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2015/4 Kompetenzen

«Gesucht: ArchivinformatikerIn» / «Recherchons: Archiviste informaticien/ne»

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Seit einiger Zeit schreiben Archive explizit Stellen für Mitarbeitende im Informatikbereich aus. arbido hat sich auf die Suche nach diesen Mitarbeitenden gemacht: Brigitte Sacker (Stadtarchiv Bern), Frédéric Noyer (Docuteam) und Stefan Ryter (Staatsarchiv Bern) erzählen über ihren Berufsalltag.

Wege ins Archiv

Weder das Archiv noch die Informatik standen von Anfang an im Zentrum. Stefan Ryter ist ausgebildeter Vermessungsingenieur HTL und Informatikingenieur NDS. Zuvor im Geoinformationsbereich tätig, arbeitet er nun als Archivinformatiker (Projektleiter) beim Staatsarchiv Bern.

Brigitte Sacker hat Wirtschafts- und Sozialgeschichte studiert. Der Schwerpunkt Statistik und die Freude an der Datenauswertung führten zu einem Quereinstieg mit Weiterbildung in die IT. Nach einer Tätigkeit im Bereich Datenbanken und Reporting sowie bei der BKW führte sie der Wunsch nach einer Arbeit «mit weniger Routine und mehr Gestaltungsmöglichkeiten» ins Stadtarchiv Bern als Archivinformatikerin.

Frédéric Noyer ist Digital Archivist bei der Firma Docuteam in der Romandie. Neben einem Master in Geschichte hat er einen Master in «Informatique de gestion» an der Universität Fribourg absolviert. Er hat als Historiker und im Zivildienst die Archivwelt kennengelernt. Gearbeitet hat er zuvor bei der SAP Research und beim Staatsarchiv Neuchâtel.

Abwechslung zwischen Projekten und Betrieb

Die Arbeit ist bei allen sehr abwechslungsreich. Stefan Ryter beschreibt das so: «Wir sind ein sehr kleines eingespieltes Team im Staatsarchiv und setzen die vorhandenen Ressourcen flexibel ein. […] In Absprache mit dem Informatikdienst der Staatskanzlei führe ich kleinere Support- und Betriebsaufgaben in der Informatik vor Ort aus und unterstütze die Benutzer. In der Projektarbeit geht es um die Planung, die Durchführung und um das Controlling der einzelnen Projekte und Lieferobjekte. […] Da viel Grundlagenarbeit notwendig war, kommen erst jetzt die eigentlichen Aufgaben des Archivinformatikers zur Anwendung.»

Bei Frédéric Noyer hängt der Inhalt seiner Arbeit von den jeweiligen Kunden ab: «Gestion de projet de prise en charge, en allemand ‹Erschliessung›, ou de numérisation d’archives. Souvent un peu de support IT pour le siège romand. Des travaux de maintenance sur des plateformes comme ICA-Atom.»

Brigitte Sacker ist mit der Einführung einer neuen Software im Stadtarchiv beschäftigt, schaut aber ins nächste Jahr: «Anfang 2016 sind wir endlich bereit für die digitale Archivierung und deshalb bin ich schon auf der Suche nach Daten. Kürzlich ist uns ein Erfolg gelungen: Wir konnten die Geschichte bis zurück zu den Anfängen der IT 1970 aufzeichnen. Nun können wir gezielt nach den Daten suchen und haben schon einige Schätze geborgen. Neben diesen Arbeiten reserviere ich mir Zeitblöcke für Qualitätskontrolle und Digitalisierungsprojekte.»

Archive und Informatik

Die Breite ihrer Arbeitsgebiete ist ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Frédéric Noyer beschreibt: «Je suis orienté ‹gestion de projet›, cela donne l’occasion de toucher à des projets liés à l’archivage, mais dans toutes sortes de contextes professionnels différents.» Ihn fasziniert, dass die Information von ihrer Entstehung bis zu ihrer Vermittlung durch eine Vielzahl an Systemen hindurchgeht und dass dies in allen Branchen ein Thema ist: «Impossible d’imaginer une question plus universelle!» Daran knüpft Brigitte Sacker an: «Mir ist es wichtig, dass meine Arbeit einen Sinn ergibt und dass sie in einem grösseren Rahmen steht. Es ist zwar manchmal schwer, Aussenstehenden den Sinn eines Archivs zu erklären, aber konkrete Beispiele, wie die Aufarbeitung der Geschichten von Verdingkindern und administrativ Versorgten helfen dabei.» Sie stellt auch Unterschiede zur Informatik in der Privatwirtschaft fest: «Der grösste Unterschied zur IT-Branche liegt meines Erachtens darin, dass die meisten Archive öffentlich finanziert sind und in keinem Konkurrenzverhältnis stehen. Es gibt ein ausgezeichnetes berufliches Netzwerk und es herrscht eine grosse Hilfsbereitschaft über die Grenzen der einzelnen Institutionen hinweg.»

Stefan Ryter kann in jedem Projekt Neues hinzulernen: «Ich finde es in Informatikprojekten immer sehr spannend neue Aufgabengebiete und die zugehörigen Menschen und die jeweilige Kultur kennen zu lernen. Sehr oft ist der Informatikanteil sekundär und entscheidender ist das Fachgebiet und die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Organisation zu erkennen und mit ITMitteln zu unterstützen.»

Kommunikation und Vertrauen

Damit Mitarbeitende aus Archiv und Informatik gute Ergebnisse erreichen, betonen alle den Aufbau von Vertrauen, Verständnis und Offenheit. Frédéric Noyer übernimmt als Projektleiter häufig die Aufgabe der Vermittlung: «Pour arriver à cela, je pense que les informaticiens aiment sentir que leurs interlocuteurs sont des ‹praticiens› et qu’ils ont du recul par rapport à leurs manières de faire. […] C’est-à-dire qu‘ils réfléchissent à leur pratique et leurs procédures et qu’ils sont ouverts à trouver ensemble des solutions pragmatiques.»

Stefan Ryter stellt fest, dass « […] dabei oft eher psychologische Fähigkeiten bzw. Fingerspitzengefühl gefragt [sind] als reine Informatikkenntnisse. Was oft etwas Geduld bedingt.» Dass die Verantwortungen klar definiert werden müssen, unterstreicht auch Brigitte Sacker. Die Kompetenzen für IT-ler im Archiv sind für sie nie rein technischer Art. Archivinformatikerinnen und -informatiker müssen auch gerne planen und dokumentieren.

Attraktives Berufsfeld Archiv?

Informatikerinnen und Informatiker denken vielleicht nicht zuallererst an ein Archiv, wenn sie auf Stellensuche sind. Stefan Ryter sieht eine Möglichkeit darin, konkrete Success Stories zu publizieren, um sichtbarer zu werden. Brigitte Sacker glaubt, «[…], dass auch Leute aus den Bereichen Medien, Grafik, Fotografie gute Voraussetzungen mitbringen würden, um in einem Archiv zu arbeiten. Besonders für die Retrodigitalisierungen, Umgang mit Formaten, aber auch für die Vermittlung.»

Frédéric Noyer ist der Überzeugung, dass die Archivierung durch die Thematik der digitalen Archivierung automatisch für Menschen mit Informatikhintergrund sichtbarer werden wird. Die Archive müssen aus seiner Sicht in diesem Feld den Lead übernehmen, Mitarbeitende mit IT-Ausbildungen integrieren und die IT-Fähigkeiten bei den Archivaren und Archivarinnen entwickeln. Die Beispiele von Brigitte Sacker, Frédéric Noyer und Stefan Ryter zeigen, dass die Archivwelt hier nicht mehr am Anfang steht, sondern bereits mitten drin ist in dieser Entwicklung.

Marguérite Bos

Marguérite Bos

Marguérite Bos arbeitet seit 2006 im Schweizerischen Bundesarchiv. Von Mitte 2014 bis Mitte 2021 war sie Redaktionsmitglied bei arbido.

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Depuis quelque temps, les archives mettent régulièrement au concours des postes demandant des compétences issues du domaine de l’informatique. arbido s’est mis à la recherche d’employés qui ont répondu à de telles annonces: Brigitte Sacker (Archives de la Ville de Berne), Frédéric Noyer (Docuteam) et Stefan Ryter (Archives de l’État de Berne) racontent leur travail quotidien, leurs projets et la coopération entre archivistes et informaticiens.