Interview mit der KOST-Geschäftsstelle zum 20-jährigen Jubiläum
Die Leiterin der Geschäftsstelle Isabelle Mehte stellt die Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) in einem Interview kurz vor.
Wer ist die KOST?
Die Koordinationsstelle der dauerhaften Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) ist ein Gemeinschaftsunternehmen von mittlerweile 31 Archiven der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein. Konkret zählen zwei Landesarchive (Schweizerisches Bundesarchiv, Landesarchiv Fürstentum Liechtenstein), die meisten kantonalen Archive, ein paar kommunale Archive und ein Hochschularchiv zu unseren Mitgliedern. Die KOST ging aus einer Initiative des Vereins Schweizerischer Archivar:innen (VSA) und der Archivdirektorenkonferenz (ADK) hervor und setzte die Empfehlung einer 2002 gemeinsam in Auftrag gegebenen Strategiestudie um, indem eine Koordinations- und Beratungsstelle für die digitale Archivierung geschaffen wurde. Die Gründerarchive ratifizierten 2003 die Verwaltungsvereinbarung und ein Jahr später, als die Geschäftsstelle die operative Tätigkeit aufnahm, umfasste die Mitgliederliste bereits 20 Archive.
Wie ist die KOST strukturiert?
Als oberstes Gremium im Sinne einer Generalversammlung mit Vertreterinnen und Vertretern aller Mitglieder fungiert die Aufsichtskommission. Sie genehmigt das Betriebsreglement, das Budget, die Rechnung, die Jahresplanung und den Jahresbericht sowie die einzelnen Projekte und entscheidet über die Aufnahme neuer Träger. Sie wählt ebenfalls den Steuerungsausschuss und dessen Vorsitzende/n. Der Steuerungssauschuss entspricht einem Verwaltungsrat und setzt sich aktuell aus fünf Vertreterinnen und Vertretern der Trägerarchive zusammen. Er ist für die strategische und operative Steuerung verantwortlich. Die operativen Tätigkeiten werden durch die Geschäftsstelle wahrgenommen, die erste Anlaufstelle für die Trägerarchive ist und bei welcher die Informationen zusammenfliessen.
Wie viele Mitarbeitende umfasst die Geschäftsstelle der KOST und wer arbeitet dort?
In der Geschäftsstelle sind drei Personen beschäftigt, die insgesamt 1.9 Vollzeitstellen abdecken und unterschiedliche Disziplinen wie Archivwissenschaft, Informationsmanagement, Softwareentwicklung und Projektmanagement vereinen. Ich bin Geschäftsstellenleiterin und bringe Berufserfahrung als Projektleiterin für Records Management/GEVER/Ablieferungsprozesse aus einem staatlichen Archiv und aus der Privatwirtschaft mit. Somit kenne ich die Prozesse und Anforderungen aus Records Management- und Archivsicht. Als Anwenderin arbeitete ich bereits länger mit den Tools, Standards und Konzepten der KOST, was die Einarbeitung bei der Geschäftsstelle wesentlich erleichterte. Von der Ausbildung her bin ich aber keine Informatikerin, weshalb ich auf die Kompetenzen meiner beiden Mitarbeitenden angewiesen bin, die einen Informatikhintergrund mitbringen. So kommen Kenntnisse über Archivinformatik, Softwareentwicklung, Ingenieurwissen, Spezialwissen zu Dateiformaten usw. in einem interdisziplinären Team zusammen.
Welche Produkte oder Dienstleistungen bietet die KOST an?
Wir begleiten Projekte von mehreren Trägerarchiven, die z.B. aus demselben System digitale Ablieferungen realisieren möchten, wie zum Beispiel die Projekte «TAXAR» zur Archivierung elektronischer Steuerdaten und -akten der Kantone, «Dateiablage» zum Prozess bei der Archivierung von Dateiablagen, «Betreibung und Konkurs» zur Archivierung aus einem Fallführungssystem der Betreibung- und Konkursämter oder «Digitale Signaturen» zur Übernahme und Langzeitarchivierung von digital signierten Unterlagen.
Wir erarbeiten Konzepte und Standards, z.B. den Katalog archivischer Dateiformate (KaD), dessen erste Version 2007 erschien und der bis heute zusammen mit einer Expertengruppe im Sinne des Preservation Plannings weiterentwickelt wird. Darin werden ausgewählte Dateiformate detailliert analysiert und eine Empfehlung zu deren Archivtauglichkeit abgegeben. Der Katalog hat sich in der Welt der Archivierung zu einer geschätzten und bekannten Referenz entwickelt.
Vielfältige Publikationen wie die Minimalanforderungen an Records Management Systeme oder an ein digitales Langzeitarchiv, Studien zu einzelnen Formaten oder spezifischen Fragestellungen bieten eine weitere wertvolle Wissensquelle für die Archive. Aktuell erarbeiten wir ein generisches Merkblatt zu Ablieferungen aus Fachanwendungen, das Erkenntnisse aus diversen KOST-Projekten und Erfahrungen aus meiner Tätigkeit in diesem Bereich an der Schnittstelle zwischen Fachamt und Archiv zusammenfasst.
Über die eCH-Fachgruppe digitale Archivierung, deren Leitung die KOST Geschäftsstelle innehat, entstanden breit eingesetzte Standards wie eCH-0160 über die Spezifikation einer archivischen Ablieferungsschnittstelle oder eCH-0164 zum Lebenszyklusmodell für Geschäfte, der sich aktuell in Überarbeitung befindet, um die mittlerweile heterogene Landschaft an Datenführenden Systemen abbilden zu können.
Wir organisieren Veranstaltungen zu verschiedenen Themenschwerpunkten und bieten seit letztem Jahr auch Weiterbildungen zur Einführung in die digitale Archivierung an, um Archivarinnen und Archivare digital fitter zu machen. Des Weiteren stellen wir ein Tool-Paket für diverse Hilfsarbeiten bei den archivischen Prozessen zur Verfügung. Darin enthalten sind die KOST-Eigenentwicklung zur Validierung von Dateiformaten und SIPs gemäss eCH-0160-Spezifikation (KOST-Val) sowie Drittprodukte zur Formaterkennung und zum SIP Handling.
Um die Archivierung aus Fachanwendungen, in denen Daten von mehreren staatlichen Ebenen verarbeitet werden, sicherzustellen, wurde 2022 auf Antrag der ADK das Koordinationsgremium ebenenübergreifende Informationssysteme (Ebis) gegründet. Die KOST vermittelt zwischen den staatlichen Ebenen betreffend der archivischen Bewertung und Zuständigkeit für die Archivierung der betroffenen Unterlagen und Daten. Aus solchen Vorabklärungen können wiederum Projekte zur Spezifizierung und Implementierung von geeigneten Schnittstellen hervorgehen. Und last but not least, unterstützt die Geschäftsstelle ihre Träger einzeln beratend in allen Fragen der Archivierung digitaler Unterlagen.
Mit wenig Ressourcen bieten wir so eine sehr breite Palette an Dienstleistungen an, die jährlich anhand einer detaillierten Massnahmenplanung auf die Bedürfnisse der Träger abgestimmt wird.
Wer kann wie Mitglied werden und was kostet eine Mitgliedschaft?
Grundsätzlich können alle Institutionen mit einem Auftrag zum Betrieb eines öffentlich zugänglichen Archivs der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein Mitglied werden. Ein Beitritt ist immer auf Beginn eines Kalenderjahres möglich.
Die Mitgliedschaft setzt sich aus einem für alle gleichen Sockelbeitrag sowie einem Beitrag, der aufgrund der Einwohnerzahl des Kantons oder der Stadt bzw. bei einer Institution auf Basis der Etatstellen berechnet wird, zusammen. Interessierte können sich gerne bei mir oder dem Präsidenten der Aufsichtskommission, Reto Weiss (Staatsarchiv Graubünden), melden.
Was ist der Mehrwert einer Mitgliedschaft?
Neben der Mitsprache in der Aufsichtskommission bei der strategischen Ausrichtung, Planung und Priorisierung von Themen, Massnahmen und Projekten profitieren die Mitgliederarchive von exklusiven Dienstleistungen: Ergebnisse und Erfahrungen aus gemeinsam durchgeführten Projekten werden geteilt und das Wissen in die Community weitergetragen.
Die KOST bietet eine Plattform für Netzwerk und Austausch mit anderen Trägerarchiven an, indem sie Erhebungen z.B. über eine jährliche Umfrage bei allen KOST-Archiven durchführt und im Mitgliederbereich ihrer Website publiziert. Auch die oben erwähnte Weiterbildung zur Einführung in die digitale Archivierung oder Veranstaltungen zu spezifischen Themen wie Formate oder Tools sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Trägerarchive vorbehalten. Darüber hinaus kann jedes Mitgliedarchiv pro Jahr 16 Stunden Dienstleistungen der KOST- Geschäftsstelle für individuelle Beratungen oder Reviews beziehen. Das Software-Paket KOST-Tools ist auf Github als Open-Source-Software frei verfügbar, aber der Support durch die Geschäftsstelle bei Fragen und Problemen bei Installation und Anwendung können nur die Trägerarchive kostenlos in Anspruch nehmen.
Wo erwartet die KOST in den nächsten zehn Jahren die grössten Veränderungen in der Archivwelt und bei ihrer eigenen Tätigkeit?
Obwohl die KOST dieses Jahr schon ihr 20-jähriges Bestehen feiert, ist die digitale Archivierung im grossen Stil mit allen Funktionsbereichen gemäss OAIS-Modell erst in den letzten Jahren in der Breite angekommen, da der Wechsel auf das digitale Primat in den Verwaltungen – zumindest bei den traditionellen Lebenszyklusmodellen – erst mit Verzögerung (Stichwort: Ablieferungs- und Aufbewahrungsfristen) Einfluss auf die Archivierung nimmt.
Wo die KOST früher Wegbereiter für erste Konzepte und Proof of Concepts war, muss nun stärker auf Kooperation und Vernetzung zwischen den Archiven und relevanten Communities gesetzt werden, um die vielfältigen Aufgaben meistern und mit der rasanten Technologieentwicklung mithalten zu können. Darauf hat der Steuerungsausschuss reagiert und eine Strategie mit einem Massnahmenkatalog erarbeitet, die die Leitplanken für die Periode 2022-2026 vorgibt. Zusätzlich wird ab 2024 neu ein Fachbeirat aus mehreren Expertinnen und Experten aus verwandten Disziplinen eingesetzt, um im Sinne eines Innovationsradars Inputs zu neuen Entwicklungen zu liefern sowie Themen einzuordnen und zu priorisieren.
Die verschiedenen Aufgaben und Produkte werden thematisch noch besser aufeinander abgestimmt. So ist geplant, dass z.B. Videoformate detaillierter im KaD beschrieben, anschliessend entsprechende Features in KOST-Tools integriert und darauf aufbauend gezielte Veranstaltungen oder Schulungen ausgerichtet werden.
Es lässt sich auch feststellen, dass sich mit der produktiven Einführung der digitalen Archivierung die Zuständigkeiten und somit das Wissen von einzelnen Archivinformatikerinnen und -informatikern bei unseren Trägern immer mehr zu weiteren Archivmitarbeitenden verlagern, weshalb die Wissensvermittlung für die KOST eine hohe Priorität hat.
Mit der Digitalisierung der archivinternen Prozesse müssen sich die relevanten Systeme in Richtung Automatisierung und Massenverarbeitung entwickeln. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten in Bereich Informationssicherung und -auswertung, Datenextraktion für die Erschliessung, Recherche und Visualisierung. Gleichzeitig müssen archivische Konzepte und Denkweisen an die technologischen Realitäten angepasst werden. Ich erwähne in diesem Zusammenhang den internationalen Standard für die archivische Erschliessung Records in Context (RiC) oder Tools mit künstlicher Intelligenz für die Erschliessung und Recherche.
Selbstverständlich beeinflussen auch die heute in der Verwaltung während der aktiven Phase verwendeten kollaborativen Systeme wie M365 oder komplexe Fachanwendungen die Ablieferungsprozesse der Archive. Um die archivwürdigen Daten aus solchen heterogenen Systemlandschaften zu sichern, sind neue Modelle gefragt.
Abstract
- Français
- Deutsch
Le Centre de coordination pour l'archivage à long terme de documents électroniques (CECO) fête son vingtième anniversaire. La directrice du bureau du CECO, Isabelle Mehte, présente brièvement l'institution dans une interview.
Die Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) feiert ihr 20-jähriges Jubiläum. Die Leiterin der Geschäftsstelle Isabelle Mehte stellt die KOST in einem Interview kurz vor.