E-Mail-Archivierung, die brennenden Punkte
Die vielen Besuche bei Firmenkunden verschiedenster Grösse haben gezeigt, dass ihr vordringlichstes Problem im Bereich des Records Managements die schwer kontrollierbare Flut an E-Mails in der Geschäftstätigkeit ist. Die diesbezüglichen Herausforderungen tangieren dabei aber nicht nur die rechtssichere Ablage von E-Mails, sondern auch die Speicherkapazitätsengpässe oder die Nutzung von E-Mails in den Geschäftsprozessen.
EMails gehören zweifellos zu den sehr unstrukturierten Informationsträgern. Sie enthalten eine stark divergierende Vielfalt von Inhalten und Anhängen. Allein schon deshalb steigt die Herausforderung mit jedem Tag, dieses Instrument hinsichtlich der geschäftsrelevanten Nutzung zu beherrschen.
IT-Abteilungen aller Unternehmen sehen sich mit rasch wachsenden E-Mail Accounts ihrer Mitarbeitenden konfrontiert, und die Fragestellungen bezüglich eines adäquaten Managements derselben nehmen einen zunehmend komplexen Charakter an. Umfassten E-Mails noch vor wenigen Jahren vor wiegend Lauftext, haben sie sich heute zu komplexen Gebilden meist sehr IT affiner User entwickelt. Mittlerweile sind grafische Mails mit Webinhalten, PDF, Office oder animierten Anhängen zum Alltag geworden. Dies führt dazu, dass die Datenmengen in E-Mail Accounts stark anwachsen.
Dieses Datenwachstum hat zur Folge, dass die Kosten für den Speicher beziehungsweise für die Serverinfrastruktur von Unternehmen in den letzten Jahren stark gestiegen sind und weiter steigen werden. In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen zudem bei der Katastrophenvorsorge mehr Zeit für das Backup und einen allfälligen Restore einplanen. Um der Problemstellung des übermässigen Wachstums proaktiv zu begegnen, behelfen sich IT Leiter nicht selten mit einer Grössenbeschränkung der Mailboxen. Diese führt jedoch oft dazu, dass Mitarbeitende entweder lokal Ablagen anlegen oder E-Mails gar nach eigenem Gutdünken löschen (Brossi & Winkler, 2008). Dies ist aus mindestens zwei Gründen nicht ungefährlich. Zum einen kann es vor kommen, dass dadurch geschäftsrelevante E-Mails nicht ordnungsgemäss aufbewahrt werden. Zudem verschwinden Informationen auf lokalen Datenträgern oder ganz aus dem Unternehmen, was zu einem Verlust von Wissen führt.
Gemäss einer Studie von Bearing Point aus dem Jahre 2008 gingen 2/3 der befragten Entscheidungsträger von mehr als 500 Unternehmen davon aus, dass mehr als 25% ihrer EMails geschäftskritischen Inhalt haben, 1/3 war sogar der Ansicht, dass mehr als 50% der EMails geschäftskritisch sind (Bearing Point, 2008). Im Gegensatz dazu gaben 15% der Befragten an, keine Archivierung vorzunehmen, während 51% er klärten, ihre EMails in persönlichen Ablageordnern zu speichern (Bearing Point, 2008). Im Streitfall ist die Rechtsabteilung oder Geschäftsleitung eines Unternehmens darauf angewiesen, dass geschäftsrelevante EMails schnell gefunden und dass innerhalb einer angemessenen Frist (in der Regel innert zweier Wochen) auf sie zugegriffen werden kann (Art. 6 GeBüV). Sehr schwierig gestaltet sich diese Suche, wenn E-Mails in lokalen Archiven abgelegt wurden. Zudem besteht bei solchen Archiven die Gefahr, dass EMails von ausgetretenen Mitarbeitenden de facto verloren sind. Ebenfalls ausserhalb des notwendigen Zugriffsbereichs sind die relevanten EMails, die den oben erwähnten Löschaktionen einzelner Mitarbeitender aufgrund von Platzmangel in den Mailboxen zum Opfer gefallen sind.
Im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der Relevanz einer adäquaten E-Mail Aufbewahrung darf aber eine wichtige Interessengruppe nicht vernachlässigt werden. Es sind dies die Mitarbeitenden der verschiedenen Aufgabengebiete einer Unternehmung. Sie arbeiten täglich direkt für Kunden, für Lieferanten oder in Projekten und erbringen so wertschöpfende Leistungen im betriebswirtschaftlichen Sinn. Die Personen dieser Interessengruppe, die wohl das Gros aller Angestellten ausmacht, verstehen ihren E-Mail-Account als Kommunikationsmittel und Nachschlagewerk von unschätzbarem Wert. Dabei ist das Bewusstsein wichtig, dass dieses Wissen kein persönliches Gut ist, sondern zum Grossteil erfolgskritisches Knowhow für das gesamte Unternehmen beinhaltet.
Die Frage nach der «richtigen» E-Mail Archivierungslösung für ein Unternehmen kann nur beantwortet werden, wenn alle drei relevanten Zielgruppen und ihre Motivation berücksichtigt werden. Geschäftsleitung, IT-Abteilung und die Mitarbeitenden der Fachbereiche verfolgen, wie bereits erwähnt, alle unterschiedliche Ziele und betrachten die Thematik der E-Mail Archivierung aus entsprechend anderen Blickwinkeln.
Wenn in diesem Zusammenhang von E-Mail Archivierung gesprochen wird, ist vor allem die Aufbewahrung während der aktiven beziehungsweise semiaktiven Phase gemeint. Die Erhaltung von E-Mails aus historischen Gründen hat in der Privatwirtschaft nur eine untergeordnete Bedeutung.
Die Geschäftsleitung sieht ihre Verantwortung für die rechtskonforme Archivierung mit einem zentralen E-Mail Archivierungssystem wahrgenommen. Geschäftsrelevante digitale Informationen wie E-Mails sind seit der OR-Revision im Jahr 2002 in der Schweiz entsprechenden Dokumenten auf Papier gesetzlich gleichgestellt (Art. 957 Abs. 4 OR) und werden mit der Einführung der neuen Zivilprozessordnung den Urkunden zugerechnet (Brossi & Winkler, 2008). Wie physische müssen auch elektronische Dokumente zum Nachweis von Geschäftsprozessen zehn Jahre lang sicher und gemäss den Vorgaben der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) aufbewahrt werden (Art. 962 OR). Im Handelsregister eingetragene Unternehmen sind verpflichtet, alle unternehmenskritischen Daten zu archivieren (Art. 957 Abs. 1 OR). Dies bedeutet, dass alle ein- und ausgehenden geschäftsrelevanten EMails, wie auch sämtliche, von Applikationen erzeugten, wichtigen digitalen Dokumente auf unveränderbare Informationsträger (WORM-Medien, d.h. write once, read multiple (times) = «einmal beschreiben, mehrmals le sen») zu speichern sind. Oder die Speicherung muss so erfolgen, dass nachträgliche Veränderungen zweifelsfrei nachweisbar sind (Art. 3 GeBüV). Darüber hinaus verlangt das Gesetz wie bereits erwähnt, dass elektronische Dateien jederzeit innert nützlicher Frist einsehbar sind (Art. 6 GeBüv). Dafür stehen bei einer zentralen Archivierungslösung effiziente Suchmechanismen für die abgelegten Datenbestände zur Verfügung.
Für die IT-Abteilung liegt der Hauptnutzen einer zentralen Archivierungs lösung in einer gezielten Ablage von E-Mail Inhalten und Anhängen. Beim Archivierungsprozess wird in den meisten Systemen geprüft, ob dieselbe EMail oder der Anhang bereits archiviert wurde. Im Falle von Duplikaten nimmt das System keine erneute Ablage vor, sondern setzt nur einen Verweis auf die bereits abgelegte Datei. So kann ein grosser Anhang, der an mehrere Mitarbeitende gesendet wurde und somit mehrfach auf dem Mailserver abgespeichert ist, einmal abgelegt, mehrfach verlinkt werden. Dies entlastet den Mailserver enorm. Dieses Vorgehen spart zudem enorme Ressourcen ohne Informationsverlust.
Das Lösungskonzept sollte aber nicht isoliert aus der Sicht der E-Mails betrachtet, sondern im Zusammenhang mit weiteren Unterlagen aus den Geschäftsfällen kombiniert werden. So können die Mitarbeitenden einen Überblick über einen Kunden, einen Lieferanten oder ein Projekt erhalten und effizient handeln. Dieser Nutzen bedarf aber einer manuellen Zuweisung der wenigen, aber relevanten Attribute wie z.B. des Kunden. In einigen Fällen können solche Attribute über automatisierte Services erfolgen. So ist es möglich, den Kunden automatisch anhand der EMailAdresse aus dem Kundenverzeichnis oder dem CRM System (Abkürzung für Customer Relationship Management und bedeutet die konsequente, werkzeugunterstützte Pflege der Kundenbeziehungen) zu lesen und in entsprechenden Metadaten zu speichern. Diese Nutzung aller Unterlagen aus der Sicht der Geschäfts fälle, der Kunden, Lieferanten oder weiterer Themen setzt die Disziplin der Mitarbeitenden voraus, eine konsequente Ablage und Klassifizierung vor zunehmen. Zudem ist ein System gefragt, welches die Ablage der unterschiedlichen Unterlagen zulässt und optimal unterstützt.
Die Wahl des richtigen Systems ist dadurch ein entscheidender Punkt. Sollen alle drei Interessengruppen profitieren können, ist ein umfassendes Enterprise Content Management(ECM) System einem spezifischen E-MailArchiv vorzuziehen. Der Vorteil eines ECM Systems ist die Vermeidung von Silo Archiven für einzelne Themen oder Medien wie in diesem Fall die EMails. Das Thema der Aufbewahrung und Nutzung von elektronischen Unterlagen lässt sich auch nicht auf das Thema E-Mail beschränken, sondern soll über alle geschäftsrelevanten Unterlagen, heute und in Zukunft, homogen gehandhabt werden.
Die Einführung eines zentralen ECM Systems erfolgt bei unseren Kunden in den meisten Fällen schrittweise. Dadurch reduzieren sich nicht nur die Projektrisiken, sondern die Mitarbeitenden haben auch die Möglichkeit, sich mit dem System vertraut zu machen und es optimal und gemäss ihren Bedürfnissen mitzugestalten.
Literaturverzeichnis
Bearing Point Management & Technology Consultants. (2008). Eine Studie von Bearing Point zu den Herausforderungen und Trends im E-Mail Management. Leipzig/ München: Autor.
Brossi, P. & Winkler, M. (2008). E-Mail-Archivierung – Leitfaden zur Umsetzung – mit rechtlichen Grundlagen für die Schweiz, für Deutschland und Österreich. Rheinfelden/ Schweiz: BPX-Edition.
Abstract
- Français
Les nombreuses visites faites aux entreprises de toutes tailles ont révélé que leur problème le plus urgent dans le cadre du records management réside dans la faculté pour ces entreprises à contrôler le flux de courriels qui les traverse. Si la direction envisage cette problématique essentiellement du point de vue de la conformité (compliance) pour le département Information Technology (IT), il s’agit de faire face à la croissance exponentielle de données, et de les maîtriser.
Le personnel, lui-même, dans ses activités quotidiennes ou dans des projets, désire mieux utiliser les boîtes aux lettres en tant qu’outil de communication et base de connaissance. Pour la direction, il s’agit prioritairement de préserver les e-mails de telle manière que cette préservation soit sécurisée au sein de l’entreprise et qu’ainsi on puisse y accéder, lorsque le besoin s’en fait sentir, conformément aux exigences réglementaires.
Pour le département Information Technology, il s’agira d’intervenir pour optimiser les besoins physiques d’archivage des e-mails et notamment de permettre le déchargement du serveur de messagerie. Pour les employés, cette problématique ne doit pas être envisagée comme un isolat, qui serait strictement lié à la gestion des e-mails, mais il s’agit de combiner la question des e-mails à celle des documents connexes produits dans l’entreprise.
Les employés auront ainsi une vue d’ensemble sur un client, un fournisseur ou un projet. C’est une condition pour qu’ils puissent agir efficacement. Mais cela nécessite aussi une forte discipline de leur part, car ils doivent avoir une approche cohérente dans le traitement manuel des archives et les compétences pour s’attaquer au plan de classement. D’autre part se pose la question d’un système qui détermine quels seront les documents à conserver et qui soutiendra donc le personnel de manière optimale. Choisir le bon système est donc un point crucial. Si l’on veut satisfaire les trois groupes d’intérêt, un ECM global sera préférable à un système d’archivage électronique dédié aux E-mails. L’avantage d’un système ECM est d’éviter la constitution de silos propres à des sujets spécifiques ou à des médias, les e-mails en l’occurrence. La question de la préservation et de l’utilisation des archives électroniques ne saurait se limiter à la question des e-mails, mais devrait être posée sur tous les documents probants de l’entreprise pour que leur manipulation puisse se faire aujourd’hui comme à l'avenir, de manière homogène.