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2018/4 Bauen und Bauten

Umbauen im historischen Kontext – die Burgerbibliothek und die Universitätsbibliothek in Bern

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Dank eines gelungen Um- und Ausbaus ist das historische Archiv- und Bibliotheksgebäude in der Münstergasse Bern wieder zum attraktiven Lern- und zeitgemässen Arbeitsort geworden. Die baulichen Herausforderungen im rund 250 Jahre alten Gebäude mitten in der Altstadt waren gross, die Ansprüche der Nutzenden ebenso.

Ein Umbau in einem historischen Gebäude ist immer eine Herausforderung, sowohl für die Architekten wie für die betroffenen Institutionen. Ganz besonders gross wird die Herausforderung, wenn das Gebäude ursprünglich für einen anderen Zweck gebaut worden war, im Laufe von mehr als 200 Jahren verschiedene Um- und Anbauten miterlebt hat, wenn aufgrund seiner Lage mitten im Unesco-Weltkulturerbe und aufgrund seiner wertvollen historischen Bausubstanz strikte denkmalpflegerische Auflagen zu beachten sind und wenn zwei Institutionen mit unterschiedlichen Bedürfnissen hohe funktionale Ansprüche an das Gebäude stellen. Vor dieser schier unlösbaren Aufgabe stand das Team der alb architektengemeinschaft ag Bern, als es von der Burgergemeinde Bern den Auftrag erhielt, das Archiv- und Bibliothekgebäude Münstergasse 61/63 für die Burgerbibliothek Bern als Archiv und Handschriftenbibliothek einerseits und für die Universitätsbibliothek, Standort Münstergasse, andererseits umfassend umzubauen. Nach einer längeren Vorbereitungsphase (Vorprojekt 2010, Ausschreibungs- und Ausführungsplanung 2013) begannen im Januar 2014 die Bauarbeiten. Im Sommer 2016 konnten diese erfolgreich sowohl innerhalb des Zeitplans wie auch innerhalb des Baukredites abgeschlossen werden. Dank des gelungenen Umbaus bleibt das Archiv- und Bibliotheksgebäude weiterhin ein wichtiger und vielgenutzter Lern-, Forschungs- und Kulturort in der Berner Altstadt. Gleichzeitig wurde ein weiteres Ziel erreicht: Dank der Einrichtung einer Cafébar im Erdgeschoss, die im Sommer auch den Bibliotheksgarten bespielt, ist die Münstergasse 61/63 heute für Altstadtbewohner, für Mitarbeitende der umliegenden Geschäfte und Büros, für vorbeiflanierende Touristen und Marktbesucher ein beliebter und attraktiver Treffpunkt, ein offenes Haus für alle.

Zielsetzung und Massnahmen

Ziel des Projektes war es, den beiden Institutionen wieder einen zeitgemässen Archiv- respektive Bibliotheksbetrieb zu ermöglichen. In den letzten Jahrzehnten herrschte zunehmend Raumnot in den Magazinen und den Büros, die vorhandene Rauminfrastruktur und die veraltete Haustechnik verkomplizierten betriebliche Abläufe und schränkten die Öffentlichkeitsarbeit stark ein. Nicht zuletzt präsentierte sich das Haus gegen aussen mit dem dunkeln Laubengang unfreundlich und abweisend. Und im Innern hatten Besuchende Mühe, sich zu orientieren. Der letzte Umbau lag rund 50 Jahre zurück. Dabei hatte man zum Teil massiv und leider in gewissen Bereichen unwiderruflich in die historische Bausubstanz eingegriffen.

Vor dem Umbau: dunkler, abweisender Laubengang zur Münstergasse hin.

Die Architekten lösten die vielfältigen Ansprüche und Probleme mit letztlich wenigen Interventionen:

1. Umnutzung historischer Räume: Die Nutzung der beiden denkmalgeschützten Lesesäle aus dem 18. Jahrhundert konnte und wollte man nicht grundlegend verändern. Sie waren und sind ein „Markenzeichen“ der sie nutzenden Institutionen. Beide Säle wurden deshalb nur umfassend restauriert, im Hintergrund selbstverständlich mit modernster Technik ausgerüstet.

Nach dem Umbau: der neue Lesesaal der Universitätsbibliothek im Untergeschoss (Foto: Marco Schibig)

Hingegen bot sich ein Ausbau des ebenfalls barocken Dachgeschosses an, das zu lichtdurchfluteten Büroräumlichkeiten und zu einem grosszügigen Restaurierungsatelier wurde. Vom Magazinraum zu ansprechenden Ausstellungs- und Mehrzweckräumen umgenutzt werden konnte der alte Gewölbekeller. Die Schönheit der barocken Kreuzgewölbe im Erdgeschoss brachte die Öffnung der im 19. Jahrhundert zugemauerten Laubenfenster wieder zum Vorschein. Mit dieser Öffnung zur Stadt hin verbesserte sich die Eingangssituation der beiden Institutionen. Von aussen ist das Gebäude nun klar als Archiv- und Bibliotheksgebäude erkennbar.

Nach dem Umbau: Lichtdurchflutete Büros (Burgerbibliothek; Foto: Marco Schibig)

2. Strukturbereinigung und durchgehende Vertikalerschliessung: Die Unübersichtlichkeit der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder veränderten baulichen Struktur brachte viele Einschränkungen mit sich. Die wichtigste Intervention war, in beiden Flügeln des hufeisenförmigen Gebäudes durchgehende Treppen, Lifte und Installationszonen zu schaffen. Damit konnten auch die Anforderungen bezüglich Fluchtwege und Rollstuhlgängigkeit erfüllt werden.


3. Unterirdische Erweiterung: Die einzige Möglichkeit, die bestehende Bausubstanz zu erweitern, bestand unterirdisch, und dies nur in sehr begrenztem Perimeter und verbunden mit dem hohen Risiko archäologischer Funde. Dennoch liess sich unter dem barocken Gewölbekeller ein zusätzliches Geschoss für die Technikzentrale gewinnen. Damit optimierten sich auch die horizontalen und vertikalen Erschliessungswege im geflügelten Gebäude, was sich kostengünstig auswirkte. Mit kleineren Abgrabungen liess sich zusätzlich Raum für einen unterirdischen Vortragssaal gewinnen.

Erfolgsfaktoren

Dass ein derart komplexer und anspruchsvoller Umbau innerhalb der gesetzten Frist und des Baukredites und zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten realisiert werden konnte, dafür waren verschiedene Faktoren verantwortlich. Eine der wichtigsten Entscheidung der Universitätsbibliothek war, ihre Magazinbestände inskünftig in einem externen Speichermagazin zu lagern. Einig war man sich auch, den Umbau nicht etappiert, sondern kurz und konzentriert umzusetzen. Damit liessen sich massiv Kosten und Nerven sparen, bedingte aber den zeitweiligen Auszug beider Betriebe in externe Provisorien (was wiederum die Chance bot, das Mobiliar und „stille Deponien“ zu entrümpeln). Zu den Erfolgsfaktoren zählten sicher auch die Erfahrung und Kompetenz des Architektenteams für das Bauen im historischen Kontext, eine bewusst sehr lange, sehr sorgfältige und alle Beteiligten, insbesondere die nutzenden Institutionen stark einbindende Planungsphase, eine verantwortungsbewusste und aufmerksame Baukommission, und nicht zuletzt die Freude und der Stolz aller, speziell auch der ausführenden Handwerker, an der Mitgestaltung eines ganz besonderen Hauses an besonderer Lage mitwirken zu dürfen. Am Eröffnungstag, an dem der Bevölkerung das Haus zur Besichtigung offen stand, kamen nicht wenige Handwerker und Bauleute mit ihren Familien und erklärten stolz, welche Mauer sie hochgezogen hatten, welches Treppengeländer ihr Werk war, für welche Glaswände und Parkettböden sie verantwortlich waren . Das war eines der schönsten Komplimente an das neue alte Archiv- und Bibliotheksgebäude.

Impressionen - vorher

Vor dem Umbau: veraltete, unpraktische Infrastruktur im Vortragssaal, dem sogenannten „Bärengraben“
Vor dem Umbau: Enge in den Büros, Böden und Teppiche im Stil der 60er-Jahre (Burgerbibliothek)
Vor dem Umbau: Improvisationen mit Server und Putzmaterial
Vor dem Umbau: überfüllte, klimatisch ungeeignete Magazine (Bürgerbibliothek)

Impressionen - nachher

Nach dem Umbau: Cafébar im Eingangsbereich (Foto: Marco Schibig)
Nach dem Umbau: Büros im Dachstock (Universitätsbibliothek; Foto: Marco Schibig)
Nach dem Umbau: raffinierte Erschliessung der verschiedenen Gebäudeteile durch Treppenhaus (Burgerbibliothek; Foto: Marco Schibig)
Nach dem Umbau: Der restaurierte und technisch aufgerüstete historische Schultheissensaal aus dem 18. Jahrhundert (Universitätsbibliothek; Foto: Marco Schibig)

Literatur

Burgerbibliothek Bern (Hg.), Durchblick. Umbau Archiv. und Bibliotheksgebäude Münstergasse (Passepartout – Schriftenreihe der Burgerbibliothek Bern). Bern, Stämpfli, 2016.

Engler Claudia 2015

Claudia Engler

Claudia Engler ist Direktorin der Burgerbibliothek Bern und war Präsidentin VSA-AAS zwischen 2013 und 2019.

Abstract

Von Januar 2014 bis Sommer 2016 wurde das Archiv- und Bibliotheksgebäude an der Berner Münstergasse 61/63 komplett um- und ausgebaut. Das Bauen im historischen Kontext, im Unesco-Weltkulturerbe und für zwei anspruchsvolle Institutionen war eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten. Dank ein paar wenigen, aber wirkungsvollen Interventionen und dank einer sorgfältigen Planung konnten alle Ansprüche eingelöst werden. Das sanierte Gebäude ist heute ein attraktiver Anziehungspunkt und ein offenes Haus für alle mitten in der Altstadt.

Depuis janvier 2014 jusqu’en été 2016, le bâtiment d’archives et de bibliothèque situé Münstergasse 61/63 à Berne a été entièrement rénové et aménagé. Les travaux de construction dans le contexte historique, au sein du patrimoine mondial de l'UNESCO et pour deux institutions exigeantes représentait un grand défi pour toutes les parties. Grâce à quelques interventions et une planification soigneuse, une réponse à toutes les exigences a pu être trouvée. Le bâtiment rénové est aujourd’hui un pôle d’attraction et une maison ouverte à toutes et tous en vielle ville.