Kommentare Abstract
2020/ Vague verte

Die «grünen Ziele» der UN-Agenda 2030 – Standards für die «Grüne Bibliothek»?

Kommentare Abstract

Weltweit positionieren sich immer mehr Bibliotheken als Agenten für die Umsetzung der Agenda 2030, indem sie die darin formulierten Ziele (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) als Richtschnur für ihre Programmarbeit nutzen.

Das globale Aktionsprogramm der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung soll der Sicherstellung der Lebensgrundlage künftiger Generationen dienen. Mit der Unterzeichnung der Agenda haben sich alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen – und damit auch die Schweiz 1 – verpflichtet, auf die Umsetzung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene bis zum Jahr 2030 hinzuarbeiten.

Eine Vision? Sicher! Eine Illusion? Das wird von uns allen abhängen, denn die Umsetzung der Ziele verlangt aktive demokratische Prozesse, an denen jeder und jede teilhaben soll und muss.

«Grün» – nicht nur Bäume und Schmetterlinge!

«Grün» als Symbol meint tatsächlich mehr als den Schutz von Bäumen und Schmetterlingen, es meint den Schutz des Lebens in seiner Gesamtheit. Die Erhaltung lebenswerten Lebens auf unserem Planeten ist Ziel aller Bemühungen um ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit. Diese drei Aspekte müssen zusammen gedacht werden, da sie untrennbar miteinander verbunden sind und einander bedingen.2 Es darf z.B. nicht sein, dass – um Hunger und Armut zu bekämpfen – zur Gewinnung von landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen Urwälder in gigantischen Ausmaßen abgeholzt werden. Auch ist Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig, wenn dafür Klimaschutzziele geopfert werden.

Das haben schon viele verstanden, denn der allgemeine Trend zu Nachhaltigkeit ist unübersehbar. Nachhaltigkeit ist gar zum Modebegriff geworden. Unternehmen nutzen das «grüne Image» als Marketingfaktor: Grüne Flughäfen, grüne Hotels etc. setzen auf Sympathie-Werbung. Auch wenn man dahinter ein grünes Mäntelchen vermuten darf, wird deutlich, dass die Marketingstrategen ein offensichtliches Bedürfnis ihrer Zielgruppe ansteuern. Und zunehmend erkennen auch Bibliotheken, die sich nicht nur als Informationslieferanten verstehen, sondern als aktive Bildungspartner ihrer Gemeinden, dass ihnen hier wichtige Aufgaben zufallen.

Nachhaltigkeit ist Aufgabe von Bibliotheken!

Auf der Webseite des Weltverbandes der Bibliotheken heißt es ausdrücklich: «Sustainability is Libraries‘ Business – Nachhaltigkeit ist Aufgabe von Bibliotheken!»
Was können, was sollen Bibliotheken also ganz praktisch tun, um den allgemeinen gesellschaftlichen Konsens in Fragen der Nachhaltigkeit strategisch zu nutzen und sich so einerseits bei Trägern, Geldgebern, (Lokal-)Politikern, Sponsoren, Nutzern/Kunden als wichtiger aktiver Partner und Multiplikator zu positionieren, andererseits ihre Kompetenz als «Influencer» in der Umweltbildung aktiv einzusetzen?

Bibliotheken als Agenten für die Agenda!

Weltweit positionieren sich immer mehr Bibliotheken als Agenten für die Umsetzung der Agenda 2030. Das heißt, sie bieten Programme an, die ausdrücklich zur Erreichung der Agenda-Ziele beitragen. So engagieren sie sich im «Netzwerk Grüne Bibliothek», positionieren sich für den Klima- und Ressourcenschutz, indem sie die Grundsätze von Libraries4Future unterzeichnen oder veröffentlichen ihre beispielhaften Projekte als Anregung zur Nachahmung auf der deutschsprachigen Webseite «Biblio2030, Bibliotheken und ihr Beitrag zur Agenda 2030 der UN» oder als SDG Story auf der «Library Map of the World».

Der Bibliotheksverband Bibliosuisse stellt mit der «Kampagne Biblio2030» u.a. ein Padlet mit Tipps und Beispielen für Bibliotheken sowie einen Werkzeugkasten bereit, um sich als aktive Player der nachhaltigen Entwicklung zu positionieren.

ENSULIB – Environment, Sustainability and Libraries

Bereits 2009 gründeten Bibliothekare und Bibliothekarinnen während des Weltkongresses der International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) in Mailand die Spezielle Interessengruppe (Special Interest Group, SIG) ENSULIB mit dem Ziel, Bibliotheken weltweit dafür zu gewinnen, das Engagement für Umweltschutz als wichtige gesellschaftliche Aufgabe von Bibliotheken zu verstehen: «Die Berücksichtigung der Rolle der Menschheit beim Klimawandel und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung sind Kernanliegen der Gesellschaft und folglich auch der Bibliotheken.» 3

«Steter Tropfen höhlt den Stein» – im Zuge ihrer strategischen Neuausrichtung hat die IFLA im Mai 2020 den Weg dafür frei gemacht, dass ENSULIB vom Status der SIG in den Status einer regulären IFLA Sektion wechseln kann. Damit kann dann auch ein international besetztes «Standing Committee» gebildet werden, das mehr Möglichkeiten für die Entwicklung von einschlägigen Programmen und Aktivitäten bietet. Seit 2016 verleiht ENSULIB den «IFLA Green Library Award», gesponsert vom Verlagshaus de Gruyter/Saur, um den sich jährlich bis zu 50 sowohl öffentliche sowie auch wissenschaftliche Bibliotheken bewerben. Bei den Kriterien für die Auszeichnung spielten die SDGs in den letzten Jahren eine zunehmende Rolle.4

Richtlinien und Standards für die «Grüne Bibliothek»?

Richtlinien («Guidelines») wurden bereits von vielen IFLA-Sektionen entwickelt. Der Wunsch nach Richtlinien für Grüne Bibliotheken steht auch für ENSULIB schon lange auf der Agenda. Es wird eine der ersten Aufgaben der ab August 2021 eingesetzten neuen ENSULIB Sektion sein, eine international zusammengesetzte Arbeitsgruppe für die Entwicklung von «Green Library Guidelines» zu bilden. Eine Grundlage dafür wird die bereits 2013 veröffentlichte und inzwischen in 26 Sprachen vorliegende «Green Library Checklist» 5, 6bilden. Eine weitere wichtige Richtschnur werden jedoch die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen bilden. Kolleginnen und Kollegen, die an diesen Standards mitarbeiten möchten, sind herzlich dazu eingeladen!

Avatar

Petra Hauke

Petra Hauke ist Lehrbeauftragte für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie ist Vorsitzende der IFLA-Gruppe ENSULIB und zudem Gründungsmitglied des deutschsprachigen «Netzwerks Grüne Bibliothek».

Hauke ist bekannt als Herausgeberin zahlreicher Sammelbände zur Theorie und Praxis des Bibliothekswesens.

Abstract

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen umfasst wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele, die gemeinsam gesehen und erreicht werden müssen, um unsere Welt lebenswert zu erhalten. Bibliotheken mit ihrem gesellschaftlich relevanten Bildungsauftrag sind gefordert, mit ihren Mitteln dazu beizutragen, dass diese Ziele erreicht werden. Mit der Agenda verfügen sie über eine Richtschnur, anhand derer sie ihre Programme und Aktivitäten ausrichten können.

L'Agenda 2030 des Nations unies comprend des objectifs économiques, écologiques et sociaux qui doivent être envisagés et réalisés ensemble pour que notre monde reste vivable. Les bibliothèques, dont la mission éducative est socialement pertinente, sont appelées à contribuer avec leurs ressources à la réalisation de ces objectifs. L'Agenda 2030 leur fournit une ligne directrice à partir de laquelle elles peuvent orienter leurs programmes et activités.