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2015/4 Kompetenzen

Embedded Librarians

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Seit einigen Jahren ist das bibliothekarische Berufsbild einem Wandel ausgesetzt. Durch die Digitalisierung und den leichten Zugriff auf Informationen wird der Rechtfertigungsdruck auf Bibliotheken immer grösser. Ein neues Selbstverständnis für die Bibliothek und das bibliothekarische Berufsbild ist daher von Nöten. Eine Strategie, die dies vermittelt, ist das Konzept des «Embedded Librarian». Der folgende Beitrag soll in die Thematik einführen und einen Einblick bieten, wie das Embedded Library-Konzept in die berufliche Praxis einer Anwaltskanzlei umgesetzt werden kann.

Der Begriff des Embedded Librarian stammt aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und wird abgeleitet vom «Embedded Journalist»1. Embedded Journalists waren im Irak-Krieg diejenigen Journalisten, welche die Soldaten bei ihren Einsätzen begleiteten, anstatt nur am Rande des Schlachtfelds zu stehen und das Kriegsgeschehen aus der Ferne zu betrachten. Beim Strategiekonzept des Embedded Librarian wird dieses Bild auf die bibliothekarische Praxis übertragen. Anstatt nur am Rande des Geschehens zu stehen und in ihrer Bibliothek zu verharren, gehen Embedded Librarians raus aufs «Spielfeld», um sich direkt vor Ort in die Organisation und Umgebung der Kundengruppe zu integrieren. Embedded Librarians sind somit «mittendrin» tätig und nicht mehr «aussen vor» und können daher ihre Bibliotheksdienstleistungen direkt auf die individuellen Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen.

Dabei können drei Formen der Einbettung unterschieden werden: physisch, organisatorisch und virtuell2. Bei der physischen Einbettung wird die Bibliothek räumlich in die Umgebung der Kundengruppe integriert, sodass der Bibliotheksbestand direkt vor Ort beim Kunden ist. Sofern auch die Organisation und das Management der Bibliothek von der Kundengruppe gesteuert wird, kann von einer organisatorischen Einbettung gesprochen werden. Als dritte Einbettungsform sei die virtuelle Einbettung zu nennen. Hierbei werden die Bibliotheksdienstleistungen in die Online-Umgebung der Kunden eingebunden. Beispiele hierfür sind E-Learning-Kurse und Online- Tutorials, virtuelle Auskunftsdienste, Instant-Messaging-Services oder Social- Media-Angebote. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer «Virtual Embedded Library».

Das Wesentliche am Embedded-Library-Konzept ist jedoch die veränderte Sichtweise der Bibliothekare auf ihre Nutzer, ihre Tätigkeiten und sich selbst. Galten bisher vorwiegend die Fragen: «Wie hole ich die Kunden in die Bibliothek?» und «Wie sorge ich dafür, dass die Kunden meine Bibliotheksdienstleistungen kennen und nutzen?», gilt es nun als Embedded Librarian, sich mit den tatsächlichen Literatur- und Informationsbedürfnissen auseinander zu setzen, um sich aktiv in die Kundengruppe zu integrieren. Während also früher die Bibliothekare darauf vertraut haben, dass die Kunden in die Bibliothek kommen, geht nun die Bibliothek zum Kunden3. Für Embedded Librarians gilt somit das Motto: «Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, geht der Berg zum Propheten! »

Zur erfolgreichen Implementierung des Strategie-Konzepts ist es auch wichtig, das Selbstverständnis der eigenen Tätigkeiten zu ändern. Embedded Librarians sind nicht nur Sachbearbeiter für Bibliotheksbelange, sie sind Informationsexperten und vertreten diese Position ihren Kunden und dem Management gegenüber. Gleichzeitig sind sie interne Dienstleister, die Mithilfe ihres bibliothekarischen und informationswissenschaftlichen Knowhows ihre Nutzergruppe bestmöglich unterstützen.

Als Embedded Librarian in der Praxis

Das Konzept des Embedded Librarian wurde bei ARQIS Rechtsanwälte unbewusst aufgenommen. ARQIS ist eine mittelgrosse Wirtschaftskanzlei, an deren drei Standorten Düsseldorf, München und Tokio derzeit 40 Anwälte tätig sind. Die Beratungsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Immaterialgüterrecht, Immobilienrecht sowie Insolvenzrecht. Die Firmenbibliothek umfasst ca. 3500 Medieneinheiten und ca. 100 laufende Zeitschriften – die meisten davon elektronisch. Der jährliche Zuwachs beträgt ca. 300 Medieneinheiten. Geleitet wird die Bibliothek von einer Bibliothekarin, die von studentischen Hilfskräften unterstützt wird. Die Informationseinrichtung ist somit eine klassische One Person Library.

Bereits bei Kanzleigründung wurde von den Partnern beschlossen, eine Informationsspezialistin einzustellen, die neben der Bibliothek für sämtliche Belange des Informations- und Wissensmanagements zuständig ist und die Anwälte mit allen benötigten Informationen versorgt4. Neben dem klassischen bibliothekarischen Geschäftsgang ist die Recherche und Informationsvermittlung ein wesentlicher Aufgabenbereich der Bibliotheksfachkraft. Hierzu zählen einfache Fundstellenrecherchen, genauso wie die Zusammenstellung von umfangreichen Literatursammlungen für wissenschaftliche Publikationen, sowie die Beschaffung von Wirtschaftsinformationen. Bei den Wirtschaftsrecherchen handelt es sich z.B. um Unternehmens-, Branchen-, Presse- oder Personenrecherchen. Da gerade bei Unternehmenskäufen eine grosse Masse an Informationen zu Unternehmen benötigt wird, hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Bibliothekarin in die Projektgruppe zu integrieren, damit diese das Team mit allen benötigten Informationen versorgt. Der ständige Austausch mit den Kollegen der Projektgruppe ist dabei von Nöten, um die jeweiligen Informationsbedürfnisse kennen zu lernen.

Neben dieser engen Zusammenarbeit mit den fachlichen Mitarbeitern, finden auch Kooperationen mit den anderen Verwaltungseinheiten statt. So werden z.B. auch Recherchen fürs Business Development von der Embedded Librarian getätigt. Im Rahmen der Personalentwicklung, die auch dem Wissensmanagement dient, gibt es enge Verbindungen zum Personalbereich. Als Spezialistin für Content wird die Bibliothekarin aber auch in IT-Projekte bezüglich Homepage, Document-Management-Systeme oder Social Media mit eingebunden.


Erfahrungen



Die Tätigkeit als Embedded Librarian ist sehr abwechslungsreich, erfordert aber auch ein hohes Mass an Flexibilität und Selbstorganisation. Kann die Bibliothekarin sich gut in die Kundengruppe integrieren, so erhält sie eine hohe Wertschätzung durch das Management und die Mitarbeiter der Institution. Die Bibliotheksfachkraft wird tatsächlich als «Informationsexperte» wahrgenommen. Eine Tätigkeit als Embedded Librarian kann somit die Position der Bibliothek innerhalb ihrer Trägerorganisation nachhaltig stärken.

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Anne Jacobs


Anne Jacobs studierte Bibliothekswesen ander FH Köln und Wirtschaftsrecht an der TU Kaiserslautern und der Universität des Saarlandes. Von 2004 bis 2005 leitete sie die Düsseldorfer und Kölner Bibliothek der Kanzlei Haarmann Hemmelrath & Partner. Seit 2006 ist sie bei ARQIS Rechtsanwälte verantwortlich für den Bereich Information and Knowledge Management. Hier ist sie erfolgreich als Embedded Librarian tätig.

  • 1 Dewey, B., «The embedded librarian: Strategic campus collaboration», Ressource Sharing and Information Networks, Vol. 17, No. 1/2, 2004, S. 6.
  • 2 Shumaker/Tylor, «Embedded Library Services: An Initial Inquiry into Practices for Their Development, Management, and Delivery», Colorado 2007 , S. 21.
  • 3 Vgl.: Ramsey/Kinnie, «The Embedded Librarian: Getting out there via technology to help students where they learn», Library Journal 4/1/2006.
  • 4 Vgl.: Jacobs, A., «Embedded Library und Embedded Librarian. Theorie und Praxis in einer Kanzleibibliothek», RBD 2011 S. 14–27.

Abstract

Les bibliothèques doivent de plus en plus justifier leur existence en raison d’une numérisation toujours plus grande et de l’accès facilité à l’information. Il est donc nécessaire qu’elles développent une nouvelle conscience d’elles-mêmes et de l’image professionnelle du bibliothécaire. Une stratégie pour cela est le concept de «Embedded Librarian» (bibliothécaire intégré), c’est-à-dire l’intégration de la bibliothèque et de son personnel dans l’environnement direct des clients afin d’adapter exactement aux besoins les services de bibliothèque et d’information. Le bibliothécaire intégré dans un groupe gagne l’estime des clients et des parties prenantes, ce qui peut renforcer la position de la bibliothèque au sein de son institution.