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2015/3 GLAM und Wikimedia

Wie die I+D-Verbände Wikimedia-Projekte fördern und unterstützen können - ein Gespräch mit BIS und VSA

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Interview mit Rudolf Mumenthaler (BIS) und Stefan Kwasnitza (VSA), geführt von Gilliane Kern und Katja Boespflug, Redaktion arbido

Besteht vonseiten BIS und VSA ein Interesse an den Projekten von Wikimedia? Wie äussert sich das?

Stefan Kwasnitza (VSA): Beide Verbände haben das gleiche Grundinteresse: die Verbreitung und die freie Nutzung von Wissen und Information. Es gibt im VSA Mitglieder – sowohl Institutionen als auch Personen –, die dieses Grundinteresse aktiv vertreten und sich in diesem Bereich engagieren. Momentan äussert sich das in der Veranstaltung von Edit-A-Thons, bei der Einsetzung von Wikipedians in Residence sowie im Hochladen von Daten, wie zum Beispiel Fotos auf Wikimedia Commons.

Rudolf Mumenthaler (BIS): Für den BIS gilt in etwa das Gleiche: Auch hier kommt die Initiative vonseiten der Mitglieder. Vonseiten des Verbandes gibt es noch keine offizielle Haltung.


Man hat den Eindruck, dass bei Bibliothekaren und Archivaren eine gewisse Zurückhaltung besteht, wenn man von Wikipedia spricht. Zwar gibt es einige, die sich sehr dafür interessieren und aktiv involviert sind, aber auch viele, die davor eine gewisse Angst haben. Sollten die Verbände eine aktive Rolle übernehmen, um den I+D-Fachleuten die Möglichkeiten von Wikimedia näherzubringen?


Mumenthaler: Der BIS kann hier vor allem im Bereich Weiterbildung etwas unternehmen. Zum Beispiel in Form einer spezifischen Wikimedia-Schreibwerkstatt, ähnlich der Schreibwerkstatt für wissenschaftliches Schreiben am letzten BIS-Kongress. Dies könnte im Rahmen des Weiterbildungsprogramms oder als Workshop am Kongress angeboten werden.

Kwasnitza: Im VSA wären Ausbildungsveranstaltungen ebenfalls eine Möglichkeit, ebenso Referate, an denen Erfahrungen ausgetauscht werden können. Wichtig ist auch der Erfahrungsaustausch in den Arbeitsgruppen. In der AG Zugang und Vermittlung gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, über solche Themen zu sprechen und Erfahrungen auszutauschen. Auch eine Publikation zu diesem Thema, wie zum Beispiel das arbido-Themenheft, ist eine Option. Es handelt sich hier um einen Kulturwandel, und es ist wichtig, dass die Leute praktisch einbezogen werden, sodass Ängste im direkten Kontakt abgebaut werden können.

Mumenthaler: Der Swiss Cultural Hackathon im Februar 2015 hat gezeigt, dass im Bereich Open Data noch einiges getan werden muss. Institutionen brauchen eine Open Data Policy für ihre Daten. Hat man diesen Schritt getan, ist der Weg zu Wikimedia nicht mehr weit. Wenn eine Institution ihre Bildbestände als Public Domain deklariert, dann kann sie sie auch an Wikimedia geben. Zum Teil wird das auch schon gemacht.

Kwasnitza: Der Verband kann hier aktiv werden und seine Mitglieder dazu ermuntern, Daten online zu stellen, indem er Veranstaltungen, Tagungen und Weiterbildungen mit der Gelegenheit zum Austausch organisiert. Ebenso sollte dieses Thema auf das Programm des Kongresses gesetzt werden. Die Initiative für die Durchführung von konkreten Projekten muss allerdings von den Institutionen kommen. Der Verband kann nur Möglichkeiten zum Informationsaustausch bieten.

Wäre es auch vorstellbar, dass BIS und VSA gemeinsam einen Workshop zu diesem Thema durchführen?


Kwasnitza: Das ist sehr gut vorstellbar, denn die Fragestellungen sind ja teilweise sehr ähnlich, gerade was die Bildbestände betrifft. Auch bei den Wikipedians in Residence handelt es sich um sehr ähnliche Prozesse. Es gibt aber Bereiche, wie zum Beispiel Open Data vs. geschützte Daten, wo es klare Unterschiede gibt.

Mumenthaler: Der Swiss Cultural Hackathon ist ein gutes Beispiel einer solchen Kooperation. Die Gemeinsamkeiten sind viel grösser als die Unterschiede.

Kwasnitza: Aus der Perspektive der Benutzer sieht man, dass zunehmend gemeinsame Suchräume thematisiert werden, als Data Provider ist es deshalb sinnvoll, gemeinsame Veranstaltungen anzubieten.


Zahlreiche Bibliotheken und Archive nehmen bereits an verschiedenen Projekten, wie Wikipermanence, Edit-A-Thon und Wikipedian in Residence teil. Sollten die Verbände dieses Netzwerk unterstützen?


Kwasnitza: Es wäre wünschenswert, und auch machbar, dass die Verbände hier unterstützend wirken. Beispielsweise mit der Erarbeitung eines Fact Sheets mit Best Practices basierend auf den Erfahrungen verschiedener Institutionen und mit der Förderung des Austauschs von Tools, so dass nicht jede Institution das Rad wieder neu erfinden muss. Ähnlich also, wie das bereits in den Arbeitsgruppen geschieht.

Mumenthaler: Der Verband ist auf jeden Fall bereit, Unterstützung zu leisten, allerdings gibt es im Moment noch keine konkreten Ideen. Wenn aber Bedürfnisse bestehen, dann sind die Türen offen. Es ist allerdings nicht so, dass die Bibliotheken erwarten, dass erst von der Seite des Verbands etwas geschehen muss, bevor sie selbst aktiv werden können. Denkbar wäre für den Verband eine aktive Zusammenarbeit auf GLAM-Ebene, also auch mit Vertretern aus dem Museumsbereich. Der Verband hat hier einige Möglichkeiten, um das Verständnis über die Sparten hinweg zu fördern.

Kwasnitza: Die Arbeitsgruppen haben ebenfalls eine zentrale Funktion. Hier können übergeordnete Themen erarbeitet und zusammengestellt werden, die dann vom Verband für die Förderung des Erfahrungsaustausches weiterentwickelt werden können.

Wie sieht die Beziehung zwischen BIS/VSA und OpenGLAM, Wikimedia etc. aus?

Kwasnitza: In der VSA-Arbeitsgruppe «Zugang und Vermittlung» ist jemand vertreten, der sowohl Mitglied im VSA als auch bei OpenGLAM ist. Gewissen Institutionen arbeiten auch bei Wikimedia mit, der Austausch ist da aber eher informell.

Mumenthaler: Auch beim BIS sind die Beziehungen tendenziell informell. Es sind vor allem einzelne Mitglieder, die involviert sind. Es handelt sich dabei hauptsächlich um persönliche Kontakte und die Vernetzung mit anderen Mitgliedern.

Kwasnitza: Die persönliche Vernetzung ist wichtig. Wikimedia CH ist auch ein Verein, aber unsere Verbandsstrukturen existieren schon länger und sind stabiler, und die Organisationsstrukturen sind nicht die Gleichen. Es gibt auch noch weitere Mitspieler, zum Beispiel Open Data Schweiz. Das Netzwerk ist intensiv, es gibt viele Kontakte, aber meistens eher auf persönlicher Ebene. Wichtig ist es, Leute, die in diesen verschiedenen Communitys aktiv sind, für den Verband zu gewinnen. Deshalb sollte der Verband für diese Mitglieder auch attraktiv sein.

Mumenthaler: Ein aktuelles Thema ist das Urheberrecht. Nächstes Jahr wird es eine Vernehmlassung für ein neues Urheberrechtsgesetz geben. Hier könnten die Verbände von einer Zusammenarbeit mit diesen jungen, dynamischen Organisationen profitieren, denn diese haben ein grosses politisches Potenzial. Diese Fragen sind eine grosse Chance für Bibliotheken, ihr Know-how einzubringen und sich noch viel aktiver zu beteiligen.

Kwasnitza: Auch im technologischen Bereich können die Verbände die Institutionen unterstützen, zum Beispiel bei der Verknüpfung von Daten. Es geht ja um sehr ähnliche Ziele – um die Zugänglichkeit und die Verbreitung von Information.

Kwasnitza Stefan 2019

Stefan Kwasnitza

Stefan Kwasnitza (1977) arbeitet seit 2014 als Abteilungsleiter Informationszugang für das Schweizerische Bundesarchiv (BAR). Er war zuvor während fünf Jahren bei der Schweizerischen Nationalbibliothek tätig. Seit April 2019 ist er stellvertretender Direktor des BAR. Stefan Kwasnitza ist Historiker und verfügt über eine Weiterbildung als Webprogrammierer und ein Diplom in IT Business Management der Universität St. Gallen.

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Rudolf Mumenthaler


Rudolf Mumenthaler (BIS) ist seit 2012 Professor für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur. Er ist Vorstandsmitglied BIS und Mitherausgeber der Zeitschrift Informationspraxis. Mehr in seinem Blog: http://ruedimumenthaler.ch

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Les associations BIS et AAS ont surtout un rôle informel dans les projets Wikimédia; ce sont les membres individuels ou institutionnels qui participent à des projets tels que l’accueil de wikipédiens en résidence, des édit-a-thons ou le chargement de données. Toutefois, comme certains professionnels I+D sont parfois réticents à l’utilisation des outils Wikimédia, les associations peuvent favoriser des réflexions lors de formations continues, dans des groupes de travail ou lors d’événements comme le hackathon culturel, ou encore en publiant des bonnes pratiques. La question des droits est centrale, qu’il s’agisse de déclarer des fonds d’images dans le domaine public ou d’utiliser des Open Data vs. données protégées. Au final, ces projets sont une opportunité pour les professionnels I+D d’apporter leur savoir pour faciliter l’accès à l’information.