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2016/3 Vernichten, um zu bewahren?

Editorial

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Das Gedächtnis der Allgemeinheit bewahren und vermitteln – das scheint die Berufung von uns Archivarinnen und Bibliothekaren zu sein. Doch wieso vernichten wir dann?

Von Aristoteles’ Politik, in der die Archivare als Hüter des Gedächtnisses beschrieben sind, zur Welt des WWW, von der Bibliothek von Alexandria, die sich als Verwahrerin des Weltwissens verstand, zum Mundaneum von Pault Otlet – unsere Berufung scheint zu sein, das Gedächtnis zu bewahren und zu vermitteln. Wäre es nicht praktisch, wenn wir nur mit den Fingern schnippen müssten, um alle benötigten Informationen unmittelbar und sofort zur Verfügung zu haben?

In der 2006 erschienen Nummer zur «Memopolitik» warnte arbido vor den Konsequenzen eines Verlusts des nationalen Gedächtnisses. Bei der Lektüre der Artikel spürt man aber auch einen Anflug von Bedauern. Um diese Gedächtnispolitik aufbauen und unterhalten zu können, müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, was erhalten werden soll und was nicht. Wir rechtfertigen also unseren Beruf mit unseren Kenntnissen der Bewertung: Wir sind jene, die wissen, was wie aufzubewahren ist – und dementsprechend jene, die vernichten müssen.

Was wäre, wenn es keine Platzprobleme gäbe, wenn sämtliche relevanten Informationen rasch auffindbar und persönliche Daten nur für die entsprechenden Personen zugänglich wären? Was wäre, wenn wir uns dazu entschliessen würden, alles aufzubewahren?

Gewisse Institutionen, z.B. Literaturarchive oder Archive für audiovisuelle Medien, bewahren bereits mehr auf als andere: Entwürfe, Arbeitskopien etc. Dinge, die in einem anderen Zusammenhang als überflüssig betrachtet würden, hier aber einen Mehrwert darstellen.

Manchmal hat man es bereut, Daten vernichtet zu haben, andere Male hat man es bereut, Daten nicht vernichtet zu haben – wenn sie danach gegen einen verwendet wurden.

Das Vergessen ist eine essenzielle Funktion des Gedächtnisses, und wir alle leben mit einer subjektiven Sicht der Erinnerung. Ist nicht die Geschichtsschreibung an sich eine Arbeit des «Sich-Wieder-Erinnerns» auf der Basis von vorhandenen Spuren, absichtlichen oder unabsichtlichen Verlusten? Die viel genannte Informationsflut; ist sie eine Chance oder ein Risiko für die Gesellschaft?

Diese Ausgabe von arbido gibt das Wort an Vertreter verschiedener Fachrichtungen (I+D-Fachleute, Informatiker, Forscher etc.), um einen Zusammenhang zwischen unseren Bedürfnissen und den derzeitigen Möglichkeiten der Aufbewahrung bzw. Notwendigkeit der Vernichtung zu schaffen.

Von Aristoteles’ Politik, in der die Archivare als Hüter des Gedächtnisses beschrieben sind, zur Welt des WWW, von der Bibliothek von Alexandria, die sich als Verwahrerin des Weltwissens verstand, zum Mundaneum von Pault Otlet – unsere Berufung scheint zu sein, das Gedächtnis zu bewahren und zu vermitteln. Wäre es nicht praktisch, wenn wir nur mit den Fingern schnippen müssten, um alle benötigten Informationen unmittelbar und sofort zur Verfügung zu haben? 

In der 2006 erschienen Nummer zur «Memopolitik» warnte arbido vor den Konsequenzen eines Verlusts des nationalen Gedächtnisses. Bei der Lektüre der Artikel spürt man aber auch einen Anflug von Bedauern. Um diese Gedächtnispolitik aufbauen und unterhalten zu können, müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, was erhalten werden soll und was nicht. Wir rechtfertigen also unseren Beruf mit unseren Kenntnissen der Bewertung: Wir sind jene, die wissen, was wie aufzubewahren ist – und dementsprechend jene, die vernichten müssen.

Was wäre, wenn es keine Platzprobleme gäbe, wenn sämtliche relevanten Informationen rasch auffindbar und persönliche Daten nur für die entsprechenden Personen zugänglich wären? Was wäre, wenn wir uns dazu entschliessen würden, alles aufzubewahren? 

Gewisse Institutionen, z.B. Literaturarchive oder Archive für audiovisuelle Medien, bewahren bereits mehr auf als andere: Entwürfe, Arbeitskopien etc. Dinge, die in einem anderen Zusammenhang als überflüssig betrachtet würden, hier aber einen Mehrwert darstellen.

Manchmal hat man es bereut, Daten vernichtet zu haben, andere Male hat man es bereut, Daten nicht vernichtet zu haben – wenn sie danach gegen einen verwendet wurden.

Das Vergessen ist eine essenzielle Funktion des Gedächtnisses, und wir alle leben mit einer subjektiven Sicht der Erinnerung. Ist nicht die Geschichtsschreibung an sich eine Arbeit des «Sich-Wieder-Erinnerns» auf der Basis von vorhandenen Spuren, absichtlichen oder unabsichtlichen Verlusten? Die viel genannte Informationsflut; ist sie eine Chance oder ein Risiko für die Gesellschaft?

Diese Ausgabe von arbido gibt das Wort an Vertreter verschiedener Fachrichtungen (I+D-Fachleute, Informatiker, Forscher etc.), um einen Zusammenhang zwischen unseren Bedürfnissen und den derzeitigen Möglichkeiten der Aufbewahrung bzw. Notwendigkeit der Vernichtung zu schaffen.