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2008/1 Lobbying für Informationsdienste: Theorie und Praxis

Was die Buchbranche von den Schafzüchtern lernen könnte

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Bund, Kantone und Gemeinden unterstützen Autorinnen und Autoren, Verlage oder Leseförderungsmassnahmen mit jährlich rund 16,5 Millionen Franken. Das ist weniger, als das Jahresbudget des Stadttheaters Bern, und nicht halb so viel, wie die Schweizer Schafwirtschaft erhält. Wie schlecht steht es um das Lobbying für das Buch – und was muss sich ändern?

Woran lässt sich das Resultat von Lobbying messen? Am Ansehen, am öffentlichen Image einer Branche und ihren Produkten und Leistungen? Am Bewusstsein der Menschen für deren Anliegen und Sorgen? An der Gesetzgebung, welche die Tätigkeit dieses Wirtschaftszweiges reguliert – hier fördert, dort einschränkt? Oder schlicht und einfach an der Höhe der Subventionen und an der Zahl der öffentlichen Aufträge, die ein Wirtschaftszweig oder eine Bevölkerungsgruppe erhält? Nun, machen wir die Probe aufs Exempel:

Das Ansehen in der Politik: 

Ein Punkt, in dem sich die gesamte Kulturbranche schwertut – oder besser gesagt: die Politik mit der Kultur. Anders als in Frankreich, Österreich oder auch Deutschland finden es zu viele Politikerinnen und Politiker hierzulande oft nicht einmal nötig, sich mit Kultur wenigstens zu schmücken, weil es zum guten Ton gehört (mal abgesehen von VIP-Partynächten in Montreux und Rolling-Stones-Konzerten). Denn Achtung: Zu viel Kultur könnte ihrer Wiederwahl schaden, man könnte als zu elitär, zu schöngeistig und zu wenig volksverbunden gelten.

Das Bewusstsein in der Öffentlichkeit:

Selbst politisch engagierte Leute, die regelmässig Zeitungen lesen, Nachrichten hören und sich für viele Themen interessieren, wissen oft nicht, wie ein Buch entsteht, wer dabei alles mitarbeitet und mitverdient, wie der Handel organisiert ist oder was eine Buchpreisbindung ist und zum Ziel hat. Dieses mangelnde Wissen erschwert die Aufgabe, öffentliche Unterstützung für die Anliegen und Probleme der Branche zu bekommen.

Die gesetzgeberischen Regelungen:

Die schweizerische Politik diskutiert und ringt seit langer Zeit um Parallelimporte, regulierte hohe Medikamentenpreise, gebundene Ausgaben für Strassenbau oder Landwirtschaft – und doch ändert sich wenig. Umgekehrt kappt der Bundesrat mal mir nichts, dir nichts die Preisbindung im Buchhandel. Er verbietet das einfachste, gut bewährte Förderinstrument für eine funktionierende und vielfältige Buchhandels- und Verlagsbranche zu einem Zeitpunkt, da im Nationalrat eine parlamentarische Initiative für eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild aller umliegenden Staaten hängig ist. Und um den Vergleich mit einigen oben genannten regulierten Märkten nochmals aufzunehmen: Im Gegensatz zu andern Massnahmen belastete die Buchpreisbindung nur diejenigen, welche das Produkt auch tatsächlich gekauft haben, und niemanden sonst.

Bereits mit den wenigen, oben erwähnten Punkten wird schon klar und deutlich: Bei allen genannten Indikatoren schneidet die Buchbranche nicht besonders gut ab. Die Antwort auf die Grundfrage nach der Stärke der Buchlobby ist damit eigentlich schon gegeben: Das Buch hat in der Schweiz nur sehr wenig Support von der öffentlichen Hand und zu wenig von der Politik. Noch deutlicher zeigt sich dies jedoch bei den nackten Zahlen, beim Geld, das die Branche von Bund, Kantonen und Gemeinden für ihre Leistungen bekommt.

Die Rechnung bitte

Bund, Kantone und Gemeinden unterstützen Autoren, Verlage und Leseförderungsmassnahmen mit jährlich insgesamt rund 16,5 Millionen Franken. Diese Zahl, welche die Aufwendungen für Bibliotheken nicht mit einbezieht, hat das Bundesamt für Kultur letzten Herbst öffentlich gemacht. Zum Vergleich: Der Betrieb des Stadttheaters Bern beispielsweise wird mit rund 22 Millionen Franken subventioniert – gar nicht zu sprechen vom Zürcher Opernhaus oder den Fördergeldern für den Film.

Aber messen wir uns nicht mit denjenigen, die genauso wie wir immerzu um ihre Anerkennung und finanzielle Unterstützung kämpfen müssen, schauen wir dorthin, wo das Gras saftig grün spriesst: Dorthin, wo die Schafe weiden, zum Beispiel. Der «Bund»-Journalist Marc Lettau hat einmal die Geschichte des prototypischen Schweizer Schafs Erika recherchiert, das – egal ob es frisst oder gefressen wird – von der Zucht bis zur Segnung des Zeitlichen mit Staat und Steuerzahler innig verbunden ist.

Die Geschichte vom Schaf Erika

«Damit Erika überhaupt gezeugt und zu einem ordentlich registrierten Zuchtschaf wird, leistet der Staat einen hübschen Beitrag an die Tierzucht. Gewissermassen kostet somit Erikas Taufschein die öffentliche Hand umgerechnet gut 13 Franken. Sein oder nicht sein? So existenzielle Fragen stellt sich Erika nicht: Es existiert, denn seine Existenz wird mit einer jährlichen Direktzahlung von etwa 37 Franken bestätigt – und die Summe ist dank der neuen Agrarpolitik stark im Steigen begriffen. Sind dort, wo Erika seine Kräutchen rupft, die Hügel steil und die Flanken hoch, gibts den Bergpreis von im Schnitt 60 Franken, im besten Fall gar 102 Franken. Darf Erika – was ihr alle Tierfreunde wohl wünschen – regelmässig raus, steht ihr die ‹Raus›-Prämie zu, eine Art staatliches Auslauftaschengeld für Raufutterverzehrer: 16 Franken. Will Erika nicht nur raus, sondern auch noch hoch hinaus, kommen für die Alpsömmerung rund 20 Franken dazu. Lümmelt Erika dabei völlig unbehirtet im Alpenraum herum, gibts dafür nur 10 Franken. Dafür wird wahrscheinlicher, dass der Wolfsbatzen klingelt. Zum Service public im Leben von Schaf Erika gehört der staatlich finanzierte Frisör. Die rund zwei Kilo Wolle werden ihm praktisch zu 100 Prozent subven- tioniert vom Leib geschoren. Erikas Haarentsorger erhalten nebst dem Zweifränkler für die Arbeit gar noch staatliches Trinkgeld, ein Budget von 200 000 Franken im Jahr, damit nachgedacht wird, was mit der marktwertlosen Wolle Kluges getan werden könnte. Was der sozial veranlagte Zweibeiner schätzt, kennt die wollige, vierbeinige Erika: Den staatlich mitfinanzierten Hütedienst, sei es in Form von jährlichen Beiträgen an den tapferen Schutzhund, sei es als zusätzlicher Batzen aus dem Bundesamt für Umwelt an den Hirtenlohn.»

Die Geschichte ginge noch weiter, und selbst im Todesfall – falls ein böser Wolf mit im Spiel sein sollte – wirft das Schaf noch etwas ab. Wird Erika hingegen wie beabsichtigt in Filets und Koteletten zerlegt und zu kebabtauglichen Kolben aufgetürmt, decken die verwertbaren Teile von Erika den Schaffleischkonsum von einem knappen Dutzend Konsumenten ab – die durchschnittsschweizerische Ration liegt nämlich bei 1,47 Kilo pro Jahr.

Das jährliche staatliche Subventionskonto von Erika und ihren Kolleginnen sieht damit in etwa so aus: 1 Million Franken für die allgemeine Förderung der Schafzucht; für die Freilandhaltung 3 Millionen, für die Sömmerung gut 4,5 Millionen; für die Haltung «raufutterverzehrender» Tiere weitere 10 Millionen, für die Tierhaltung unter erschwerten Bedingungen knapp 20 Millionen und für die Wollverwertung nochmals 0,6 Millionen Franken – insgesamt also fast 40 Millionen Schweizer Franken für 420 000 Schweizer Schafe.

Kämpfen statt jammern

Ist ein Schuft, wer bei obigen Zeilen Schaf und Hirte mit Begriffen der Buchbranche ersetzt? Oder wie rechtfertigt sich die Prämie für Tierhaltung unter erschwerten Bedingungen vor der Buchproduktion in einem kleinräumigen, dreisprachigen Markt wie der Schweiz? Was unterscheidet die Alpsömmerung von der Kleinbuchhandlung in ihrer Förderungswürdigkeit, den Raufutterzuschuss vom Anspruch des Kleinverlegers auf Unterstützung?

Ersparen wir uns weitere Vergleiche und kommen abschliessend nochmals zur Ausgangsfrage: Wie gut ist das Lobbying der Buchbranche – oder war es in der Vergangenheit? Eine rhetorische Frage, zweifellos. Und deshalb soll statt einem wiederholten Lamento jetzt ein Aufruf folgen: Es bringt nichts, zu jammern. Wir müssen für Veränderungen arbeiten, und zwar mehr als bisher. Die Nachfrage nach staatlicher Unterstützung nimmt nicht ab, und es gibt keinen automatischen Anspruch auf öffentliche Gelder. Dies gilt auch für die «Kultur», obwohl gerade hier Subventionen oft einzig mit moralischen Ap- pellen begründet und mit viel Pathos gefordert werden. Es geht schlicht und ergreifend darum, für die eigenen Ansprüche zu kämpfen, auch wenn sie noch so berechtigt erscheinen mögen. Die Forderungen müssen gut abgestützt und begründet sein, von einer breiten Bevölkerungsschicht getragen und dann am richtigen Ort eingebracht werden. Das ist die Aufgabe jedes einzelnen Kulturschaffenden, aber auch und vor allem von uns, den Vertretern der Kulturorganisationen.

Was aus meiner Sicht zu tun ist: Mehr politische Unterstützung gewinnen: 

Wir haben zu wenig engagierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter in den Parlamenten – und zwar in allen Parteien. Es ist nicht so, dass es diese nicht gäbe, aber wir haben sie in der Vergangenheit nicht genug an unsere Sache binden können. Fast 45 Prozent aller National- und Ständeräte geben beispielsweise als Hobby «Lesen, Lektüre, Belletristik etc.» an, wie die NZZ-Publikation «Wer ist wer im Parlament» zeigt. Potenzial also wäre vorhanden.

Schlagkräftige Organisationen, mehr Vernetzung: 

Durch die grossen Arbeitgeber- und Gewerbevertretungen werden die Buchhändler und Verleger, obwohl Wirtschaftsleute, kaum repräsentiert. Die klassische Buchhändlerin ist meist auch aus anderem Holz geschnitzt als der typische Gewerbler im Nachbargeschäft. Wir müssen also unsere eigenen Verbands- und Lobbystrukturen stärken und gleichzeitig versuchen, uns mit andern Kultursparten zu verbinden. Denn nicht nur Autorinnen und Autoren erbringen kulturelle Leistungen, die für unsere Gesellschaft enorm wichtig sind, sondern auch Buchhandlungen und Verleger – und natürlich auch die Bibliotheken. Die Buchlobby Schweiz ist daran, diese Arbeit zu tun.

Glanz und Glitzer: 

Das Ansehen des Produkts Buch ist in der Öffentlichkeit immer noch gut, wer etwas Schönes schenken will, wählt oft ein Buch (was nicht heisst, dass es auch gelesen wird; es verleiht dem Schenker wie auch dem Beschenkten sozialen Status). Hingegen gilt die Branche insgesamt als altmodisch und etwas bieder, was sich exemplarisch auch an vielen Filmsequenzen ablesen resp. -schauen lässt: Hier wird der Buchhändler, wenn überhaupt, gern etwas trottelig dargestellt und in verstaubte, schwach ausgeleuchtete Räume drapiert; hingegen fehlen Bücherwand-Kulissen in fast allen gezeigten modernen Wohnungen. Im Gegensatz zu Kino oder Architektur – beides Sparten, die auch sehr eng mit Autoren und Verlagen verbunden sind – mangelt es der Buchbranche an einer Prise Glanz und öffentlicher Inszenierung. Das lässt sich erklären: Gerade die Stille und Zurückgezogenheit der Einzelperson, welche liest, ist eine positive Auswirkung des Kulturguts Buch, die wir nicht preisgeben sollten. Nichtsdestotrotz darf die andere Seite nicht vergessen werden. Die Buchbranche muss sich für mehr und stärker sichtbare Anlässe engagieren. Es braucht mehr originelle Kulturanlässe mit Büchern, es braucht den Weltbuchtag, es braucht Lesefestivals, Imageaktionen, Publikumsmessen und Preise.

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Dani Landolf

Geschäftsführer Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband SBVV

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Comparé au subventionnement fédéral, cantonal et local de l’élevage des moutons, le soutien financier apporté au domaine du livre, avec ses 16,5 millions de francs, est plutôt dérisoire. Méconnaissant, pour la plupart, les mécanismes de la création du livre, les politiciens délaissent facilement ce secteur au profit d’un appui à leur électorat. Même si des secteurs comme le théâtre, l’opéra et le cinéma sont plus largement subventionnés, ce qui frappe c’est la manière dont les instances dirigeantes distribuent leurs subventions. Le cas de l’élevage des moutons est révélateur de cette politique, où toutes les situations sont prétextes à subventions: entre l’estivage, les conditions difficiles et les dégâts causés par d’autres animaux, l’agriculture ovine touche presque 40 millions de francs suisses pour 420 000 moutons. Plutôt que de se lamenter, il vaut mieux lutter pour obtenir de meilleures conditions pour le livre et une meilleure écoute des tenants des cordons de la bourse. Il faut obtenir un meilleur appui politique, renforcer les organisations professionnelles et les réseaux entre les différentes branches du livre, développer des partenariats avec les autres acteurs du monde de la culture. Le domaine du livre doit aussi organiser davantage d’événements qui le rendent visible: festival de lecture, foires publiques, prix, toutes occasions permettant d’attirer l’attention sur le rôle essentiel du livre dans la culture.