Podiumsdiskussion
An der VSA-Tagung 2024 folgte auf die vier Fachbeiträge eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen am Archivzugang involvierten Stakeholdern. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Diskussionspunkte.
Zu Beginn der von Daniel Nerlich (Archiv für Zeitgeschichte ETH Zürich) moderierten Diskussion erhielten alle Teilnehmenden fünf Minuten Zeit, ihren Standpunkt darzulegen.
Den Auftakt machte die Zeithistorikerin Monika Dommann (Universität Zürich). Sie plädierte für einen uneingeschränkten Archivzugang für Forschende, die im Gegenzug den Datenschutz zu gewährleisten hätten. Für Letzteres sei eine technische Aufrüstung der Universitäten notwendig, welche eine sichere Speicherung sensibler Daten garantieren könne. Einen nur temporären Archivzugang etwa im Rahmen eines Forschungsprojekts lehnte Dommann ab, da er dem Prinzip der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit widerspräche.
Als Zweite sprach mit Fabienne Lutz Studer (Staatsarchiv Wallis) eine Vertreterin der Staatsarchive. Sie stehe einem Forschungsprivileg kritisch gegenüber und plädiere für einen gleichen Archivzugang für alle. Sodann warf Lutz Studer die Frage auf, ob in der aktuellen Diskussion nicht aus einer Mücke einen Elefant gemacht würde, da doch nur sehr wenige Gesuche auf Akteneinsicht abgelehnt würden. So wurden etwa im Staatsarchiv Wallis in den letzten zwölf Jahren lediglich zwei von 200 eingereichten Gesuchen abgelehnt. Möglicherweise gäbe es, so Lutz Studer, mehr abgelehnte Gesuchte in kleineren Archiven ohne juristischen Beistand, die Gesuch eher aus Übervorsicht ablehnten.
Dass der extrem fragmentierte und unvollständige gesetzlichen Rahmen unweigerlich Unsicherheit in der alltäglichen Auslegung der Normen mit sich bringe, dem pflichtete auch der Jurist Bertil Cottier (Università de la Svizzera Italiana) bei. Teilweise brächten Bundesgerichtsentscheide etwas mehr Klarheit. Um dem Problem jedoch nachhaltig zu begegnen, brauche es hingegen, so Cottier, genauere Gesetze, welche unter anderem Kriterien für die Freigabe von Akten enthielten.
Niels Viggo Haueter (Swiss Re) sprach in der Rolle eines Firmenarchivars und erinnerte daran, dass insbesondere international vernetzte Firmen bei der Herausgabe ihrer Akten die Gesetzgebung anderer Staaten wie etwa der USA im Blick behalten müssten.
Als Letzter legte der Historiker Sacha Zala (SGG/SSH) seinen Standpunkt dar. Er wiederholte, dass die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG) kein Forschungsmonopol fordere, sondern vielmehr die Prüfung des Zweckes, wobei der Forschungszweck ein genügender Grund für die Bewilligung eines Einsichtsgesuches sei. Auch Zala betonte, dass die Forschenden im Gegenzug in die Pflicht genommen werden müssten, den Datenschutz einzuhalten. Weiter wies Zala darauf hin, dass es keine absolute Kontrolle gäbe: Die Informationen seien meist nicht nur in einer Quelle überliefert. Zuletzt gab der Historiker zu bedenken, dass es gerade mit Blick auf die Digitalisierung neue technische Möglichkeiten des Datenschutzes gäbe, weshalb nicht immer eine absolute Schutzfrist von 120 Jahren notwendig sei.
Auf die Darlegung der einzelnen Standpunkte wurde die Diskussion geöffnet, wobei allerdings weniger ein Dialog zustande kam, als eher nochmals die eigenen Positionen geklärt bzw. ergänzt wurden. Dommann forderte nochmals ein Forschungsprivileg ein, da die Einbindung der Forschenden in eine Institution bereits eine datenschutzkonforme Herangehensweise garantiere, gehe es in den Projekten doch meist nicht um den Einzelfall. Lutz Studer sprach sich eher gegen ein Forschungsprivileg aus und forderte vielmehr erneut den gleichen Zugang für alle. Sie betonte zugleich, dass es nicht die Aufgabe der Archive sei, zu schauen, was mit den Daten geschehe, sondern dass der Datenschutz vielmehr die Einsehenden verpflichte. Cottier warf ein, dass die aktuelle Diskussion bald um einen weiteren Akteur erweitert werden müsse: die künstliche Intelligenz (KI). Zala betonte seinerseits, dass die Schutzfristen die Forschung nicht verunmöglichen sollten, sondern da zu schützen hätten, wo es notwendig sei. Er wies auch darauf hin, dass der Rechtsweg für Forschende aus Kostengründen keine gangbare Option sei und dass viele Akten heute unrechtmässig nicht zugänglich seien.
Daraufhin wurde aus dem Saal eingeworfen, dass gerade aufgrund der (Retro-)Digitalisierung Archivgut heute so einfach zugänglich sei wie noch nie zuvor. Die aktuelle Diskussion um den Archivzugang dürfe, so die Wortmeldung weiter, das Bild nicht verzerren. Zala erwiderte darauf, dass es wichtig sei, in den Katalogen sehen zu können, was in diesen online sichtbar sei und was eben nicht, um die Forschungsresultate nicht zu verfälschen. Abschliessend hielt Cottier fest, dass die Diskussion weniger mit Etiketten und fixen Rollen arbeiten sollte, als dass es darum gehe, Grenzen zu überwinden, um das Recht am Zugang allen sicherzustellen und zugleich zu gewährleisten, dass niemand zu Schaden kommt.
Im Anschluss an die Diskussion zog Martin Akeret (UZH Archiv) ein kurzes Fazit, in dem er neben einer Zusammenfassung der Tagung auch resümierte, dass nicht nur der Dialog mit den Juristen intensiviert werden müsste, sondern dass zugleich der Dialog mit einem Akteur gesucht werden müsse, der an der VSA-Fachtagung nicht vertreten gewesen sei: die Politik. Akeret legte nahe, dass die anwesenden Akteure ihren Standpunkt bzw. ihren gemeinsamen Nenner stärker gemeinsam gegenüber der Politik vertreten müssten.
Abstract
- Deutsch
- Français
Auf die vier Vorträge der VSA-Fachtagung 2024 folgte eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen am Archivzugang involvierten Stakeholdern. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Diskussionsinhalte.
Les quatre conférences du colloque 2024 ont été suivies d'une table ronde avec des représentants des différentes parties prenantes impliquées dans l'accès aux archives. L'article suivant donne un bref aperçu du contenu de la discussion.