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2014/1 Der Alpenraum – ein Kulturraum

«Mut, Witz und Widerstand in den Bergen» – Alpenweite Vernetzung. Pro Vita Alpina

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Seit nunmehr 25 Jahren ist Pro Vita Alpina alpenweit agierender Kulturakteur. Der Hauptaktionsradius umschliesst Nordtirol, insbesondere das Ötztal, und Südtirol. In den vielfältigen Publikationen und Initiativen spiegelt sich der Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit Tradition und Moderne wider. Zum Betätigungsfeld zählen die Organisation von Einzelveranstaltungen und Festivals im den Bereichen Kunst, Literatur und Musik, Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen sowie die Sammlung historischer Dokumente und traditionellen Liedguts.

Pro Vita Alpina wurde 1972 als alpenweite Arbeitsgruppe gegründet, mit dem Ziel, die Vernetzung zwischen aktiven Vereinen, Institutionen und Einzelpersonen, die im Alpenraum zu ökologischen Schwerpunkten arbeiten, zu fördern. Gemeinsame Aktionen stellten immer wieder den Ausverkauf der Alpen in Frage. Pro Vita Alpina war mit beteiligt die Alpenkonvention zu entwickeln, setzte sich für mehrere UNESCO Biosphären-Projekte ein, sitzt nach wie vor in verschiedenen Arbeitsgruppen, Ausschüssen und Gremien, die sich mit unterschiedlichen Themen der nachhaltigen Entwicklung der Alpen beschäftigen.

«Mut, Witz und Widerstand» war der Pro-Vita-Alpina-Slogan der ersten Stunde.

1989, vor 25 Jahren, wurde es notwendig, die lose Struktur der Arbeitsgruppe Pro Vita Alpina zu festigen, es wurden zwei Vereine gegründet, einer in Nordtirol, einer in Südtirol.

In Österreich standen Gerhard Prantl als Geschäftsführer und Hans Haid als Obmann dem nunmehr eingetragenen Verein Pro Vita Alpina Österreich vor. Die Schwerpunkte der Arbeit verlagerten sich immer mehr auf Kunst und Kultur. Zahlreiche Konzepte und Projekte wurden für das Gebiet Kulturraum Ötztaler Alpen und darüber hinaus entwickelt.

Hans Haid, der zu seinem 70. Geburtstag als Ehrenobmann ernannt wurde, folgten Luise Gafriller, sie arbeitet in der Südtiroler Landesverwaltung, und Britta Fugger, Volkskundlerin, als Obfrauen nach. Jetzt sind Florentine Prantl als Geschäftsführerin und Sonja Steger als Obfrau mit einem aktiven Vorstand und zahlreichen Beiräten das Kernteam des Vereins Pro Vita Alpina Österreich.

Pro Vita Alpina-Slogan Südtirol wurde als eigenständiger Verein unter dem Triumvirat der drei Forscherinnen Maria Dal Lago Veneri, Anna Ratti und Gerlinde Haid (verstorben 2012) gegründet. Nach der langjährigen Obmannschaft des Südtiroler Publizisten Hans Wielander folgte Luise Gafriller als Obfrau. Luise Gafrillers Schwerpunkte liegen bei Kulturwanderungen mit Musik und Poesie. Sie organisiert unter anderem das kulturell-ökologische Projekt «Frauen am Berg – Feuer in den Alpen» – es wird heuer zum 12. Mal durchgeführt – mit umweltpolitischen Inhalten und eine jährliche Ausstellung mit Künstlerinnen aus Nord- und Südtirol.

Pro Vita Alpina International ist ein alpenweites Netzwerk, das weiterhin von Hans Haid betreut wird. Gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau Gerlinde Haid und seiner Tochter Barbara Haid sind in der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen, Forschern, Autorinnen und Fotografen und vor allem Musikerinnen und Sängern aus dem gesamten Alpenraum zahlreiche Forschungsprojekte und Publikationen entstanden. Nicht zu vergessen ist auch die umfassende Sammlung von Hans und Gerlinde Haid zu alpenweit relevanten Themen, die nun auf verschiedene Archive und Forschungsabteilungen von Universitäten im Alpenraum aufgeteilt wird.

Projekte und Initiativen: eine Auswahl

Immaterielles Kulturerbe der UNESCO Ötztaler Dialekt und Transhumanz/Schafwandertriebe in den Ötztaler Alpen. 

Die Mundart des Ötztales

Das Ötztalerische gilt in Tirol und darüber hinaus als etwas Besonderes. Zahlreiche Tonaufnahmen von verschiedenen Gewährspersonen befinden sich im Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften und im Archiv von Pro Vita Alpina im Gedächtnisspeicher des Längenfelder Freilichtund Heimatmuseums. Die Ötztaler Mundart überbietet mit ihren Antiquitäten alle anderen Binnenmundarten, bewahrt des öfteren Differenzierungen, wie sie sonst bereits um 1100 nicht mehr verwendet wurden, und ist auf der Lautstufe des 12. Jahrhundert stehen geblieben1. Die intensive wissenschaftliche Forschung und die Lebendigkeit des Dialektes waren ausschlaggebend dafür, dass die UNESCO den Ötztaler Dialekt 2010 auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen hat.

Transhumanz/Schafwandertriebe

Aus der Ur- und Frühgeschichtsforschung ist inzwischen gesichert, dass es die Schaftriebe über die zum Teil vergletscherten Jöcher seit mindestens 6000 Jahren gibt. Die Transhumanz in den Ötztaler Alpen ist eine besondere Form des Schafwandertriebs. Die Wanderungen verlaufen über das Timmelsjoch (2494 m), das Hochjoch (2885 m) und das Niederjoch (3017 m) und gelten als die einzige grenzüberschreitende Transhumanz in den Alpen, die über Gletscher führt. Dabei werden nicht nur klimatische, sondern auch Ländergrenzen überschritten. Jährlich werden im Frühsommer rund 5000 bis 5500 Schafe aus Südtirol in die Ötztaler Weidegebiete geführt und im Herbst wieder zurückgetrieben.

Im Jahr 2011 wurde der Antrag der Vereine Kulturverein Schnals und Pro Vita Alpina unter dem Titel «Transhumanz – grenz- und gletscherüberschreitende Schafwandertriebe zwischen Süd- und Nordtirol in den Ötztaler Alpen Schnalstal – Ötztal – Passeiertal» in das Verzeichnis der immateriellen Kulturgüter der UNESCO-Kommission Wien aufgenommen.

Pro Vita Alpina und der Kulturverein Schnalstal sehen diese Eintragung als wichtigen Meilenstein für die Sicherung dieser einmaligen Tradition, aber auch als Möglichkeit, sich diesem Thema auf vielfältige Weise zu nähern und dadurch die Beziehungen des einstigen gemeinsamen Kulturraumes aufrechtzuerhalten und zu beleben.

Transhumanz Kalenderprojekt mit dem Kulturverein Schnalstal

Ganz in diesem Sinne verwirklichen die beiden Kulturvereine folgendes Kalenderprojekt: 2015 wird der Kalender «Transhumanz. Schafe. Schäfer. Sommerweiden» erscheinen. Die Fotografien für diesen Kalender gehen aus einem internationalen Fotowettbewerb hervor, der noch bis zum Sommer 2014 läuft. Der Südtiroler Autor und Kulturpublizist Sebastian Marseiler verfasst Kurzessays zu den Bildern2.

mundARTgerecht – Dialektmusik im Alpenland

Mit dem Dialektmusikfestival «mundartgerecht – Dialektmusik im Alpenland» inszeniert der Kulturverein Pro Vita Alpina nach dem gemeinsamen Buch- und CD-Projekt «Tiroler Land, wie bist du …? Tirolo come sei …?», eine neuerliche Zusammenarbeit zwischen Nord- und Südtiroler Musikschaffenden.

Dialektmusikgruppen werden eingeladen, in den Wirtshäusern, Cafés, Bars und Gasthäusern – bzw. in den Gastgärten – im Ortszentrum des Ötztaler Orts Längenfeld zu spielen. Das Publikum hat durch die Vielfalt an Schauplätzen und an unterschiedlichen Musikgruppen die Möglichkeit, von einem Aufführungsort zum nächsten zu schlendern, sich zu treffen, zu kommunizieren, Ötztaler Schmankerln aus den Gasthäusern zu geniessen und den MusikantInnen zuzuhören.

Literatur, Musik und Kunst

Regelmässig organisiert Pro Vita Alpina Veranstaltungen in den Bereichen Literatur und Musik sowie Ausstellungen.

Bücher und weitere Publikationen

Pro Vita Alpina Informationen: Zeitschrift für Kultur und Entwicklung im Alpenraum

Die Pro Vita Alpina-Zeitschrift kreiste im Laufe der Jahrzehnte um vielfältige und spannende Schwerpunktthemen: «Der Maler Albin Egger-Lienz im Kulturraum Ötztaler Alpen und darüber hinaus», «von Hebe-Ammen und Hebe- Ahninnen. Von Wehmüttern und Weisen Frauen. Geburt und Geburtshilfe in Bergtälern aufgezeigt an Beispielen aus Südtirol, Tirol und Oberitalien», «Die Baukultur im Alpenraum», «Auf den Spuren des Mannes aus dem Eis», und zahlreiche andere Publikationen wurden veröffentlicht.

Das Zusammenspiel von historischen Dokumenten, Zeitzeugenberichten, Feldforschungen, Bild- und Textmaterial ergibt einen originellen und vertiefenden Einblick in die jeweiligen Themen. Junge Wissenschaftlerinnen und Forscher werden mit den Feldforschungen betreut. Sie erhalten damit eine Möglichkeit, in ihren Heimatregionen zu forschen, Erfahrungen zu sammeln und publiziert zu werden.

Augenschmaus und Mundwerk – Gerichte mit Geschichte

In Vorbereitung ist derzeit das Projekt «Augenschmaus und Mundwerk» bei dem es um die Essenskultur im Kulturraum Ötztaler Alpen geht. Hier sind Volkskundlerinnen, Historiker, Politikwissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und natürlich viele Menschen aus den Tälern mit eingebunden. Wir versuchen anhand von Geschichten rund um das Essen ein Bild zu zeichnen, das die Veränderungen in der Essenskultur in den letzten 100 Jahren deutlich macht und gleichzeitig einige fast vergessene Rezepte wieder in Erinnerung ruft.3

Tirolerland wie bist du? Tirolo come sei?

Klingendes, Kritisches, Berührendes – Bekanntes, Unbekanntes, Vergessenes nicht nur anlässlich des Hofer-Gedenkjahres: – eine literarisch-musikalische Reise durch das Land Tirol – ein grenzüberschreitendes Kulturprojekt zwischen Nord- und Südtirol Literarische Betrachtungen von Nordund Südtiroler AutorInnen über die, zur und aus der Tiroler Geschichte waren Ausgangspunkt und das Zentrum, um das die Kulturinitiativen Südtiroler AutorInnen Vereinigung, der Ost-West Club Meran und Pro Vita Alpina ihr organisatorisches Netzwerk verdichteten, um das Entstehen eines musikalisch/literarischen Gesamtkunstwerkes zu ermöglichen.

Aus den geschichtlichen Betrachtungen entstanden Liedtexte, daraus Kompositionen und musikalische Interpretationen. Daraus ist auf anspruchsvollste Weise ein unkonventioneller, im wahrsten Sinne des Wortes hörbarer Korpus entstanden, der es vermag, die Landesgeschichte erklingen zu lassen und somit eine andere Form der Geschichtsannäherung ermöglicht4.

musica alpina – authentische Volksmusik im Alpenraum

«Vor dem Vergessen bewahren und erlebbar machen» ist einer der wichtigen Schwerpunkte der Arbeit von Pro Vita Alpina. Diesem Motto haben sich alle aktiven Mitglieder des Vereins mehr oder weniger verschrieben. Jahrzehntelang befassten sich die Musikwissenschaftlerin Gerlinde Haid und der Volkskundler Hans Haid mit dem Aufspüren, Aufzeichnen und Festhalten von alpenländischem Liedgut. Aus diesen Forschungen sind bisher acht CDs mit alpenländischer Musik in vier Doppelalben als Edition musica alpina entstanden. Jede CD hat ein anderes Schwerpunktthema, das regional oder thematisch unterschiedlich ist. Die Sammlung der Lieder aus jeder CD wird von einem umfassenden Booklet mit Liedtexten, Informationen über die Entstehung – soweit bekannt, die Rezeptionsgeschichte, die Interpreten und die Region, in der die Lieder vorkommen, begleitet. Hier wird als musica alpina Nummer IX & X im Sommer 2014 der letzte Teil der Edition entstehen.

Der Kulturverein Pro Vita Alpina bemüht sich, Brücken zwischen dem Gestern, Heute und Morgen zu bauen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der touristischen, ökologischen, ökonomischen, bäuerlichen und kulturellen Situation ist die Basis der Arbeit. Für Pro Vita Alpina ist die Kooperation mit Partnervereinen und die Vernetzung von heimischen Wirtschaftstreibenden, Kulturschaffenden, WissenschaftlerInnen, bildenden KünstlerInnen, MusikerInnen und LiteratInnen fundamental. Wir sehen unsere Vernetzungsarbeit und Kulturtätigkeit als relevante Beiträge zu einer Verbesserung der lokalen Lebensqualität und damit zur Verbesserung der Lebensbedingungen.

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Florentine Prantl

Geschäftsführerin Pro Vita Alpina

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Sonja Steger

Obfrau, Pro Vita Alpina

  • 1 Schlern Schriften Nr. 229, Ötztaler Buch, S. 90, Artikel von Prof. Kanzmayer. Innsbruck, 1963.
  • 2 Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.kulturverein-schnals.it.
  • 3 Das Buch zur Feldforschung wird im Frühjahr erscheinen.
  • 4 Buch und CD: Tiroler Land wie bist du ...? Eine musikalisch-literarische Reise. Ein grenzüberschreitendes Kulturprojekt. Tirolo come sei ...?, Herausgeber Pro Vita Alpina, Verlag Bona Editio, Mötz 2011.

Abstract

Pro Vita Alpina a été fondée en 1972 comme groupe de travail avec le but de favoriser la mise en réseau entre associations, institutions et personnes travaillant dans l’espace alpin autour des questions écologiques. «Courage, esprit et résistance dans les montagnes» était le slogan de la première heure de Pro Vita Alpina. Quand, il y a 25 ans, en 1989, il sera nécessaire de renforcer la structure du groupe de travail Pro Vita Alpina, deux associations seront créées, l’une dans le Tyrol du Nord et l’autre dans le Tyrol du Sud. Pro Vita Alpina International continue d’agir comme réseau alpin sous la houlette de Hans Haid. Actuellement, Florentine Prantl, directrice générale, et Sonja Steger, présidente, sont le noyau de l’association Pro Vita Alpina Autriche, soutenues par un comité actif et de nombreux conseils, alors que Luise Gafriller est l’actrice dans le Tyrol du Sud.

Le coeur du travail s’est de plus en plus déplacé vers l’art et la culture. Pro Vita Alpina organise régulièrement des événements dans les domaines de la littérature et de la musique, ainsi que des expositions. L’association culturelle Pro Vita Alpina s’efforce de construire des ponts entre tradition et modernité. La coopération avec des associations partenaires et la mise en réseau d’acteurs économiques, culturels, scientifiques et artistiques est fondamentale. (traduction: gk)