kön- nen16.

Die allfällige Last abzuarbeitender In- formationsanfragen kann aber – wie im Beitrag von Stephan C. Brunner im schon erwähnten Arbido-Heft ange- tönt17 – durch eine proaktive Informa- tionspolitik (vor allem unter Nutzung des Internets) von den jeweiligen De- partementen und der SLB aufgefangen werden18. Anfrager können dann je- weils auf diese Quellen verwiesen wer- den19.

Die Erfahrungen insbesondere in den USA haben aber auch gezeigt, dass ein neuer Typus von Anfragen an Bedeu- tung gewonnen hat – und das führt uns nun zu der oben schon angesprochenen Ausnahme zum Schutz der Privatsphä- re: Es sind dies Anfragen über Auslei- hen und Einsichtnahmen durch indivi- duelle Nutzer von Bibliotheken (ein- schliesslich der Fragen nach der Inter- netnutzung in den Bibliotheken)20.

In unserem Zusammenhang geht es dabei nicht um die ebenfalls sehr umstrittene Befugnis von Behörden, im Zuge der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung auf solche Informa- tionen zuzugreifen21. Dies ist ein kei- nesfalls zu unterschätzendes Problem, aber es fällt ausserhalb des Bereichs des Öffentlichkeitsprinzips und wird des- halb hier nicht weiter verfolgt.

Es geht hier vielmehr um die Nach- fragen von Privaten oder privaten Or- ganisationen, um Aufschluss über das 

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Herbert Burkert

Herbert Burkert ist Titularprofessor für Öffentliches Recht, Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität St. Gallen und Präsident der dortigen Forschungsstelle für Informationsrecht

  • 1 Art. 4 lit. b BGÖ.
  • 2 Art. 12 Abs. 1 SLBV (Verordnung) gestützt auf Art. 15 Abs. 1 SLBG.