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2016/4 Zeigt euch!

Die Bibliothek als Treffpunkt – ein Werkstattbericht

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Ein Begegnungsort, der immer geöffnet ist und mit seinem Angebot auch Nichtkunden niederschwellig anspricht. Das sind die Bibliotheken Unterengstringen und Uitikon heute, nachdem sie ihre Öffnungszeiten stark erweitert und damit ungeahntes Potenzial geschaffen haben.

Wir gestehen es ein: Die Zukunft machte uns Sorgen. Wohin mit unseren Bibliotheken, in einer Zeit, in der diese Institution mit dem Einzug des Internets nicht mehr alleine für die Informationsbereitstellung verantwortlich ist? Was machen wir mit unseren Ressourcen, wenn mit dem Angebot digitaler Medien unsere Daseinsberechtigung immer mehr eingeschränkt wird? Der Gedanke an einen Raum mit halbleeren Buchregalen und nur noch wenigen Kundenbesuchen hat uns aufgeschreckt und gleichzeitig motiviert. Wir wollten die Flucht nach vorne antreten und unsere Bibliotheken als Service Public etablieren und mit vielseitigem Angebot weitere Zielgruppen ansprechen.

Der Weg

Der Weg führt nicht daran vorbei, dass es grosszügige Öffnungszeiten braucht. Die Gemeindebehörden in Uitikon bewilligten 2010 ihrer Bibliothek ein zweijähriges Projekt mit ganztägigen Öffnungszeiten. Und beflügelt von ersten Erfolgszahlen zog Unterengstringen zwei Jahre später nach. Unsere Projektziele waren klar und messbar: mehr Ausleihen, höhere Besucherzahlen und mehr aktive Kunden aus der Einwohnerschaft. 
Es mussten neue Zielgruppen anvisiert werden. Welche Angebote gab es noch nicht in der Gemeinde?
Wir brauchten auch das volle Vertrauen der Behörden und Trägerschaften. Sie mussten mehr Gelder für die Saläre bei erweiterten Öffnungszeiten und wenige zusätzliche finanzielle Mittel für kleinere Umgestaltungen sprechen. Nicht zuletzt benötigten wir den Rückhalt aus unserer bereits bestehenden Kundschaft. Unser Mut und unsere Ideen wurden und werden immer noch mit sehr vielen positiven Rückmeldungen honoriert. 

In der Bibliothek als Treffpunkt dürfen Bücher auch mal Nebensache sein. In der Bibliothek Uitikon wird am Legonachmittag mit Eifer gebaut…

Was waren unsere Ressourcen?

  • Ein Raumangebot: Unsere beiden Bibliotheken sind klein: 160 und 240 Quadratmeter. Aber immerhin, in einer Zeit, wo Raum und Platz immer weniger wird, ist fast jeder Raum eine kostbare Ressource. 
  • Ein etabliertes Team und Zeit: In beiden Bibliotheken war das bestehende Team gerne bereit mehr Pensum zu arbeiten. Die Teams bestanden aus jeweils vier langjährigen Mitarbeiterinnen, sie waren gut eingespielt, flexibel und motiviert. 
  • Eine ansehnliche Vernetzung im Einzugsgebiet: Schon immer waren unsere Bibliotheken in der Gemeinde mit anderen Institutionen, Vereinen und Firmen gut vernetzt, unsere Teammitglieder sitzen in Kommissionen ein und nehmen aktiv am Gemeindeleben teil. 
  • Das Bibliothekarische Fachwissen: Das Kerngeschäft einer Bibliothek, kompetente Beratung, eine aktuelle und ausgewogene Medienvielfalt, die Zusammenarbeit mit der Schule, diverse Veranstaltungen führten wir erfolgreich und sollte auch weitergeführt werden.

Das Ziel

Wir wünschten uns eine offene Bibliothek mit Treffpunktcharakter, wo sich alle wohl fühlen, unabhängig vom Kerngeschäft einer Bibliothek. Wir planten einen Beitrag zu einer lebendigen Gemeinschaft. Dafür benötigten wir viele Ideen für die verschiedenen Zielgruppen und den Mut unsere Pläne umzusetzen. Die publikumsfreundlichen und grosszügigen Öffnungszeiten wollten wir erreichen, indem wir unsere Arbeitsstunden zu Öffnungszeiten machten. Keine Arbeiten mehr im versteckten Kämmerlein.

… vor der Fussball-Europameisterschaft werden an eigens organisierten Tauschtagen Panini-Bildi getauscht, …
… und in Unterengstringen geht auch mal eine Modeschau, organisiert gemeinsam mit dem Second-Hand-Laden im Dorf, über die (Bibliotheks-)Bühne.

So sieht es heute in unseren Bibliotheken als «Treffpunkt für alle» aus

Raum: 

  • Sehr bald nach der Einführung der neuen Öffnungszeiten gestaltete sich der Treffpunkt-Charakter fast wie von alleine. Seit sechs Jahren hat die Bibliothek Uitikon wöchentlich 50 Stunden, die Bibliothek Unterengstringen seit vier Jahren 30,5 Stunden geöffnet. 
  • Die Besucher kommen um sich zu unterhalten, zu verweilen, zu lernen, einen Kaffee zu trinken, zu spielen usw. 
  • Nach dem «Four spaces library»-Modell, ausgelegt für die Möglichkeiten in der eigenen kleinen Bibliothek und angepasst an die Bedürfnisse der Besucher, wurden Nischen (Kaffee-Ecke, Chillmöglichkeit, Arbeitsplätze, Spielteppich) geschaffen. Das zugangsfreie WLAN zieht Studenten zum Lernen an.
  • Die Bibliotheksräume können ausserhalb der Öffnungszeiten von vertrauenswürdigen Personen oder Institutionen aus dem Einzugsgebiet gemietet werden. 

Team und Zeit: 

  • Als Folge der erweiterten Öffnungszeiten werden die administrativen Arbeiten in die Öffnungszeiten integriert. Im Laufe der Zeit ergeben sich Zeitfenster, wo diverse Arbeiten gut möglich sind. Die Teilzeitstelle als Bibliothekarin ist mit dem erhöhten Pensum und der längeren Arbeitszeit für alle attraktiver geworden. 

Angebote: 

So verschieden unsere Bibliotheken sind, so verschieden waren und sind auch die Angebote, die wir ausprobiert, etabliert und manchmal auch wieder verworfen haben. Deshalb möchten wir hier nur stichwortartig unseren Ideenpool erwähnen:

  • Ticketverkauf für Veranstaltungen in der Gemeinde und für Vereine
  • Tauschbörsen (Panini-Fussballbildli, Comics, Spiele)
  • Helferlisten führen für Vereine
  • SBB-Tageskarten-Verkauf
  • Polit-Talk mit Behörden
  • Werbungsplattform für Anlässe im Einzugsgebiet
  • Bücherentsorgung für die Einwohner
  • Spielnachmittage
  • Strick-Gemeinschaften
  • Erzählstunden
  • Lesekreise
  • Workshops
  • wissenschaftliche Experimente
  • Handwerks- und Kreativitätskurse
  • Kursangebote oder Gesprächsrunden für Menschen mit Migrationshintergrund
  • Ausstellungen mit Kunsthandwerkern und Künstlern aus dem Einzugsgebiet
  • Arbeiten von Schulklassen
  • Sammlungen
  • Fotos von Veranstaltungen oder mit ortsgeschichtlichen Bildern und Gegenständen
  • Schreibwerkstatt
  • generationenübergreifende Anlässe (Grosseltern erzählen Kindern von früher, gemeinsames Brettspielen).

Auch grössere Veranstaltungen sind in beiden Bibliotheken sehr beliebt: Kino-Nacht, Krimi-Dinner, Modeschau, Adventsfenster usw.

Vernetzungen: 

Auch heute noch: Viele Vernetzungen werden fast wie von alleine intensiver. Die stetige Information zu den Angeboten bringt die Institution Bibliothek vermehrt in den Fokus der Einwohner und der Kunden. Es ergeben sich wie selbstverständlich Win-Win-Effekte. Die Bibliothek wird mehr wahrgenommen – von allen!

Mögliche Eingewöhnungs-Holpersteine

Falls jemand Ähnliches plant, ist es gut sich einiger Dinge bewusst zu sein. So ist es in einer Bibliothek mit Treffpunktcharakter nur noch selten leise. Kinder spielen und lachen, Erwachsene plaudern. In unseren Bibliotheken stört sich niemand daran, sonst würden wir auf Zeiten verweisen, in denen es meist ruhiger ist. 
Die Besucher fühlen sich so wohl, dass sie zum Kaffee noch Brötchen auspacken. In unseren Bibliotheken ist das Essen erlaubt. Kinder mit Schleckzeug sollen aber nach draussen. 
Es ist manchmal schwierig, komplexe administrative Arbeiten während der Öffnungszeiten zu erledigen. Das bedingt im Team viel gegenseitiges Vertrauen. Die gesamte Bibliotheksarbeit muss immer wieder hinterfragt und reflektiert und nötigenfalls neu organisiert werden. Es muss die Bereitschaft vorhanden sein, immer wieder Neues auszuprobieren und Nichtbewährtes zu verwerfen. 

Die Besucher- und Ausleihzahlen sind in beiden Bibliotheken deutlich gestiegen. Und mindestens genauso wichtig: Unsere Kunden sind vom Angebot begeistert. Wir erhalten extrem viele positive Rückmeldungen, die rundum Zufriedenheit vom Publikum, von der Gemeinde und seitens der Schule bestätigen uns, dass wir auf Kurs sind. 

Wir von Uitikon und Unterengstringen sind froh, dass wir diesen Schritt gewagt haben. Es macht Freude und gibt weiterhin viel zu tun!

Baeriswyl Karin 2016

Karin Baeriswyl

«Unser Fachwissen, der vorhandene Raum, unsere guten Vernetzungen und Ressourcen bergen ideales Potenzial für die Planung einer zukunftsorientierten Bibliothek.»

Karin Baeriswyl ist Leiterin der Schul- und Gemeindebibliothek Unterengstringen, seit 17 Jahren in der Bibliothek, Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, mag gesellschaftskritische Bücher, liebt Diskussionen über Gott und die Welt in debattierfreudiger Gesellschaft und schwärmt vom Schnorcheln auf den Malediven. 

Eigenmann Ursula 2016

Ursula Eigenmann

«Eine Bibliothek sollte ihr Angebot immer den Benutzern anpassen, nicht umgekehrt …und sich stets wandelbar zeigen!»

Ursula Eigenmann, Leiterin der Gemeinde- und Schulbibliothek Uitikon, ist seit 17 Jahren in der Bibliothek, liebt biografische Romane und Krimis, das Kochen von asiatischen Gerichten und isst leidenschaftlich gerne Schokolade. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern, reist gerne und oft und hofft, dass während ihrer Abwesenheit kein Fuchs ihre Hühner stiehlt. 

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Die Bibliotheken in Uitikon und Unterengstringen – beide im Kanton Zürich, allerdings in Gemeinden von ganz unterschiedlichem Charakter – waren typische Gemeinde- und Schulbibliotheken, die mit den ebenso typischen Herausforderungen zu kämpfen hatten, die solche Bibliotheken kennen. Ihre Leiterinnen, Ursula Eigenmann in Uitikon und Karin Baeriswyl in Unterengstringen, wollten nicht warten, bis sie von digitalen Medien und anderen Möglichkeiten des Internets überflüssig gemacht werden. Sie gingen in die Offensive. Ihr Ziel: Die Bibliothek als Treffpunkt etablieren – unabhängig vom (bisherigen) bibliothekarischen Kerngeschäft. Wichtigster Schritt dazu: längere Öffnungszeiten. Die Bibliotheksleiterinnen wurden bei ihren jeweiligen Gemeindebehörden vorstellig, und ihr Projekt überzeugte. Seither sind alle Arbeitsstunden auch Öffnungszeiten, und sowohl in Uitikon wie in Unterengstringen wurden und werden verschiedene Angebote für unterschiedliche Zielgruppen ausprobiert und etabliert, einige wurden auch wieder verworfen. Die Vernetzung der Bibliothek und der Bibliothekarinnen in der Gemeinde war ein wichtiger Punkt für den Erfolg des Projekts und hat im Laufe dessen sogar fast automatisch noch zugenommen.