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2017/2 Tatorte

Vermächtnis einer Diktatur. Das Stasi-Unterlagen Archiv

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Die DDR-Staatssicherheit hinterließ ein gewaltiges archivisches Erbe. Seit nun über zwei Jahrzehnten werden die Stasi-Unterlagen archivisch bearbeitet und für die persönliche Akteneinsicht wie in Forschung und Medien intensiv genutzt. Das Stasi-Unterlagen Archiv steht damit am Schnittpunkt von Gedächtnis und Geschichte. Es unterstreicht eindrücklich die zentrale Bedeutung von Archiven als Mittler zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Geburt aus dem Geist der Friedlichen Revolution

Im Herbst des Jahres 1989 gingen hunderttausende Bürger der DDR auf die Straße und rangen die zweite Diktatur auf deutschem Boden in einer friedlichen Revolution nieder. Vier Jahrzehnte Unterdrückung und Verfolgung endeten in weniger als vier Monaten. Dieser „Frühling im Herbst“ versetzte Zeitzeugen aus Ost wie West in Erstaunen – die Realität hatte die Phantasie überholt.1

Ein zentrales Symbol dieses revolutionären Triumphs war die Erringung der Macht über die Akten des alten Regimes. Neben hunderten Kilometern von Archiv- und Registraturgut aus allen Bereichen von Staat, Partei, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft – Folge jahrzehntelanger sozialistischer Aktenobsession –, sind hier hauptsächlich die Überlieferungen der Staatssicherheit zu nennen.2
Wegen der herausgehobenen Bedeutung und der datenschutzrechtlich besonders sensiblen Eigenschaft der Überlieferung einer kommunistischen Geheimpolizei war es notwendig, eine eigene Archivinstitution zu schaffen, den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) sowie ein spezielles Zugangsgesetz , das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG).3 Der BStU steht an einem Schnittpunkt von Gedächtnis und Geschichte, die öffentlichen Debatten sind entsprechend lebendig.4 Seine Arbeit findet daher die besondere Aufmerksamkeit der geneigten wie der kritischen Öffentlichkeit, in Gesellschaft, Wissenschaft, Politik und Medien. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der BStU, weit über den Kontext der politisch-historischen Aufarbeitung in Deutschland hinaus, zu einem der größten archivischen Dienstleistungszentren und einem Modell zur Diktaturaufarbeitung entwickelt. Dem hat 2016 auch der Deutsche Bundestag Rechnung getragen und den BStU beauftragt, zusammen mit dem deutschen Nationalarchiv, dem Bundesarchiv, Vorschläge zu zukunftsfähigen Strukturen zu erarbeiten, damit auch in Zukunft die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortgesetzt werden kann.5

Die ehemalige Zentrale der Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg (Mai 1985)
Zum Bild: Die ehemalige Zentrale der Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg (Mai 1985), auf der rechten Bildseite im unteren Drittel befindet sich das Magazingebäude der Staatssicherheit, einer der wenigen Archivzweckbauten der DDR, der 1984 fertiggestellt worden ist (BStU, Ministerium für Staatssicherheit (MfS), Hauptabteilung (HA) II, Fo 32, Bild 13).

Archivfachliche Herausforderungen

Die jahrzehntelange Überwachungs- und Sammelwut der Staatssicherheit hat zu einmalig umfangreichen Überlieferungen geführt. In den Archiven der BStU ist insgesamt Archivgut von rund 111 km Umfang überliefert – darunter über 41 Millionen Karteikarten verschiedener Formate, die etwa 12 Kilometer ausmachen. Ergänzt werden diese Unterlagen durch das von der Stasi verfilmte Schriftgut, das sich – auf Papier umgerechnet – auf ca. 47 km summiert. Hinzu kommen noch über 15.500 Säcke mit zerrissenen Unterlagen. Überliefert sind zudem über 1,7 Millionen audiovisuelle Medien (Photopositive und -negative, Mikrofilme, Dias, Filme, Videos und Tonbänder) sowie eine Reihe von Datenbankprojekten, da die Staatssicherheit seit Ende der 1960er Jahre auch EDV einsetzte.6 In der archivischen Arbeit an den Überlieferungen des MfS sind eine ganze Reihe Herausforderungen zu meistern, die zum einen eine Folge besonderer rechtlicher Anforderungen nach dem StUG (I), zum anderen der Spezifik der Überlieferungen als Relikt geheimpolizeilicher Informationsverarbeitung und -speicherung geschuldet sind (II).

(I) Das StUG hat – entgegen den üblichen Archivgesetzen – im Dienste der juristischen und historisch-politischen Aufarbeitung bewusst keine Sperrfristen festgelegt. Das hatte seit Gründung der BStU eine Parallelität von Nutzung und Erschließung zur Folge – eine gänzlich archivuntypische Situation, können Bestände üblicherweise doch erst nach deren Verzeichnung und endgültigen Bearbeitung genutzt werden. Da gerade im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung (Verjährungsfristen), der Überprüfungen im Öffentlichen Dienst und bei Rehabilitierungsverfahren möglichst rasch belastbare Ergebnisse gefordert waren, blieb den Archivaren kaum zeitlicher Vorlauf für notwendige Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten. Darüber hinaus erfordern die vielen individuellen Akteneinsichtsbegehren eine besondere Erschließungstiefe, um personenbezogene Daten verlässlich zu dokumentieren.

(II) Zu den sich aus dem rechtlichen Rahmen ergebenden Besonderheiten treten eine ganze Reihe archivfachlicher Herausforderungen hinzu. Die Archivare sahen und sehen sich einer Überlieferung gegenüber, die allein schon in ihren gewaltigen Ausmaßen eine logistische und fachliche Herausforderung bei der Erschließung darstellt. Die sog. „innere und äußere Konspiration“, also die flächendeckende Geheimhaltung und deren stete Kontrolle, hatten bei der Staatssicherheit höchste Priorität. Das erschwert die archivarische Ordnung und Verzeichnung deutlich, da zu Beginn weitgehend Akten- und Organisationspläne fehlen, Abläufe und Ablagesystematiken der internen Schriftgutverwaltung und -organisation mühsam rekonstruiert und komplexe zentrale wie dezentrale Karteisysteme unterschiedlicher Formate und Technologien (u.a. Kerb- und Sichtlochkarteien) analysiert werden müssen.7 Hinzu kommen die Folgen des revolutionären Herbstes 1989, als die Mitarbeiter der Stasi noch versuchten, rasch die Belege ihrer 40jährigen Bespitzelungs-, Verfolgungs- und Zersetzungsarbeit zu vernichten. Das enorme Tempo der Erosion von SED-Diktatur und sozialistischer Geheimpolizei beendete dieses Vernichtungswerk zwar innerhalb weniger Monate. Als Folge stellt sich die Situation jedoch noch komplexer dar, die Archivare sind mit vielfachen Störungen der Überlieferung konfrontiert: von leichten bis schweren Verunordnungen, über partielle oder sequentielle Vernichtungen bis hin zu kompletten Lücken in manchen Überlieferungszweigen. Damit sind bei der Erschließung nicht nur fundierte Kenntnisse von Organisation und Arbeitsweise der Staatssicherheit vonnöten, sondern auch entsprechende quellenkritische Expertise. Zu nennen sind hier schließlich auch die über 15.500 Säcke mit zerrissenen Unterlagen, deren Rekonstruktion in Dimension und Art eine singuläre archivische Aufgabe darstellt. Seit 1995 haben Mitarbeiter des BStU ca. 500 Säcke mit Dokumenten, Vorgängen und Aktenteilen mit mehr als 1,62 Millionen Blatt manuell zusammengesetzt.8 Da die manuelle Rekonstruktion der verbliebenen Säcke mit den derzeit vorhandenen Ressourcen noch viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde und auch besonders kleinteilig zerrissenes Material nicht umfasst, wird in einem Pilotverfahren seit 2008 an einer Technologie zur computergestützten virtuellen Rekonstruktion dieser Schnipsel gearbeitet.

Zentrale Personenkartei. Die Staatssicherheit baute ein umfangreich verästeltes System mit über 41 Mio. Karteikarten verschiedener Formate für die Verwaltung der gewaltigen Informationsmengen auf (Photo: BStU/Dresen).
Observationsphoto der Stasi beim evangelischen Kirchentag in Berlin am 27.6.1987, Aktionen der „Kirche von unten“ (BStU, MfS, BV Berlin, Fo0803_Bild 0009).

Kaum erwähnt werden muss, dass sich angesichts der Dimensionen der Überlieferungen und der Intensität der Nutzung auch große Herausforderungen im Bereich der Bestandserhaltung (Papierentsäuerung, Konservierung und Restaurierung, Sicherungs- und Schutzverfilmung; Erhalt, Pflege und digitale Speicherung von photographischer und audiovisueller Überlieferung) stellen.

Zugang und Nutzung

Die Möglichkeiten der Nutzung von Unterlagen sind im StUG rechtlich fixiert – zur privaten Akteneinsicht, zur Rehabilitierung und Strafverfolgung, zur Überprüfung von Beschäftigten vor allem öffentlicher Einrichtungen und zur Erforschung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch Forschung und Medien.9 Das StUG wurde in mehreren Novellen weiterentwickelt, der Zugang zu Stasi-Akten insbesondere für die wissenschaftliche Forschung erleichtert.10 In nun über zwei Jahrzehnten hat sich dieses Gesetz hervorragend bewährt. In dieser Zeit wurden über 3,16 Millionen Anträge auf persönliche Akteneinsicht und über 33.100 Anträge aus Forschung und Medien gestellt. Auch international findet die in diesem Gesetz gefundene Balance zwischen Datenschutz- und Zugangsrechten zu sensiblem Archivgut – die gelungene Abwägung zwischen „transparency, privacy, and security“ – anerkennende Beachtung.11 

Im Unterschied zu den deutschen Archivgesetzen des Bundes und der Länder, in denen sich meist keine bzw. nur indirekte Aufträge dieser Art finden, hält das StUG die Unterrichtung der Öffentlichkeit explizit als Auftrag des BStU fest (§ 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG). Daher bietet der BStU eine entsprechend breite Palette an Formaten an: Grundlagen-Forschung, Bildungsangebote, Ausstellungen, Veranstaltungen etc. Ein wichtiges neueres Element sind die digitalen Angebote des BStU. Die Homepage bietet eine Vielzahl an Informationen zu den Archivbeständen, zu Nutzungsbedingungen, aber auch zur Staatssicherheit, inklusive digitalisierter Unterlagen, sowie eine breite Berichterstattung zu aktuellen Themen aus diesem Kontext. Des Weiteren ist insbesondere das kuratierte „Schaufenster“ in das Archiv, die „Stasi-Mediathek“ zu erwähnen. Seit Anfang 2015 bietet sie Akten-, Photo- und Tonbeispiele aus den Beständen des Archivs zur direkten Einsicht.12 Mit Podiumsdiskussionen, Lesungen oder auch künstlerischen Installationen schafft der BStU zudem Raum für Debatten und Diskurse. Ein ständig erweitertes Angebot an Materialien (Bücher, Broschüren, Foliensätze, Multimedia-DVDs, etc.) unterstützt Lehrer und Multiplikatoren in der Erwachsenenbildung bei ihrer Arbeit.

Stasi-Mediathek des BStU (Photo: BStU/Mulders).

Zukunft der Vergangenheit

„Wenn ein Archiv Zeugnisse von der Art eines Zeitalters aufbewahren soll, so ist es zugleich seine Pflicht, auch dessen Unarten zu verewigen“, forderte bereits Johann Wolfgang von Goethe.13Durch eine so gestaltete ausgewogene Überlieferungsbildung, so wird immer wieder zu Recht betont, schaffen Archive überhaupt erst die Basis für den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart – wobei der Blick gleichberechtigt Licht und Schatten gelten muss. Damit bilden Archive die Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der BStU verkörpert geradezu idealtypisch eine solche Archivinstitution. Die Überlieferungen der Staatssicherheit sind eine zentrale Quelle zur Erforschung nicht nur dieser kommunistischen Geheimpolizei, sondern vieler Aspekte von Herrschaft und Gesellschaft der vergangenen SED-Diktatur. Sie geben den Betroffenen ein Stück ihrer Biographie zurück, erlauben Medien und interessierter Öffentlichkeit substantielle und facettenreiche Einblicke in das Innenleben eines Unterdrückungsapparates und bieten der Wissenschaft wertvolle Quellen für die Bearbeitung vielfältiger Fragestellungen. Die archivalischen Hinterlassenschaften der Stasi sind damit nicht zuletzt ein probates Mittel gegen Vergessen und Verdrängen wie auch ein unerbittliches Korrektiv gegenüber jeder Art von Geschichtsverfälschung und Legendenbildung.14

Jedlitschka Karsten 2017

Karsten Jedlitschka

Dr. Karsten Jedlitschka ist nach beruflichen Stationen als Leiter der Archive des Deutschen Historischen Instituts in Rom und der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle a. d. Saale seit Herbst 2007 Referatsleiter beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Zuerst war er Referatsleiter Archivischer Grundsatz, seit Frühjahr 2017 leitet er ein Referat für die Nutzung von Unterlagen für Zwecke der Forschung und der politischen Bildung sowie von Presse, Rundfunk und Film.

  • 1 Sabrow Martin, „‘1989‘ und die Rolle der Gewalt in Ostdeutschland“, In: ders. (Hrsg.), 1989 und die Rolle der Gewalt, Göttingen 2012, S. 9-31, Zitat S. 9; Gauck Joachim, Winter im Sommer. Frühling im Herbst. Erinnerungen, 17. Aufl. München 2010; Henke Klaus-Dietmar (Hrsg.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte, München 2009.
  • 2 Dazu Jedlitschka Karsten, „Sichtungen. Die DDR in den Archiven“, In: Bohnhof Anja, Zu den Akten, Potsdam/Dresden 2011, S. 3-6. 
  • 3 Gesetz über die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 20.12.1991 (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG), Achtes Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 22.12.2011. Text unter http://www.bstu.bund.de/DE/BundesbeauftragterUndBehoerde/Rechtsgrundlagen/StUG/stug_inhalt_2012.html (Zugriff am 03.04.2017).
  • 4 Zu den geschichts- und erinnerungspolitischen Debatten bei der Erforschung der SED-Diktatur und der DDR-Staatssicherheit vgl. Sabrow Martin u.a. (Hrsg.), Wohin treibt die DDR-Erinnerung? Dokumentation einer Debatte, Bonn 2007; Birthler Marianne, „Die Bedeutung der BStU für die politische Kultur in Deutschland“, In: Hansen Hendrik/Veen Hans-Joachim (Hrsg.), Aufarbeitung totalitärer Erfahrungen und politische Kultur. Die Bedeutung der Aufarbeitung des SED-Unrechts für das Rechts- und Werteverständnis im wiedervereinigten Deutschland, Berlin 2009, S. 145-153; Normann Lars, „BStU – Geschichte, Bestand und Zukunft“, Deutschland Archiv 5/2010, S. 900-906.  
  • 5 Vgl. „Die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortführen“. Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag vom 7.6.2016 (BT-Drucksache 18/8705).
  • 6 Siehe ausführlich dazu Jedlitschka Karsten, Singuläres Erbe. Die archivalischen Hinterlassenschaften der Staatssicherheit, Saarbrücken 2013; ders., „The Lives of Others: East German State Security Service’s archival legacy“, American Archivist 75 (Spring/Summer 2012), S. 81-108, abrufbar unter http://americanarchivist.org/doi/pdf/10.17723/aarc.75.1.c6555155715775nq (Zugriff 03.04.2017). 
  • 7 Vgl. Blum Ralf/Lucht Roland, „Der Schlüssel zur Macht. Karteien und andere Findmittel zu den Überlieferungen der Staatssicherheit“, Archivar 64 (2011), S. 414-426. Als Beispiel der gestaffelten Sicherheitsbereiche selbst noch innerhalb der Archive der Staatssicherheit siehe Jedlitschka Karsten, „Arkanum der Macht. Die Geheime Ablage im Zentralarchiv der Staatssicherheit“, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), S. 279-290. Weiter die Beiträge in Jedlitschka Karsten/Springer Philipp (Hgg.), Das Gedächtnis der Staatssicherheit. Die Kartei- und Archivabteilung des MfS, Göttingen 2015.
  • 8 Dazu Petter Andreas, „Die Rekonstruktion zerrissener Stasi-Unterlagen. Ursachen und Perspektive einer besonderen Fachaufgabe“, Journal der juristischen Zeitgeschichte 2/2009, S. 61-64. 
  • 9 Zum Verhältnis des StUG als lex specialis zur bundesdeutschen Archiv- und Datenschutzgesetzgebung siehe Heydenreuther Reinhard, „Ist die Gauck-Behörde ein Archiv?“, In: Unverhau Dagmar (Hrsg.), Das Stasi-Unterlagen-Gesetz im Lichte von Datenschutz und Archivgesetzgebung, 2. Aufl. Münster 2003, S. 145-152; Polley Rainer, „StUG und deutsche Archivgesetze. Verwendung der Stasi-Unterlagen und Nutzung von Archivgut nach den deutschen Archivgesetzen insbesondere der neuen Bundesländer“, In: ibid., S. 153-167. Weiter Weberling Johannes, „Besondere Anforderungen und Probleme für Archivgesetze bei der Aufarbeitung totalitärer Systeme am Beispiel des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und der SAPMO“, In: Alles was Recht ist. Archivische Fragen – juristische Antworten. 81. Deutscher Archivtag in Bremen, Redaktion Heiner Schmitt, Fulda 2012, S. 147-155.
  • 10 Die letzte Novellierung erfolgte Ende 2011, siehe Achtes Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 22.12.2011, BGBl. I S. 3106.  
  • 11 Siehe etwa die Ausführungen der stellvertretenden Direktorin der Hoover Institution/Stanford University, Danielson Elena S., „Privacy Rights and the Rights of Political Victims: Implications of the German Experience“, American Archivist 67 (Fall/Winter 2004), S. 176-193. Vgl. weiter den Beitrag „25 Jahre Stasi-Unterlagen-Gesetz-jahre-akteneinsicht_stasi-unterlagen-gesetz.html“ unter http://www.bstu.bund.de/DE/BundesbeauftragterUndBehoerde/Aktuelles/20161220_25 (Zugriff 03.04.2017).
  • 12 http://www.stasi-mediathek.de (Zugriff 03.04.2017).
  • 13 Johann Wolfgang von Goethe: Weimarer Ausgabe, München 1887, Teil I, Band 40, S. 196. 
  • 14 Die Diskussion zur gesellschaftlichen Bedeutung und Rolle von Archiven wird seit einigen Jahren, ausgehend vom angelsächsischen Raum, intensiver geführt. Vgl. Jimerson Randall C., Archives Power. Memory, Accountability, and Social Justice. Society of American Archivists, Chicago 2009, S. 237-278; Danielson Elena S., The Ethical Archivist, Chicago 2010; Birthler Marianne, „Vergangenheit für die Zukunft: Die Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Hilfe der Stasi-Akten“, In: Becker Irmgard Christa u.a. (Hrsgg.), Neue Strukturen - bewährte Methoden? Was bleibt vom Archivwesen der DDR. Beiträge zum 15. Archivwissenschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg, Marburg 2011, S. 17-37.

Abstract

Das Stasi-Unterlagen-Archiv verwahrt ein gewaltiges archivisches Erbe. Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten werden die Stasi-Unterlagen archivisch bearbeitet und für die persönliche Akteneinsicht wie in Forschung und Medien intensiv genutzt. Den rechtlichen Rahmen setzt das 1991 geschaffene Stasi-Unterlagen-Gesetz, dass sich in dieser Zeit bestens bewährt hat bei der Balance zwischen Datenschutz- und Zugangsrechten. Diese über 111 km Archivgut, 47 km verfilmten Unterlagen, 15.500 Säcke mit zerrissenen Unterlagen und über 1,7 Millionen audiovisuellen Medien sind ein eindrucksvolles Vermächtnis der Friedlichen Revolution 1989 und ein Sinnbild für die Wucht totalitärer Überwachung. Der von der Bundesrepublik beschrittene Weg bei der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur hat international große Beachtung gefunden und vorbildgebend für ähnliche Archiveinrichtungen in den osteuropäischen Staaten gewirkt.

Les Archives de la Stasi (la police politique de l'ancienne République démocratique allemande) conservent un énorme patrimoine documentaire. Depuis maintenant plus de deux décennies, ces documents ont été traités archivistiquement et sont intensivement utilisés pour des recherches personnelles et dans les médias. Le cadre juridique a été posé en 1991 avec la loi sur les Archives de la Stasi qui a permis un bon équilibre entre la protection des données personnelles et le droit à l'accès. Avec plus de 111 km de documents d'archives, 47 km de films, 15 500 sacs de documents déchirés et plus 1,7 million de médias audiovisuels, la conservation de ce symbole de la surveillance totalitaire est un héritage impressionnant de la révolution pacifique allemande et un exemple offert par la République fédérale allemande à d'autres institutions similaires en Europe de l'Est sur le traitement de leur passé communiste dictatorial.