Digital Rights Management (DRM) oder die Belebung der toten Winkel
Die Musikindustrie meldet rückläufige Verkaufszahlen von Musikträgern. Die Filmindustrie beklagt zunehmende Raubkopiertätigkeit ihrer Filme aus dem Netz auf die heimische Festplatte oder auf DVD-Rohlinge. Die «Kriminalisierung der Schulhöfe» oder der «Bürgerkrieg der Industrie gegen ihre Kunden» sind beliebte Aufmacher der Presse in aktualitätsarmen Zeiten. Die betroffene Industrie ruft nach drastischen Massnahmen. Neue Kontroll- und Überwachungstechnologien werden von der betroffenen Industrie entwickelt und auf den Markt gebracht. Software-Formen, die die Funktionen unserer Computer ausser Funktion setzen, sind bereits im Einsatz.
Die digitale Technologie stellt das eingefahrene System der Medienindustrie vor neue Herausforderungen.
Im Zeitalter der analogen Medien wie Schallplatte und Tonbandkassette beruhte die Technologie auf der Tatsache, dass Inhalte an materielle Träger gekoppelt waren. Die Herstellung dieser Musikträger verlangte den Einsatz erheblicher Investitionsgüter wie Druckmaschinen und Presswerke. Selbst für ein gewisses Mass an «Kontrollschwund» in Randbereichen durch Privatkopien mit Fotokopierern, Audio- und Videokassettenrecordern fand sich eine gesetzliche Regelung, mit der alle Beteiligten zufrieden waren.
Es standen sich zwei Argumente gegenüber:
1. Ein ökonomisches Argument der betroffenen Medienindustrien, dass die Verluste aus dieser Nutzung nicht mit vertretbarem Aufwand unterbunden werden können. Ein Ausgleich erfolgte mit Pauschalvergütungen auf Rekordern, Leermedien und Fotokopieren.
2. Ein gesellschaftspolitisches Argument dagegen zielt auf Teilnahme am politischen und kulturellen Gemeinwesen. Verfassung und Urheberrecht nahmen dazu einen Interessensausgleich vor, der die Interessen der AutorInnen an Vergütung und die Interessen der Allgemeinheit ausbalancierte, um bestimmte Nutzungen vornehmen zu können, ohne um Erlaubnis bitten zu müssen.
Mit dem breiten Aufkommen digitaler Technologien wurde dieser Grundkonsens in Frage gestellt. Plötzlich war es möglich, ohne grosse Investitionsgüter qualitativ ebenbürtige Kopien auf dem hauseigenen Computer herzustellen.
Hier tat sich nun ein Graben auf: Die Informatikindustrie hat im Gegensatz zu den alten Medienkonzernen während vieler Jahre auf die Schaffung einer offenen Arbeitsumgebung hingearbeitet: In erster Linie als Produktionsumgebung für sich selbst, aber auch auf Nachfrage ihrer Kunden, denen mit dem Computer, Netz und Editoren (für Software, Text, Bild, Klang, Video) ein fast unbegrenztes Produktionsmittel für ihr kreatives Schaffen in die Hand gegeben wurde.
Aber auch die Medienkonzerne erkannten das Potenzial der digitalen Technologien. Sie sahen die Möglichkeit, ihr Produktangebot zu erweitern, um sich neue Absatzfelder zu erschliessen. So entstanden integrierte Konglomerate wie Disney, AOL Time Warner, Sony, News Corporation, Viacom, Vivendi und Bertelsmann, die ihre immer breiteren Produktportfolios in Text-, Musik-, Videoangeboten nun auch über digitale Kanäle nach altbewährter Rezeptur absetzen wollten.
Im Verständnis der Medienindustrie sollten die Nutzer der digitalen Technologien zu «Verbrauchern digitaler Angebote» mutieren. Man erwarb nicht mehr einen Ton- oder Bildträger, sondern nur noch Lizenzen für den Gebrauch der Filme, Musikstücke oder das Nachrichtenangebot. Anders als die Waren des täglichen Verbrauchs aus dem Supermarkt «verbrauchen» sich digitale Angebote nicht. Es ist keine akademische Spitzfindigkeit, dass nach Kauf einer Musikdatei diese durch das Anhören nicht «aufgebraucht» wird.
Wäre dies der Fall, so würde der Einsatz von Digital-Rights-Management-Technologie überflüssig. Wer das Stück dann noch einmal hören möchte, müsste die Datei wieder kaufen. In der Realität muss nur eine neue Nutzungslizenz gekauft werden.
Das Digital Rights Management (DRM) macht glauben, dass nur die Medienindustrie und die Verwertungsgesellschaften urheberrechtlich geschützter Werke über Rechte an digitalen Werken verfügen. Unterschlagen werden dabei die Rechte der Nutzer. Hier geht es um Rechte wie Teilhabe am kulturellen Leben durch Zugang zu veröffentlichten Werken in Bibliotheken und durch die digitale Privatkopie beim Kauf.
Das Wort «Management» spiegelt vor, dass es sich um die Verwaltung oder die Geschäftsführung handelt, wo es doch in Tat und Wahrheit um Restriktionen und Kontrolle geht. Der Begriff «digital» ist falsch, da DRM-Technologie seine Kontrolle auch auf die analoge Peripherie wie Drucker, Fotokopierer oder Lautsprecherausgänge ausdehnt. Spötter sprechen daher von «Digital Restrictions Management».
Aber auch die Rechte der Archive, Bibliotheken und Dokumentationsstellen sowie der Schulen sind in Frage gestellt. Denn die Digital-Rights-Management-Technologie stellt die Vermittlungstätigkeit in Frage. Bisher hatten diese Institutionen die Aufgabe, den Nutzern den Zugang zur Information und die Teilnahme am kulturellen Leben zu ermöglichen. Dafür erhielten sie in den Urheberrechtsgesetzen gewisse Ausnahmerechte. Diese bestehen wohl auf dem Papier künftig fort, allein die Technologie wird deren Nutzung verhindern.
1 Steht uns das Ende des Allzweckcomputers ins Haus?
Es zeigte sich, dass die Informatikindustrie dem Druck amerikanischer Verbände der Musikindustrie (Recording Industry Association of America) und der Filmindustrie (Motion Picture Association) nachzugeben begann. Diese Verbände mussten zur Kenntnis nehmen, dass das World Wide Web sich zu einem ökonomisch starken Medienauslieferungskanal entwickelt hat.
Da die historisch gewachsene Architektur nicht auf die von ihnen gewünschte Zugangs- und Nutzungskontrolle ihres Angebots hin optimiert war, musste man am anderen Ende beginnen. Die Architektur künftiger Rechner musste so gestaltet werden, dass dieser Allzweckgebrauch des Computers untergraben wird und der Wildwuchs der Datentauschbörsen als Daseinszweck im Netz beseitigt wird.
Mit der Vorstellung der Umrisse des künftigen Windows Vista durch Microsoft wurde klar, dass nicht nur eine wesentlich leistungsfähigere Rechnerumgebung nötig werden wird, sondern dass diese neuen Rechner auch über erste Elemente einer Medienrechteverwaltung verfügen werden.
Da kaum anzunehmen ist, dass für Bibliotheken und Dokumentationsstellen sowie für Schulen neue Computer ohne diese Module ausgeliefert werden, stellt sich die Frage, ob diese Institutionen an ihren gesetzlich verbrieften Rechten gehindert werden. Ihre ursprüngliche Aufgabe in der Informationsgesellschaft können sie unter diesen Umständen schwerlich wahrnehmen.
2 Die Rollen und ihre Darsteller im Digital Rights Management
Im Zeitalter analoger Technologien waren die Rollen der Akteure klar verteilt. Es gab zwei Gruppen:
– die Autoren und Künstler zur Herstellung von Content und Medien- unternehmen (Presse, Hörfunk, Verlage, Schallplattenfirmen usw.) zu dessen Bündelung und Verbreitung einerseits sowie
– die Konsumenten andererseits, die die Inhalte nutzten und dafür eine Abgeltung leisteten. Allfällige weitere Kopien (Fotokopien oder Tonbandkassetten) wurden über eine Pauschalabgeltung abgeschöpft.
Die Digitalisierung von Inhalten brachte die technisch verlustfreie und wirtschaftlich günstigste Kopierbarkeit von Inhalten für den Endnutzer mit sich. Bei analogen Inhalten waren die Vervielfältigungstechnologien teuer, und die Qualitätsminderung bildete mit zunehmender Kopienanzahl einen natürlichen Schutz vor zu grosser privater Verbreitung.
Mit der Digitalisierung der Wertschöpfungskette nahm die Anzahl der Akteure entlang der Kette zu, da neue Mitspieler die Bühne betraten:
– Den einen Pool bilden nach wie vor die Künstler und Autoren, zu denen sich auch die Medienfirmen als Produzenten sowie die Intermediäre gesellen.
– Einen zweiten Pool bilden neu die Telekommunikationsunternehmen und Serviceprovider, die den Zugang zu den Telekommunikationsnetzen anbieten. Im Weiteren: Intermediäre, die die Inhalte bündeln und aufbereiten sowie für die Schaffung einer attraktiven Plattform besorgt sind, die viele Nutzer besuchen und somit Netzwerkeffekte generieren.
– In einem dritten Pool befinden sich die Nutzer, die durch den freien Zugang zu Content im Internet eigene Vorstellungen über dessen Nutzung entwickelt haben. In diesem dritten Pool befinden sich auch Unternehmen mit ihren Intra- und Extranets und die Bibliotheken.
Im Spannungsfeld dieser drei Poole scheint sich für Archive, Bibliotheken und Dokumentationsstellen die Übernahme neuer Aufgaben abzuzeichnen, die über die Informationsvermittlung hinausgehen werden.
3 Sind DRMS die Schweizer Taschenmesser gegen die Vollzugskrise des Urheberrechts im digitalen Zeitalter?
Schieben wir für einen Moment die Zweifel zur Seite, ob Digital Rights Management Systems (DRMS) genügend einfach und genügend sicher die Ansprüche der Rechteinhaber von Content schützen können und stellen wir uns die Kernfrage, ob technische Massnahmen allein genügen, um die Vollzugskrise bei der Durchsetzung der Rechte der Werkurheber (Autoren, Komponisten, Künstler usw.) zu überwinden, dann stellt sich die Frage, ob die alleinige Einführung von DRM-Modulen zur Durchsetzung der Rechte des Werkschöpfers genügtFür die allgemeineren Fragestellungen rund um das Urheberrecht siehe arbido , 1.
Meines Erachtens ermöglicht erst die Kombination von den nachfolgenden drei Elementen zu einer Gesamtkonzeption die Überwindung der Vollzugskrise, die sich im jetzigen Urheberrecht zeigt.
– Die Einführung technischer Massnahmen allein wird nicht genügen. Jede technische Massnahme wird irgendwann von Hackern oder Nutzern mit guten Programmierkenntnissen geknackt werden. Betriebssysteme, die ohne diese DRM-Module arbeiten, dürften von Nutzern vermehrt benutzt werden.
– Die Entwicklung hat deutlich gemacht, dass mit dem Technologiefortschritt auch ein neues Geschäftsmodell einhergehen muss. Die durchgehende Digitalisierung der Wertschöpfungskette im Video- und Audiobereich erlaubt eine Leistungssteigerung im Preis-Leistungs-Vergleich, was auch neue Einnahmemodelle ermöglichen wirdSiehe Axel Zerdick et al. Die Internet-Ökonomie, Strategien für die digitale Wirtschaft, Heidelberg 1999, S. 45 ff.. Die Verwertungsketten von Film und Fernsehen ändern sich unter dem Eindruck dieser Entwicklung. Musik, Informationen und Video auf dem Handy sind technisch möglich. Es treten neu Inhaltsanbieter und Kommunikationsunternehmungen als Konkurrenten am Markt auf, die in der analogen Marktwirtschaft in klar getrennten Branchen arbeiteten. Durch das Anbieten von neuem Zusatznutzen und einer «Re-Intermediation» können sich neue Intermediäre etablierenAls Beispiele seien hier Skype oder E-Bay erwähnt.. Noch haben die Digital Rights Management Systems die Verwertungsgesellschaften nicht verdrängtAlfred Meyer, DRMS did not replace collecting societies, in: Christoph Beat Graber et al. Digital Rights Management: The End of Collecting Societies? Bern 2005., doch sind weitere Veränderungen am Markt zu erwarten.
– Auch das Urheberrecht steht weltweit mitten in einer Umbruch- und Weiterentwicklungsphase. Die Durchsetzung der digitalen Technologien am Markt hat die Gesetzgebung und vor allem den Gesetzesvollzug vor ganz neue Herausforderungen gestellt:
Allein mit nationalen Urheberrechtsgesetzen ist den neuen technologischen Umbrüchen in der digitalen Kommunikationstechnik nicht mehr beizukommen. Im Netzwerk des World Wide Web spielen Ländergrenzen keine Rolle mehr.
Standardisierung wird immer wichtiger, wenn sich Technologien am digitalen Markt durchsetzen müssen.
Durch zunehmende Nutzerzahlen steigert sich der wirtschaftliche Wert von virtuellen Netzwerken schnell. Gleichzeitig setzen sich die verwendeten Technologien als Quasistandards durch. Dieser Vorgang wird durch das Verschenken von Software zusätzlich beschleunigt, sodass in kurzer Zeit eine gute Marktdurchdringung erreicht wirdDer Erfolg des Datenformats PDF wurde wesentlich durch die Möglichkeit des kostenlosen Herunterladens des Acrobat Reader ermöglicht.. Hat die Nutzergemeinde eine kritische Grösse erreicht, so möchte der Produzent über Folgedienstleistungen oder Folgeprodukte die Entwicklungskosten wieder einspielen. Dies garantiert dann den kommerziellen Erfolg.
Der Musik- und Videomarkt hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die CD-Vertriebsfirmen der Audio- und Videoprodukte Umsatzeinbussen auf ihren traditionellen Distributionskanälen zu verzeichnen hatten. Der Erfolg neuer Vertriebskonzepte wie i-Tunes Music Store zeigt neuen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf. So wird es jetzt möglich, die Abrechnung der Urheberrechtsabgaben auf individueller Basis durchzuführen. Denkbar sind auch das Herunterladen von Software aus dem World Wide Web und die Abgeltung nach effektivem Gebrauch durch den jeweiligen Nutzer. Das Laden der Software auf die Festplatte entfällt.
Auf diese technischen Möglichkeiten hat der Gesetzgeber noch keine Antwort gefunden, doch der Druck wächst stetig.
4 Wem gehört der Content im 21. Jahrhundert?
Durch den technischen Fortschritt der Digitalisierung von Text-, Foto-, Video- und Audioinhalten wiesen die Urheberrechtsgesetze im ausgehenden 20. Jahrhundert plötzlich Regelungslücken auf.
4.1 Weltweite Vertragswerke
Der erste konkrete Anstoss kam mit zwei Abkommen, die 1996 unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) entstanden sind. Es sind Leitplanken für die Mitgliedstaaten der WIPO – für eine Anpassung des Schutzes von Urhebern, Musikinterpreten und Tonträgerherstellern an die modernen Kommunikationstechnologien.
Der WIPO Copyright Treaty (WCT) und der WIPO Performances and Phonograms Treaty (WPPT) erlaubten es der EU, neben ihren Mitgliedstaaten Vertragspartei zu werden.
Dies erwies sich als sinnvoll, da beispielsweise der Schutz von Computerprogrammen und von Datenbanken schon bei Verhandlung und Abschluss der World-Intellectual-Property-Organization-Verträge (WIPO) zur ausschliesslichen Kompetenz der EU (und nicht mehr der Mitgliedstaaten) gehörte.
1996 hatte die EU beschlossen, die wichtigsten Vorschriften der WIPO-Verträge in harmonisierter Weise in den Mitgliedländern umzusetzen. Zu diesem Zweck war ein «Bindeglied» in Form einer Harmonisierungsrichtlinie notwendig. Damit war die Leitlinie für die Umsetzung in nationales Recht vorgegeben. Erst dann ratifizierte die EU die WIPO-Verträge.
4.2 Die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft
Die sogenannte Informationsgesellschafts-Richtlinie vom 22. Mai 2001Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft; sowie Michaèle Battisti, la directive européenne sur le droit d’auteur et les droits voisin dans la Société de l’Information, in arbido , 1schreibt eine relativ kurze Umsetzungszeit von 18 Monaten vor. Diese Frist war für die die meisten Mitgliedstaaten der EU allerdings zu kurz. Die meisten Mitgliedstaaten haben ihre nationalen Urheberrechtsgesetze erst zwischen Sommer und Herbst 2003 der Richtlinie angepasst.
Die WIPO-Verträge schreiben einen Schutz gegen Umgehung technischer Sicherungssysteme vor. Das betrifft unter anderem das DRM. So kann zum Beispiel das Kopieren («Brennen») von Audio-CDs verhindert werden. Der Gesetzgeber kann aber auch ein individuelles Vergütungsmodell «Urheber-Nutzer» einführen.
Hier bestehen zwei Probleme: In den ersten Diskussionen ging es darum, ob der Umgehungsschutz lücken- los sei. Es besteht die Gefahr, dass zur Ermöglichung einer (gesetzlich zulässigen) Privatkopie ein vorhandener Kopierschutz umgangen werden kann. Es wurde sogar diskutiert, ob ein vorhandener Kopierschutz nicht zwingend durchbrochen werden muss, um der Allgemeinheit die Möglichkeit zur Privatkopie zu geben.
Damit hatte sich die Debatte völlig von den tatsächlichen Gegebenheiten gelöst, wie ein Blick auf den Pausenhof einer x-beliebigen Schule zeigt:
Es wird immer die Möglichkeit von unkontrollierbaren und nicht verhinderbaren Privatkopien geben, die natürlich weiter vergütet werden müssen. Alles andere wäre eine rechtswidrige Enteignung der Berechtigten.
Daneben wird es einen Bereich von verhinderbaren Kopien geben, wenn ein wirksamer Kopierschutz dafür entwickelt wird. Die Käufer und damit Rechteinhaber von CDs oder DVDs dürfen aber nicht gezwungen werden, den vorhandenen Schutz zu durchlöchern.
Die Instanzen der EU glauben, dem Interesse der breiten Öffentlichkeit schon dadurch Genüge getan zu haben, indem sie nur noch die analoge Kopiermöglichkeit offenliessen. Einer anschliessenden Redigitalisierung steht nach dieser Richtlinie nichts im Wege.
Sieht man sich die Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/29/EC in den erfolgten Novellierungen der einzelnen Urheberrechtsgesetze an, so sieht man, dass das Gegenteil dessen erreicht wurde, was die Gesetzgeber mit dieser Richtlinie bezweckt haben.
4.2.1 Die Anpassung des Urheberrechtsgesetzes der Republik Österreich
Der österreichische Gesetzgeber hat mit der letzten Anpassung den Artikel 90c für die aufgezeichneten Informationen geschaffen. Damit war das Urheberrecht an die entsprechende EU-Richtlinie angepasst. Das Urheberrechtsgesetz führt zwar den Begriff der technischen Massnahme ein, ohne zu definieren, welche Technologien darunter zu verstehen sind. Man hält sich somit streng an die deutschsprachige Formulierung der EU-Richtlinie.
Die Frage stellt sich, was unter einer «wirksamen technischen Massnahme im normalen Betrieb» zu verstehen ist. Noch fehlen einschlägige Urteile des Obersten Gerichtshofes, doch wird man nicht darum herumkommen, die Wirksamkeit sowohl vor als auch nach der Umgehung der technischen Massnahme zu prüfen.
Der österreichische Gesetzgeber wollte mit der Generalklausel alle jetzigen und künftigen Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile schützen, ohne diese näher in ihren technischen Einzelheiten zu definieren. Damit wird ein künftiger Anpassungsaufwand klein gehalten.
Der österreichische Gesetzgeber zieht damit die Grenzen enger als die entsprechende EU-Richtlinie in Artikel 6.
Mit dieser Formulierung im Gesetz wird aber die technische Festlegung in die Hände der Produzenten gelegt. Ob die Installation eines «Rootkits», wie in Deutschland geschehen, auf einer käuflich erworbenen DVD zulässig ist, muss damit vom Gericht geprüft werden. Die- se Prüfung verändert die Rechtebalance zwischen Werkurheber und Werknutzer aufs Entschiedenste. So muss künftig für jede einzelne Technologie eine höchstrichterliche Entscheidung gefällt werden, die zeigt, ob die jeweilige Technologie unter den Schutz des Urheberrechtsgesetzes fällt oder nicht.
Wie hier der Katalog der freien Werknutzung gemäss Artikel 42 durchgesetzt werden soll, insbesondere die Ausnahme betreffend öffentliche Sammlung, ist gegenwärtig noch bestgehütetes Geheimnis des Obersten Gerichtshofs. Es liegen noch keine diesbezüglichen Urteile vor. Der Oberste Gerichtshof hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung gezeigt, dass er sehr wohl den ihm zugestandenen Beurteilungsspielraum zu nutzen weiss. Die Urteile zum Verhältnis von Urheberrecht und der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit belegen diesSiehe die einschlägige Judikatur Schüssels Dornenkrone, Beschluss des OGH vom 3.10.2000, 4 Ob 224/00w, sowie Schüssels Dornenkrone II: OGH, Beschluss vom 20.5.2003, 4 Ob 100/03i UrhG § 57, EMRK Art. 10, und medienprofessor.at, : OGH, Urteil vom 12.6.2001, 4 Ob 127/01g EMRK Art. 10, UrhG §2, §46, §54..
4.2.2 Die Anpassung des deutschen Urheberrechts
Die Bundesrepublik Deutschland hat in der heute gültigen Fassung des Urheberrechts mit Artikel 95a Absatz 2 eine Definition festgelegt, was der deutsche Gesetzgeber unter «technischen Massnahmen» versteht:
«Technische Massnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken»2, 3.
Hervorzuheben ist, dass gemäss Artikel 95a Absatz 2 nur die technischen Massnahmen unter dem Schutz des Gesetzes stehen, die dazu dienen, nur die Werke zu schützen, die den Werk- begriff des deutschen Urheberrechts erfüllen. Werke, die diesen Urheberrechtsschutz nicht haben, können nach diesem Gesetz auch nicht durch technische Schutzmassnahmen geschützt werdenZustimmend: Dreyer Kotthoff, Mechel, Heidelberger Kommentar zum Urheberrecht, 2004 Heidelberg 2004..
Der Wortlaut des deutschen Gesetzestexts (Artikel 95a Absatz 2) entspricht dem Gesetzestext der EU-Richtlinie 2001/29/EC (Artikel 6 Absatz 4).
Der deutsche Gesetzgeber legt somit den Schwerpunkt auf die technischen Massnahmen der Zugangskontrolle, die nicht umgangen werden dürfen. Unklar bleibt, was denn eine «geeignete technische Massnahme» ist. Klar ist nur, dass darunter sowohl software- wie auch hardwarebasierte Zugangskontrollen unter den Schutz des Gesetzes fallen.
Wichtig dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass beim Einsatz von Altgeräten, die keine technischen Schutzmassnahmen ab Werk enthalten, auch nicht von Umgehung einer technischen Massnahme gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang stellt der Gesetzgeber auf das Wort «wirksam» ab. Keinen Schutz durch das deutsche Urheberrecht findet auch, wer klassische Noten von Mozart oder Beethoven im Internet feilbietet, die erst nach Bezahlung auf dem Internet von einer «technischen Massnahme» freigegeben werden
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http://www.bmj.bund.de/enid/57d23d050a7442f88332b62730b1aada,51519f6d6f6465092d09/BESONDERE_SEITEN/Startseite_2.html und http://www.kopien-brauchen-originale.de/enid/faq (zuletzt abgerufen am 30.1.2006).
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Das Justizministerium in Berlin hat bereits eine neue Anpassung des Urheberrechts (Referentenentwurf ) fertig gestellt. Man darf gespannt sein, ob der neue Entwurf die Klärung of- fener Fragen bringen wird11. Die Erläu- terungen im Referentenentwurf halten klar fest, dass es auch künftig keine Durchsetzung des Rechts auf Privatko- pie bei technischen Schutzmassnah- men geben wird12. Der Interessenaus- gleich zwischen Urhebern und Nutzern wird nicht gewährleistet, auch in Baga- tellfällen gilt dann Strafverfolgung13. Die «Kriminalisierung der Schulhöfe»14 kann womöglich in der Parlamentsbe- ratung noch abgewendet werden15.
4.2.3 Das dänische Urheberrechtsgesetz
Auch das dänische Urheberrechtsge- setz16, ähnlich dem österreichischen Urheberrechtsgesetz, verzichtet auf eine Definition, was unter einer geeig- neten technischen Massnahme zu ver- stehen sei.
Artikel 75c Absatz 4 definiert die geeignete technische Massnahme als «any (...) measures, that, in the normal course of their operation, are designed to protected works and performances and productions, etc. protected under this act».
Das dänische Gesetz nennt keine Verfahren ausdrücklich beim Namen. Es stellt also Massnahmen der Zu- gangskontrolle und Massnahmen, die den Kopiervorgang verhindern sollen, unter den Schutz des dänischen Urhe- berrechts.
Diese Differenz zur deutschen Ge- setzgebung hat ihren Ursprung in der unterschiedlichen Übersetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in die deutsche und dänische Sprache17.
Es sei hier aber auch festgehalten, dass dem skandinavischen Rechtsver- ständnis der Schutz von Software zur Zugangskontrolle oder gar Software zur Kontrolle des Einzelgebrauchs durch den Nutzer, wie etwa bei Win- dows Media Players, zuwiderläuft. Der Ländercode als «geeignete technische Massnahme» wird deshalb in Däne- mark nicht geschützt18.
5 Rechtliche Urheberregelungen ausgesuchter Länder ausserhalb der Europäischen Union
5.1 Die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika
Das Urheberrecht war 1998 die erste nationale Anpassung, die nach dem Abschluss der WIPO-Verträge entstanden ist, und es hat in der Folge viele andere Gesetzgeber in der Welt beeinflusst. Dies war sicher eine Wegmarke für die EU-Richtlinie wie auch für die entsprechenden Novellierungen in Australien und Chile.
Der «Digital Millennium Copyright Act» (DMCA) aus dem Jahr 19984, 5regelt in Kapitel 12, Section 1201 und 1202, die Umgehung von Kopierschutzmassnahmen und Rechteverwaltungssystemen im Detail. Die einzelnen geeigneten technischen Massnahmen werden enumerativ aufgezählt und beschrieben. In den Sections 1203 und 1204 werden die zivilrechtlichen Ansprüche bei Umgehung dieser technischen Massnahmen sowie die diesbezüglichen Strafrechtsbestimmungen geregelt.
Ganz deutlich wird hier der Einfluss der Lobbying-Politik von grossen Wirtschaftsverbänden wie der Motion Picture Association (MPAA) und der Recording Industry Association of America (RIAA).
Wurde im analogen Zeitalter im amerikanischen Urheberrecht noch auf einen Interessenausgleich zwischen Konsumenten und Produzenten geachtet und in Gesetzgebung und Rechtsprechung unter dem Begriff des «Fair Use» konkretisiert, so hat sich im digitalen Zeitalter der Schutz der Rechte eindeutig zugunsten der Produzenten verlagert.
Wie die Politik der Strafverfolgungsbehörden im Fall Dimitry Sklyarov in den USA gezeigt hat, ist bereits die intellektuelle Auseinandersetzung mit Dingen, die die Industrie als technische Schutzverfahren betrachtet, unter Strafe gestellt.
Dimitry SklyarovSiehe Artikel Brave GNU World von Georg C. F. Greve, erschienen im Linux-Magazin 02/2003, München 2003.ist Mitautor eines Programms, mit dem Texte zwischen zwei Formaten konvertiert werden können, von denen eines in den Augen der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden als technische Schutzmassnahme gilt. Am Rande einer Konferenz in Las Vegas wurde er festgenommen und einige Zeit später gegen eine Kaution von 50 000 Dollar auf freien Fuss gesetzt.
Das bereits erwähnte «Fair Use»-Prinzip wurde von der anglosächsischen Gesetzgebung und Rechtsprechung entwickeltSiehe die sehr guten Erläuterungen der Stanford University Libraries, http://fairuse.stanford.edu/Copyright_and_Fair_Use_Overview/chapter9/index.html , (zuletzt abgefragt am 5.6.2006).. Das «Fair Use»- Prinzip lässt in bestimmten Situationen den Gebrauch rechtlich geschützten Materials ohne Einwilligung der Werkurheber zu, so etwa beim Zitieren in einem anderen Werk, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sindSiehe den Grundsatzentscheid Folsom v. Marsh, 6, wie etwa, dass es sich um ein Zitat in einem Buch handelt oder für schulische Zwecke gebraucht wird. Unter diese Ausnahme fällt etwa auch die ParodieSiehe den Fall 2003 9th Circuit case Mattel Inc. v. Walking Mountain Productions, jedoch innerhalb gewisser Grenzen, wie der Fall Rogers v. Koons, , 960 F.2d 301 (2d Cir. 1992) gezeigt hat.. Ein ausführlicherer Überblick zum «Fair Use» findet sich auf einer entsprechenden Webseite der University of Texassiehe http://www.utsystem.edu/OGC/intellectualProperty/copypol2.htm#perm , 7.
Im Fall von Dimitry Sklyarov wird eine wichtige Veränderung in der amerikanischen Rechtsprechung zum Urheberrecht deutlich: Nicht mehr nur etwas Illegales zu tun, ist strafbar, sondern bereits etwas zu tun, zu schreiben oder zu sagen, das ein Dritter unter Umständen dazu benutzen könnte, um etwas Illegales zu tun.
Dies hat auch für das künftige Betriebssystem von Microsoft Konsequenzen. Sicherheitslücken, die bis anhin von Nutzern des Systems festgestellt wurden, werden künftig nicht mehr in Benutzerforen und Fachzeitschriften besprochen werden können, sofern sie die DRM-Module von Vista betreffen. Microsoft wird daher auch langsamer mit Patches und Updates zum Herunterladen reagieren können.
Der 15-jährige Norweger Jon Lech Johanson wurde auf Ersuchen der amerikanischen DVD Copy Control Association (DVD-CCA) und der Motion Picture Association (MPAA) in Norwegen vor Gericht gestellt, weil er mit zwei anonym gebliebenen Hackern eine Software entwickelte, mit der die Verschlüsselung von DVDs geknackt werden konnte.
Das Verfahren um seine von ihm mitentwickelte Software DeCSS begann im Jahr 2002. Nach damaligem norwegischem Urheberrecht durfte der Eigentümer einer legal erworbenen DVD für sich den Zugriff auf die verschlüsselten Daten ermöglichen, solange eine damit erstellte Kopie der DVD ausschliesslich seinem privaten Gebrauch diente.
Das Verfahren zog sich über zwei Instanzen hin, bevor es zu einem Freispruch kam.
Beide Fälle zeigen zwei wichtige Trends im Umgang mit dem amerikanischen Urheberrecht auf:
– Zum einen, dass bereits intellektuelle Ausführungen an einer Konferenz, die unter Umständen durch Dritte für illegales Tun verwendet werden könnten, als strafbar gelten.
– Zum anderen, dass sich das amerikanische Urheberrecht nicht an die Jurisdiktion hält, sondern geneigt ist, auch in anderen Rechtskulturen ihren Vorstellungen von Urheberrecht Nachachtung zu verschaffen.
5.2 Die gegenwärtige Anpassung des schweizerischen Urheberrechts
Das gegenwärtig gültige UrheberrechtsgesetzBundesgesetz über das Urheberrecht und artverwandte Schutzrechte vom 9.10.1992 SR 231.1.kennt keinen Schutz von technisch geeigneten Massnahmen, wie es die WIPO-Verträge verlangen. Es ist auch nur auf analoge Technologien ausgerichtet. Die Schweiz hat jedoch eine Anpassung des Urheberrechts (E-URG)Siehe Botschaft des Bundesrats über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und die Abänderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10.3.2006.in Arbeit. Der ausgearbeitete Entwurf wurde in die Vernehmlassung gegeben. Im März dieses Jahres veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft. Die zuständige Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat dieser Botschaft in grossen Teilen zugestimmt. Eine überarbeitete Version des Gesetzestextes wird kommissionsintern neu formuliert. Im Einzelnen sieht die Botschaft des Bundesrates vor:
Technische Massnahmen der Zugangskontrolle und der Verwendungskontrolle werden unter den Schutz des Gesetzes gestellt. Dies gilt jedoch nur so lange, wie die gesetzliche Schutzdauer für urheberrechtliche Werke gilt (Artikel 39a E-URG).
Es verlangt von den Produzenten eine deutliche Kenntlichmachung der Eigenschaft einer technischen Massnahme und die Bekanntgabe des Urhebers dieser Massnahme. Im Weiteren muss die technische Massnahme den Zugang zum unverschlüsselten Inhalt für durch das Gesetz autorisierte Personen mit entsprechenden technischen Gegenmassnahmen ermöglichen (Artikel 39b E-URG).
Interessant ist der Absatz 3 dieses Artikels, wo der Bundesrat sich über eine Kann-Formulierung die Türe für weitergehende Regelungen offenlässt, sofern sie im öffentlichen Interesse sind.
Die mittels einer technischen Massnahme gewonnenen Informationen werden unter Schutz gestellt. Jegliche Löschung oder Veränderung dieser Informationen ist verboten (Artikel 39c E-URG).
Berechtigte Nutzer erhalten das Recht, vor Gericht eine Aufhebung der technischen Massnahme verlangen zu können (Artikel 69 E-URG Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 39b E-URG).
Mit dieser Regelung hat sich der schweizerische Gesetzgeber grosszügig im Fundus bereits existierender amerikanischer und europäischer Urheberrechtsgesetze bedient, ohne einen Gedanken an deren effektive Durchsetzung zu verschwenden.
Gesetzt den Fall, ein nach schweizerischem Urheberrecht berechtigter Endanwender verlangt gerichtlich von einem amerikanischen Software-Produzenten, beispielsweise von Microsoft, die Aufhebung von Protected Video Path (PVP) oder Protected User Mode Audio (PUMA) in seinem Betriebssystem, würde sich dieser amerikanische Software-Hersteller für die Aufhebung des technischen Schutzes nach amerikanischem Recht strafbar machen. Dies liegt daran, dass die amerikanische Gesetzgebung nur viel enger gefasste Ausnahmebestimmungen kennt. Die effektive Durchsetzbarkeit der gerichtlichen Forderung wäre für einen berechtigten Schweizer Endnutzer nicht möglich.
Es ist betriebswirtschaftlich wohl kaum zu vertreten, dass für den kleinen Schweizer Markt spezielle Software-Versionen produziert werden, die dem schweizerischen Urheberrecht genügen.
Vor dem Europäischen Gerichtshof findet gegenwärtig ein Prozess gegen Microsoft zur Frage statt, ob Microsoft für den Markt der Europäischen Gemeinschaft das Betriebssystem auch in einer Version ohne Windows Media Player anbieten muss. Das Urteil wird für Ende Jahr erwartet.
Wie bereits erwähnt, sind die Beratungen in der vorberatenden Ständeratskommission im Gange. Die durch den Bundesrat veröffentlichte Vorlage sieht unter anderem die Anerkennung des Rechts vor, geschützte Werke über das Internet zugänglich zu machen, sowie ein Verbot, technische Massnahmen wie Kopiersperren zu umgehen.
Es werden neue urheberrechtliche Einschränkungen formuliert, die den aktuellen Bedürfnissen der Werknutzenden und Konsumentinnen und Konsumenten Rechnung tragen sollen.
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates ist mit den gemachten Vorschlägen des Bundesrates weitgehend einverstanden. Eine Minderheit der Kommission beantragt, das Gesetz so zu ergänzen, dass die Werknutzenden nur eine Entschädigung pro Nutzung zu entrichten haben. Die Kommission hat sich an ihrer Sitzung im November noch mit einigen offenen Fragen zu den Rechten der Sendeunternehmen befasst. Auf den weiteren Verlauf der parlamentarischen Beratung in den Räten darf man gespannt sein.
6 Vorläufiges Fazit oder: erste Belebung toter Winkel?
Ein Vergleich der verschiedenen Urheberrechtsgesetze der letzten zehn Jahre zeigt, dass der Interessenausgleich zwischen Konsumenten und Urhebern im digitalen Zeitalter noch nicht gelungen ist.
Ein «Fair Use», wie es die angelsächsische Rechtsprechung für analoge Technologien entwickelt hatte, fehlt. Das Recht auf Privatkopie für digitale Werke wird stark eingeschränkt beziehungsweise praktisch verunmöglicht. Die amerikanische Gesetzgebung dominiert aufgrund der globalen marktwirtschaftlichen Verhältnisse in den Regelungsbereichen Software, Audio und Video die urheberrechtliche Gesetzgebung, wie die Anpassung der französischen Gesetzgebung in diesem Jahr gezeigt hat.
Dass neue Technologien eine lange Zeit erfordern, bis es zu zufrieden stellenden urheberrechtlichen Regelungen kommt, ist bekannt. Dies ist in der Geschichte der Urheberrechtsgesetzgebung nichts Neues, wie die Entwicklungsgeschichte bei der Pauschalabgaberegelung bei Fotokopierern vorgeführt hat.
Die Umsetzung der Richtlinie 2001/ 29/EG der Europäischen Gemeinschaft in nationales Recht hat gezeigt, dass zwar die Objekte der Anpassung der urheberrechtlichen Regelung genannt wurden, dass aber deren Umsetzung sehr unterschiedlich ausgefallen ist, sodass schon von einer Rechtsungleichheit im gemeinsamen europäischen Raum gesprochen werden muss, wenn man die strikten Regelungen des neuen deutschen Referentenentwurfs dem wesentlich liberaleren dänischen Pendant gegenüberstellt.
Als Reaktion auf die Urheberrechtsgesetzgebung in den USA ist dort die «Creative Common Licence»-Bewegung entstanden. Sie hat erste Nachahmer in Europa gefunden. So etwa in Deutschland, Frankreich, Österreich und seit kurzer Zeit auch in der Schweiz. Man darf auf die weitere Entwicklung dieser Rechtsform gespannt sein. Als Mittelweg zwischen Laissez faire und Überregulierung könnte sie einen Lösungsweg aufzeigen, der Eingang in die Gesetzgebung finden könnte.
Bedenklich ist die Tendenz, nationalem Recht ausserhalb seines Geltungsbereichs zum Durchbruch verhelfen zu wollen. Drastische einseitige Veränderungen im Rechteausgleich zwischen Konsumenten, Produzenten und Vermittlern fördern nur die Umgehung technischer Massnahmen und der sie schützenden Gesetze.
Eine wirksame Regelung muss die juristischen, wirtschaftlichen und technischen Massnahmen in einem ausgewogenen Gesamtkonzept umfassen. Dieses Vorhaben wurde erst begonnen, noch bei weitem nicht umgesetzt.
Das Schweizer Parlament wird wohl in seiner gesetzgeberischen Arbeit von der Realität des neuen Betriebssystems aus Redmond überholt werden.
Was auch zu Bern legiferiert werden wird, die technische Realität hat diese Beratungen bereits überholt.
Ab nächstem Jahr wird mit der Auslieferung von neuen PC und dem Betriebssystem Vista der Graben zwischen parlamentarischem Wunschdenken im Urheberrecht und der technischen Alltagsrealität noch tiefer werden.
Für viele Nutzer der «Personal Computer» wird der PC etwas weniger «personal»werden.
Die Existenz dieser toten Winkel ist unter Fachleuten erkannt, sie sind aber von den Standesvertretern und Standesvertreterinnen in Bern bis jetzt nur vage zur Kenntnis genommen worden. Allfällig offenbleibende Fragen zu DRM werden elegant mit dem Hinweis auf eine künftige Überarbeitung des Wettbewerbsrechts ad acta gelegt werden.
- 1 2/06.
- 2 http://bundesrecht.juris.de/urhg/BJNR012730965.html
- 3 (zuletzt besucht am 1.11.2006).
- 4 http://www.copyright.gov/legis...
- 5 (zuletzt recherchiert am 2.11.2006).
- 6 , 9 F.Cas. 342 (1841) der amerikanischen Rechtsprechung.
- 7 (zuletzt recherchiert am 6.6.2006).