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2013/3 Reden wir vom jungen Publikum!

Zwischen Anonymität und Beziehung: die Kinder- und Jugendabteilung der Kantonsbibliothek

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Die Kantonsbibliothek Baselland ist die grösste Bibliothek im Kanton und mit ihren rund 90 000 Freihandmedien aller Art, verteilt auf vier Stockwerken, ein attraktiver Anziehungspunkt. Für eine Bi- bliothek dieser Grösse ist es nicht immer einfach, auf die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer einzugehen. Mit Kindern und Jugendlichen möchten wir auf einer persönlichen Ebene kommunizieren und ihnen die Bibliothek als tollen Lern- und Freizeitort näherbringen. Dafür nutzen wir beispielsweise Workshops mit Schulklassen, Familienveranstaltungen oder spezielle Medienangebote. Es ist unser Ziel, die Bibliothek als Ort zu gestalten, an dem sich Jugendliche, Kinder und Familien gerne aufhalten. Die positiven Reaktionen der Bibliotheksbesucherinnen und -besucher sind für uns Ansporn und Motivation.

«Wir fanden die Bibliothek spannend und aufregend. Wir werden auch immer wieder kommen.»

Dieses Feedback findet sich auf dem Jugendblog der Kantonsbibliothek Baselland (blog.kbl.ch). Solche Aussagen sind für uns Kinder- und Jugendbibliothekarinnen Ansporn, uns trotz knapper Ressourcen immer wieder für eine gute Beziehung zu unsern jungen Nutzerinnen und Nutzern einzusetzen.

Die Kantonsbibliothek Baselland ist die grösste Bibliothek im Kanton und mit ihren rund 90 000 Freihandmedien aller Art, verteilt auf vier Stockwerken, ein attraktiver Anziehungspunkt. Die Kinder- und Jugendabteilung mit insgesamt 23 000 Medieneinheiten befindet sich im 1. Obergeschoss – mitten im Erwachsenenangebot.

Der persönliche Kontakt zu den Bibliotheksbesucherinnen und -besuchern ist bereichernd und ist uns wichtig. Allerdings gerät er in diesem grossen Haus und durch die RFID-Selbstausleihe oft in den Hintergrund. Familien, Kinder und Jugendliche sind weitgehend auf sich selbst gestellt. Die Mitarbeiterin an der Infotheke im 1. OG ist zwar jederzeit für Fragen ansprechbar, aber gleichzeitig auch für das Zurückräumen der zahlreichen Medien verantwortlich.

Für die Jugendlichen bietet diese Anonymität und Selbstständigkeit durchaus Vorteile: Sie können ungestört von Erwachsenen ihre Medien suchen und selbstständig ausleihen. Dies geniessen sie. Selbstbewusste Jugendliche holen sich benötigte Auskünfte oder Empfehlungen an der Infotheke, andere verlieren sich aber in der Grösse des Ortes, der Unüberschaubarkeit des Medienangebotes und der Anonymität.

Mit Jugendlichen in Kontakt treten

Wir haben deshalb Nischen geschaffen, wo persönliches Ansprechen möglich ist. Eine davon ist der Ferienpass. Pro Jahr besuchen bis zu hundert Kinder und Jugendliche in den Sommerferien die Workshops der Kantonsbibliothek. Dabei legen wir Wert auf Medienvielfalt: Sie bloggen, drehen StopMotion-Filme, erfinden Geschichten, die sie dann spielen oder sogar als Fotoromane umsetzen. Zum Einsatz kommen iPads, Kameras, Computer, Papier und Bleistift, als Kulisse dient die ganze Kantonsbibliothek.

Eine weitere Möglichkeit, mit Jugendlichen in persönlichen Kontakt zu treten, ist die Freiwilligenarbeit. Seit der Eröffnung der neuen Kantonsbibliothek im Jahre 2005 hatten wir immer wieder Schülerinnen und Schüler, die in Randstunden und an Samstagen in der Kinder- und Jugendbibliothek mithalfen. Nicht nur ihre Hilfe ist uns willkommen, sondern auch ihr Wissen, ihre Meinung und ihre Ausstrahlung als Botschafter der Bibliothek gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mit- schülern. Leider hat das Projekt nicht überlebt, und wir versuchen dieses Jahr mit Benevol Baselland neu zu starten. Wir stellen uns vor, dass Jugendliche bei uns auch in ein Projekt rund um den Jugendblog und Facebook eingebunden werden könnten.

Wie Kerstin Keller-Loibl in ihrer Untersuchung «Das Image von Bibliotheken bei Jugendlichen. Empirische Befunde und Konsequenzen für Bibliotheken» (2012) zeigt, ist neben einem modernen Medienbestand die Aufenthaltsqualität für die Jugendlichen wichtig.

Mit der neuen Bibliothek war es auch unser Ziel, unsere Räumlichkeiten als angenehmen Aufenthaltsort für Jugendliche zu gestalten. Viele Schülerinnen und Schüler kommen in Zwischen- oder Randstunden in die beim Bahnhof zentral gelegene Bibliothek. 

Die Mehrzahl der Computer mit Internetanschluss (pro Tag und Benutzer dreissig Minuten kostenlos) steht in der Jugendabteilung. Die Abfrage von sozialen Netzwerken ist immer noch eine Hauptanwendung, unterdessen werden dazu aber auch die persönlichen Smartphones mit unserem kostenlosen WLAN genutzt. Im Winter sind zudem die bequemen Stühle bei den Comics, im Sommer die grosszügige Leseterrasse mit Liegestühlen und Sonnenschirm begehrte Orte.

Von der Führung zum Erlebnis

Ebenfalls mit Keller-Loibl sind wir der Ansicht, dass mit den Bibliotheken als Orte des lebenslangen Lernens auch die Bibliothekspädagogik immer bedeutender wird. Wir haben deshalb unsere «Führungen» zu «Workshops» umgebaut, die erlebnisorientiert gestaltet sind, nach dem Motto «selber entdecken und Erfahrungen sammeln»: Detektive suchen verschwundene Bücher, Recherche-Profis nach ihren Lieblingsbüchern, die sie in einem Buchcasting zum Superbuch küren lassen, sie lernen die Medienvielfalt der Bibliothek auch beim Gamen kennen, oder sie tauchen einen ganzen Morgen in die Sinneswelt der Bibliothek ein. Haben Sie gewusst, dass Medien einen ganz eigenen Geruch haben, den auf einem Tonband zu beschreiben nicht immer ganz einfach ist?

Eines der Module soll die Bibliothek auch ins Schulzimmer tragen und die Medienkompetenz der Kinder fördern. Ein Workshop in der Kantonsbibliothek kann im Klassenzimmer auf einer Internetplattform vor- und nachbereitet werden. Der Klasse werden auf spielerische Weise Bibliothek und Umgang mit dem Internet nähergebracht. Da Liestal keine Stadtbibliothek führt, kommen die Liestaler Primarschülerinnen und -schüler jährlich in die Kantonsbibliothek, um bei einem auf ihre Schulstufe abgestimmten Workshop mitzumachen. Wichtig ist uns auch hier, dass den Schülerinnen und Schülern nicht «gesagt» oder «gezeigt» wird, wie eine Bibliothek zu nutzen ist, sondern dass sie es «erfahren» können und aus Überzeugung wieder kommen, weil eine Bibliothek etwas «Cooles» ist.

Unser Angebot an Kinder- und Jugendbüchern in zehn verschiedenen Sprachen vermitteln wir über Führungen und Weiterbildungen für Lehrpersonen und in Zusammenarbeit mit Sprachlernspielgruppen und Familienprojekten des Roten Kreuzes. Bei Veranstaltungen mit fremdsprachigen Eltern können Schwellenängste abgebaut und der Weg der Kinder in die Bibliothek geebnet werden.

Die Beziehungen zwischen Schule und Bibliothek spielen natürlich nicht nur auf Kantonsbibliotheksebene. Von der Primarschule bis zur Sekundarstufe II existieren im ganzen Kanton Bibliotheken für Schülerinnen und Schüler. Auf Sekundarstufe I hat das Pilotprojekt «Lesezentrum» der Sekundarschule Oberdorf für grosse Aufmerksamkeit gesorgt. Dieses wurde 2009 unter der Ägide der «Fachstelle Schulbibliotheken» der Kantonsbibliothek eingerichtet. Die Evaluation und der Abschlussbericht 2013 zeigen, dass das Projekt ein voller Erfolg ist. Das Lesezentrum Oberdorf soll deshalb auch nach der Pilotphase in dieser Form weitergeführt werden, andere Sekundarschulen sollen dem Beispiel folgen.

Bibliothek von klein auf

Die Kinder beziehungsweise ihre Eltern begrüssen wir bereits wenige Monate nach der Geburt. Mit einer aktiven Beteiligung am schweizweiten Projekt «Buchstart» möchten wir Familien dabei unterstützen, den Kindern möglichst früh Kontakt mit Büchern und Sprache zu ermöglichen. Neben dem Buchgeschenk und der Baby-Bibliothekskarte bieten wir den Krabbelkindern Pappbilderbücher. Gleich nebenan finden Eltern alles zum Zusammenleben mit Kindern: von der Erziehung über das Kochen bis zum Reisen mit der Familie. Dieser Themenbereich besteht seit dem Umzug ins neue Haus 2005 und ist einer der erfolgreichsten. Auf der Veranstaltungsagenda finden sich zahlreiche Familienveranstaltungen. Der Sonntag – von Oktober bis April hat die Kantonsbibliothek am Sonntag von 9 bis 16 Uhr geöffnet – ist als Familientag beliebt. So kommen am Sonntagmorgen Kinder, Eltern, Grosseltern, Gotti, Götti in die Kantonsbibliothek, stärken sich vielleicht mit einem Zmorge im Bibliothekscafé, lauschen der musikalisch und szenischen Lesung von Claudia Carigiet und Jürg Kienberger, klatschen zu Kinderversen von Susanne Stöcklin-Meyer oder lassen sich gefangen nehmen vom Figurentheater von Margrit Gysin. Anschliessend finden sich oft die Väter mit ihren Kindern wieder in der Kinderecke, um zusammen ein Bilderbuch anzuschauen.

Hier in der Kinderecke öffnet sich auch einmal im Monat der Geschichtenkoffer: Es wird geturnt, gerätselt, gebastelt und mit allen Sinnen eine Geschichte erlebt. Das Rüstzeug dazu konnten sich die Mitarbeiterinnen in einer speziellen Weiterbildung aneignen.

Der Kontakt zu den Familien, Kindern und Jugendlichen wird auch ausserhalb der Bibliotheksräume gesucht. An Veranstaltungen im Stedtli Liestal und mit der Sommerbibliothek im Schwimmbad inkl. Geschichtenstunde finden «Noch-nicht-Nutzer» den Kontakt zur Kantonsbibliothek.

Orientierungshilfen

Oft scheitern grosse und kleine Nutzer an der enormen Auswahl, die eine Kantonsbibliothek bietet. Der «Grosselternkoffer» bietet einen Service der Vorauswahl, der sehr geschätzt wird. In den handlichen Koffer haben wir 10–15 Kindermedien gepackt. Die Grosseltern können wählen zwischen verschiedenen Themen und Altersgruppen.

Eine Hilfestellung bieten wir seit zwei Jahren auch für die Auswahl bei der Kinderbelletristik. Die traditionelle Aufstellung nach Autor wird aufgebrochen, indem wir einzelne Bereiche themenorientiert (TOM) aufstellen. Umsetzen konnten wir das bei den Kinderbüchern für die Bereiche «Ich kann lesen», «Märchen», «Zum Vorlesen» und «Immer aktuell». Bei der Jugendbelletristik werden wir die schon lange fällige Umstellung erst dieses Jahr in Angriff nehmen können – bisher musste dies aus Ressourcenmangel immer wieder verschoben werden. Solche Projekte sind für uns meist nur mithilfe der Jugendlichen selbst möglich – im Rahmen eines Ferienjobs.

Balance zwischen Alltagsgeschäft und neuen Ideen 

Wie die ganze Bibliothek befindet sich auch und gerade der Kinder- und Jugendbereich in einem ständigen Umbruch. Wir sind stets auf der Suche nach der richtigen Balance zwischen Alltagsgeschäft und vielfältigen Projekten – Ideen sind zuhauf vorhanden, aber leider verlangt die Ressourcenbeschaffung immer wieder einiges an Kreativität. Die Mitarbeitenden sind auch bereit, ihre Kompetenzen laufend zu verbessern. So wurden in den letzten Jahren in unserem Team verschiedene Lehrgänge absolviert: Fernkurs Kinder- und Jugendliteratur der STUBE Wien, Leseanimatorin SIKJM, CAS Eventmanagement und MAS Educational Technology an der Hochschule Luzern.

Kinder und Jugendliche lassen sich sehr rasch für die Bibliothek begeistern. Dies setzt bei uns immer wieder neue Energien frei, denn dieses Potenzial möchten wir unbedingt nutzen. Schliesslich sind sie die Entscheidungsträger von morgen, und wenn sie ein positives Bild der Bibliothek mitbekommen, kann uns das nur nützen.

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Sybille Rudin

Kantonsbibliothek Baselland 

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Caroline Ruosch

Kantonsbibliothek Baselland

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La bibliothèque cantonale de Liestal est la plus grande bibliothèque du canton. Forte de 90 000 médias de tous types, répartis sur quatre étages, elle est très attractive. Pour une bibliothèque de cette taille, il n’est pas toujours facile d’entretenir des liens avec les utilisatrices et utilisateurs individuels. Avec les enfants et les jeunes, le personnel cherche à instaurer une relation personnelle afin de présenter la bibliothèque comme lieu d’apprentissage et de loisirs. Pour y parvenir, sont organisés, par exemple, des ateliers avec des groupes scolaires, des événements familiaux ou des offres documentaires spéciales. L’objectif est de faire de la bibliothèque un endroit où les jeunes, les enfants et les familles aiment à se retrouver. Les réactions positives des visiteurs de la bibliothèque sont des sources certaines de motivation.