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2019/4 Servicequalität – Qualitätsservice

Neue Standards erarbeiten und Informationsnetze bauen

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Standards sind eine wichtige Basis für die Arbeit in allen Archiven. Mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft und neuen Technologien wie Linked Data, müssen wir die Standards weiterentwickeln. Das internationale Projekt Records in Context und ENSEMEN, die Umsetzung für die Schweiz erleichtern wird, tun genau das. Mit den neuen Standards sollen Benutzende in den Archiven künftig einfacher und vernetzter suchen können.

Archive und Standardisierung

Normen und Standards haben die Arbeit und die Dienstleistungen der Archive verbessert: die Aktenbildner wissen, welche Metadaten sie liefern müssen, Archive können ihre Portale darauf aufbauen und dementsprechend wird eine strukturierte und systematische Suche für die Benutzenden möglich. ISAD(G) ist momentan eine der wichtigsten Normen in der Archivwelt, sie hat sich seit Beginn der 2000er Jahre rasch verbreitet und wird von beinahe jedem Archiv verwendet. Diese Norm hat die Arbeit von Archivarinnen und Archivaren bei der Erstellung von besser strukturierten Inventaren stark unterstützt. Auch wenn ISAD(G) Archivaren und Archivarinnen sehr geholfen hat, brachte die Norm den Benutzenden wenig Vorteile: Diesen stehen oft nur Archivplan- oder Wortsuche zur Verfügung. Zusätzliche Wege, Informationen in einem Archiv zu finden, gibt es oft nicht.

Linked Data als Erweiterung der Suche

Eine mögliche Lösung, um die Suche zu verbessern, bietet Linked Data. Diese Technologie ermöglicht es, archivische Informationen auch ausserhalb der klassischen hierarchischen Strukturen zu ordnen, mit anderen Quellen zu verknüpfen und somit die Suchmöglichkeiten zu erweitern. Mittels Linked Data werden archivische Objekte (Dossiers, Dokumente, Daten) als „Entitäten“ beschrieben. Die Entitäten erhalten ihre eindeutige ID, die als URI bezeichnet wird (Uniform Ressource Identifier). Auf diese Entität kann aus anderen Katalogen verwiesen werden, sie muss deshalb nicht mehrfach beschrieben werden. So kann ein vernetzter Informationsraum aus vernetzten Identitäten entstehen. Damit kann man sich von der Archivtektonik lösen und über die Archivgrenzen hinaus nach Thema, Person, Ort usw. suchen. Mittels Linked Data lässt sich eine Suche nach einer Person oder nach einem Thema durchführen und zwar über die Archivtektonik eines einzelnen Archivs hinweg. Verknüpfungen mit anderen Informationsquellen wie Bibliothekskatalogen, Geosystemen usw. werden möglich.1

Records in Context

Ist es möglich, die Linked Data in einem Archiv anzuwenden, ohne sich von den bewährten Archivtraditionen zu verabschieden? Die ICA (International Council on Archives) hat diese Herausforderung angenommen und 2012 mit der Erarbeitung der Norm „Records in Context“ (RiC) begonnen, die auf Prinzipien der bestehenden Standards ISAD(G), ISAAR(CPF), ISDF und ISDIAH aufbaut. Der erste Entwurf von RiC wurde 2016 vorgestellt. Die definitive Version der Norm soll im Jahr 2020 verabschiedet werden. Diese neue Norm wird in zwei Teile gegliedert sein:

  • RiC-CM (Records in Context Konzeptmodell): Dieses Modell beschreibt die wichtigsten Entitäten (z.B. „Record“ oder „Aktenbildner“) und deren Eigenschaften und wie sie zueinander in Beziehung stehen. Für jede Entität werden zudem die Eigenschaften festgelegt (z.B. Datum, Sprache oder Material für einen Record).
  • RIC-O (Records in Context Ontologie): Ausgedrückt mittels Web Ontology Language (OWL) sollen hier die Entitäten und Eigenschaften genau normiert und maschinenlesbar im Sinne von Linked Data werden, damit wird es möglich beschreibende Metadaten zu Archivgut organisationsübergreifend recherchieren und verknüpfen.

Die Projektgruppe ENSEMEN

Die Schweizer Archivare und Archivarinnen befassten sich ebenfalls früh mit Linked Data. Schon 2014 arbeiteten das Bundesarchiv, die Staatsarchive Genf, Neuchâtel, Wallis und Basel-Stadt sowie das Stadtarchiv Baden im Projekt ALOD zusammen, um ein Findmittel auf der Basis von Linked Data zu erarbeiten. Auch in weiteren Projekten wie dem Pilotprojekt des Staatsarchivs Basel-Stadt oder in «RDF Matterhorn» der Docuteam GmbH sammelten Schweizer Archive Erfahrungen mit Linked Data.2 Der VSA konnte auf dieses Know-how zugreifen, als sich die beiden VSA-Arbeitsgruppen «Normen und Standards» (AG NS) und «Records Management und digitale Archivierung» (AG RM & DA) entschieden, unter dem Namen «ENSEMEN» eine Projektgruppe innerhalb des VSA zu gründen. ENSEMEN soll folgende drei Ziele erreichen:

  • Grundlagen für die Erhebung und das Management von Meta- und Primärdaten entwickeln, die einen maschinenlesbaren, automatisierbaren Austausch dieser Daten über die Systemgrenzen hinweg ermöglichen.
  • Grundlagen zur Definition eines «Information Packages» (IP) unter Berücksichtigung der bereits in diesem Bereich geleisteten Arbeiten schaffen.
  • Eine Schweizer Umsetzung des neuen ICA-Standards «Records in Context (RiC)» ermöglichen.

Für die Projektgruppe waren folgende Punkte besonders wichtig:

  • Breite Abstützung innerhalb der Schweizer Archivcommunity: Alle Schweizer Archivinstitutionen wurden eingeladen, sich zu beteiligen und sich an einer Kick-off Veranstaltung einzubringen. Ungefähr 30 Archivarinnen und Archivare meldeten ihr Interesse an.
  • Fokussierte Arbeitsweise: Einen neuen Standard zu erarbeiten ist eine aufwändige Aufgabe. Innerhalb der Projektgruppe bildete sich deshalb eine Kerngruppe, die sich mit der Erarbeitung der Inhalte befasste. Diese werden dann von der Projektgruppe diskutiert.
  • Offene Kommunikation: Die Projektgruppe hat eine eigene Seite auf der VSA-Webseite erhalten und die Resultate ihrer Arbeit auf der GitHub-basierten Plattform schema.alod.ch publiziert.

Die Subklassen und Eigenschaften (Properties) der einzelnen Klassen müssen noch definiert werden. Der Stand der Arbeiten kann jederzeit unter der Seite https://schema.alod.ch/archiva... nachgelesen werden.
Die Projektgruppe musste auch einige Punkte klären, um Grundsatzentscheide zu treffen: Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen Metadaten und strukturierten Daten? Wie werden strukturierte Daten in ein Informationsobjekt integriert? Oder welche Prozesse bildet der Standard ab? Diese Fragen haben die Projektgruppe intensiv beschäftigt und zu Grundsatzpapieren geführt, die auf der Seite der Projektgruppe publiziert wurden.4 Wie bereits ISAD(G) soll der Standard Raum für die Besonderheiten der einzelnen Institution berücksichtigen und ergänzt werden können. Genaue Angaben, wie dies geschehen soll, werden ebenfalls definiert.
Der Standard, der von der Projekgruppe ENSEMEN erarbeitet wird, wird im Laufe des Jahres 2020 fertiggestellt. Die Projektgruppe freut sich, dass Ende 2019 bereits ein Entwurf des Standards RiC erscheint, so dass ENSEMEN auch die Umsetzung dieses Standards erleichtern kann.

Fazit

Standards sind die Basis, damit Archive zeitgemässe, digitale Dienstleistungen anbieten können. Auch geben Sie uns die Möglichkeit, innerhalb der Archivwelt unsere Daten auszutauschen und zu verknüpfen. Aus diesem Grund haben Standards in der Archivwelt eine lange Tradition: Vom ISAD(G) über Records in Context bis zu Ensemen. Standards müssen sich stets weiterentwickeln, damit neue Technologien und die Bedürfnisse der Archivwelt zusammenpassen – immer mit dem Ziel, am Ende unseren Kundinnen und Kunden ein möglichst gutes Angebot zu machen. Das ist ein Ziel, dass wir nur gemeinsam erreichen und der VSA mit der Projektgruppe ENSEMEN weiter vorantreiben möchten.

Merzaghi Michele 2017

​Michele Merzaghi

Michele Merzaghi ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Berater im Bereich elektronische Geschäftsverwaltung (GEVER) beim Schweizerischen Bundesarchiv. Seit 2010 ist er der Präsident der „Arbeitsgruppe Normen und Standards“ des Vereins Schweizerische Archivare und Archivarinnen (VSA). Der gebürtige Tessiner hat Geschichte, Kulturwissenschaft und Kunstgeschichte in Basel studiert und 2007 abgeschlossen. 2008-2010 absolvierte er das Weiterbildungsprogramm in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften (MAS ALIS) in Bern und Lausanne und 2015 das CAS in Fundamental of Informatics an der Berner Fachhochschule.

Weiterführende Informationen

Zu Linked Data siehe Stettler, Niklaus: ENSEMEN Workshop - Einführung Linked Data. Präsentation zum Thema Linked Data bei der Informationsveranstaltung vom 28.08.2019 in Bern. [Stand 26.11.2019.]

Zum Projekt ALOD siehe die Projekt-Webseite. [Stand 27.11.2019.]

Zum Pilotprojekt Staatsarchiv Basel-Stadt siehe die Präsentation von Lambert Kansy vom 01.03.2019. Weitere Informationen werden demnächst vom Staatsarchiv Basel-Stadt veröffentlicht. [Stand 27.11.2019.]

Zu RDF Matterhorn siehe WIKI docuteam. [Stand 27.11.2019.]

Zum Projekt der KOST: Metadatenschema xIsadg als Ontologie. [Stand 27.11.2019.]

Abstract

Norme e standard sono fondamentali per il lavoro degli archivi. La digitalizzazione della società e le nuove tecnologie come i linked data obbligano gli archivi ad aggiornare i loro standard. Il progetto internazionale dell’ICA (International Council on Archives) per la creazione di Records in Contexts e il progetto svizzero ENSEMEN che ne favorirà la diffusione di tale standard in Svizzera perseguono questo scopo. I nuovi standard porteranno grandi vantaggi per gli utenti degli archivi avranno maggiori possibilità di ricerca rispetto ad oggi.

Normen und Standards sind für die Arbeit von Archiven von grundlegender Bedeutung. Mit der Digitalisierung der Gesellschaft und durch neue Technologien wie Linked Data müssen Archive ihre Standards aktualisieren. Das Projekt des ICA (International Council on Archives) Records in Contexts (RiC) und das Schweizer Projekt ENSEMEN, das die Verbreitung des Standards in der Schweiz fördern wird, verfolgen diesen Zweck. Die neuen Standards werden grosse Vorteile für die Benutzer der Archive bringen, die zukünftig mehr Möglichkeiten bei der Recherche haben werden als heute.

Les normes et les standards sont fondamentaux pour le travail des archives. Avec la dématérialisation de la société et les nouvelles technologies telles que les Linked Data, les archives doivent mettre à jour leurs normes. Le projet de l'ICA (Conseil International des Archives) pour la création de Records in Contexts (RiC) et le projet suisse ENSEMEN, qui favorisera la diffusion de la norme en Suisse, poursuivent cet objectif. Les nouvelles normes apporteront de grands avantages pour les utilisateurs et utilisatrices des archives qui auront plus de possibilités de recherche qu'aujourd'hui.