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2014/1 Der Alpenraum – ein Kulturraum

Alpen: vom geografischen Raum zum Kulturraum

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Die Bevölkerung der Alpen verteilt sich auf acht Länder und eine Fläche von 190912 km2. Die circa 14 Millionen Menschen bewohnen ein vielgestaltiges Gebiet, das über ein reiches kulturelles Erbe verfügt. Der Weg ist noch lang bis zur politischen Anerkennung eines spezifischen geografischen Raums und zur Förderung als Kulturraum, aber die ersten Leitplanken sind gesetzt.

Der Rahmen: die Alpenkonvention

Die im Rahmen der 2. Alpenkonferenz in Salzburg (Österreich) am 7. November 1991 ratifizierte Alpenkonvention ist ein veritabler Vertrag über die nachhaltige Entwicklung der Alpen und bildet ein erstes rechtliches Instrument, das den Alpenbogen als geografische, umfassende Einheit definiert und dessen Abmessungen klar angibt. Der Vertrag wurde am 7. November 1991 in Salzburg von Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, Liechtenstein, der Schweiz und der Europäische Union unterzeichnet. Slowenien unterzeichnete den Vetrag am 29. März 1993. Der Rahmenvertrag steckt die wirtschaftlichen, sozialen, umweltbezogenen und kulturellen Dimensionen des Alpenraumes ab. Es gab allerdings zahlreiche Hindernisse zu überwinden, bevor dieser grundlegende Text zu Papier gebracht werden konnte. Wie Daniel J. Grange, Professor für zeitgenössische Geschichte an der Universität Grenoble II, ausführt, bildete die Alpenwelt nie wirklich eine einheitliche politische Einheit. Es gab deshalb auch nie eine einigende Kraft, die dazu in der Lage gewesen wäre, einen systemischen Ansatz zu liefern1. Hinzu kommen noch sprachliche Hindernisse.

Dabei wäre das Grundkapital durchaus ansehnlich: eine strategische Lage im Herzen Europas, grandiose Landschaften, die Lebensqualität bieten, die technischen Fortschritte der Vergangenheit, vor allem im Transportbereich2. Entscheidend – und symptomatisch für den Willen, eine gemeinsame Identität in den Alpenregionen herauszubilden"– wird schliesslich auch die Vernetzung (und die sich daraus ergebende Verbreitung von Wissen) von universitären Einrichtungen, Labors, Forschungsbüros und I+D-Zentren sein. Die nachfolgenden Seiten geben einen (bescheidenen) Überblick über die damit verbundenen Aktivitäten.

Bevölkerung und Kultur

Anlässlich der 9. Alpenkonferenz, die im November 2006 in Alpbach (Österreich) durchgeführt wurde, wurde die Deklaration «Bevölkerung und Kultur» von den anwesenden Umweltministern ratifiziert. Die Deklaration ruft zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt auf, die im Alpenraum vorzufinden ist, und strebt ein echtes, kollektives Alpenbewusstsein an. In der Deklaration werden 22 Massnahmen in den folgenden fünf strategischen Bereichen vorgeschlagen3:

Gemeinschaftsbewusstsein und Kooperation: Förderung und Weiterentwicklung von Partnerschaften zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in den Alpen, Aktivitäten, die der Bevölkerung den Zugang zu historischen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Kenntnissen über den alpinen Lebensraum vermitteln, Zusammenarbeit zwischen alpinen und ausseralpinen Regionen, Realisierung von kulturellen Anlässen, insbesondere zum Thema Berge, Bildung und Stärkung der alpinen und internationalen Netzwerke.

Kulturelle Vielfalt: Wertschätzung des Reichtums an materiellen und immateriellen Kulturgütern, Unterstützung bei der Wissensvermittlung, Förderung der modernen alpinen Kultur, Erhalten und Entwickeln der Traditionen, Förderung der sprachlichen Vielfalt, Anerkennung und Wertschätzung des toponymischen Kulturguts, Förderung der alpinen Kunstproduktion in sämtlichen Ausdrucksformen.

Lebensraum, Lebensqualität und Chancengleichheit: Erhaltung und Modernisierung^der vorhandenen Lebensräume, Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsprinzipien bei der Planung und Durchführung von Baumassnahmen, beim Unterhalt und beim Ausbau sowie Entwicklung eines Grundangebots für die Bevölkerung, Beibehalten und Entwickeln eines Angebots von Schulen, Berufsausbildungs- und Weiterbildungsstätten, Zurverfügungstellen eines kulturellen und sportlichen Freizeitangebots zugunsten der einheimischen Bevölkerung, Unterstützung von Medien, die regionale Sprachen fördern...

Wirtschaftsraum: spezifische Regionalpolitik im Hinblick auf eine ausgewogene, vielfältige und selbstständige Gebietsentwicklung.

Rolle der Städte und der ländlichen Räume: Berücksichtigen von deren heterogenen und voneinander abhängigen Eigenschaften, Anerkennen der Rolle, die intraalpine Städte als Dienstleistungszentren (soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dienstleistungen) spielen. Bibliotheken, Archive, Dokumentationszentren und Museen des Alpenraums beteiligen sich an dieser spezifischen Kulturpolitik. Mit bescheidenen Mitteln zuweilen, aber unbestreitbar mit Dynamismus, wie die Artikel im vorliegenden Dossier belegen.

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Stéphane Gillioz

Rédaction arbido

  • 1 Cf. L’espace alpin et la modernité. Bilans et perspectives au tournant du siècle. Presses universitaires de Grenoble, 2002, S. 9.
  • 2 Ibid., S. 10.
  • 3 Cf. Deklaration Bevölkerung und Kultur, November 2006, www.alpconv.org.