Kommentare Abstract
2025/1 Materialität der Archive

Editorial

Kommentare Abstract

In Zeiten der rasant fortschreitenden Digitalisierung scheint die physische Materialität der Archive auf den ersten Blick zu verschwinden. Doch schon auf den zweiten Blick wird deutlich, dass sich die Materialität der Archive transformiert: Zum einen sind natürlich grosse Teile heutiger Archive immer noch physisch vorhanden und decken dabei eine grosse Spannbreite von Materialitäten ab - von Urkunden auf Pergament bis Glasnegativen. Zum andern werden diese physisch greifbaren Archivalien zunehmend ergänzt durch digitales Archivgut, welches im Server wiederum letztlich ebenfalls einen physischen Kern hat, für den auch bereits Alternativen diskutiert werden.

Die aktuelle Ausgabe von arbido wirft Schlaglichter auf die verschiedenen Aspekte der Materialisierung und Dematerialisierung von Archiven. In ihrem einleitenden Beitrag plädiert Roth dafür, dem Wandel, den Archivalien im Zuge der archivarischen Erschliessung durchlaufen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Der anschliessend besprochene Sammelband The Materiality of the Archive: Creative Practice in Context, herausgegeben unter anderem von Breakell, beschäftigt sich ebenfalls mit der Materialität des Archivs, indem er sich mit der Materialitätsdiskussion anderer Disziplinen auseinandersetzt. Die in den nachfolgenden Beiträgen vorgestellten Projekte legen den Fokus auf die Dematerialisierung durch Digitalisierung. So stellt Huber ein Projekt aus dem Stadtarchiv Locarno zur Archivierung und digitalen Verwaltung von Dokumenten vor. Auch in dem von Fornaro vorgestellten SNF-Projekt PIA geht es um die digitale Erweiterung traditioneller Materialität: Es untersucht, wie historische Fotosammlungen digital erschlossen und durch partizipative Ansätze erweitert werden können. In eine ähnliche Stossrichtung geht das Projekt Crimes et châtiments des Archivs des ehemaligen Fürstbistum Basel (AAEB) vor, mit welchem das Archiv laut Rebetez eine Vorreiterrolle in der Entwicklung eines Modells für automatische Transkriptionen deutscher und französischer Texte aus dem 16. und 17. Jahrhundert einnehmen möchte. Das von Burgi präsentierte DNAMIC-Projekt DNA Microfactory for Autonomous Archiving eröffnet schliesslich eine weitere Zukunftsvision, denn es hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2026 einen Prototypen zu entwickeln, der die Archivierung von Dokumenten in DNA automatisiert und sich dabei die unübertroffene Informationsdichte, die Langlebigkeit, den sehr geringen Energieverbrauch und die Unvergänglichkeit dieses Moleküls, des Bausteins des Lebens, zunutze macht. Eine parallel zur DNA-Technologie sich entwickelnde Idee ist die von Bühlmann präsentierte Piql- und Cerabyte-Technologie, die darauf abzielt, die üblichen Sicherungsmethoden wie das Datenzentrum von Magnetbandbibliotheken zu ersetzen, sei es vor Ort oder durch Cloud Computing.

Ackermann Nadja

Nadja Ackermann

Nadja Ackermann studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Bern, wo sie 2019 promovierte. 2023/2024 absolvierte sie den CAS "Digitale Trends in den Informationswissenschaften" an der Fachhochschule Graubünden (FHGR). Seit 2020 ist Nadja Ackermannwissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Privatarchive in der Burgerbibliothek Bern, wo sie für die Firmenarchive zuständig ist. Seit 2024 ist sie Redaktionsmitglied von arbido.