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2008/4 Informationswissenschaft: Die Instrumente der Zukunft

Wertvolles Filmmaterial digitalisieren und aufbewahren: Eine ideale Lösung für die Einsicht und die Katalogisierung des Inhalts

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Alte Filme sind ein historisches, künst­lerisches und kulturelles Erbe von un­schätzbarem Wert. Der grösste Teil da­von ist leider nicht mehr auffindbar oder wird im Laufe des 21. Jahrhunderts verschwinden. Ausserdem ist der Zu­gang zu diesen Filmen begrenzt. Eine einfache und effiziente Lösung, um die­ se Archiven zu schützen und einzuse­hen, ohne sie zu beschädigen, ist die Digitalisierung und die halbautomati­sche Indexierung.

Jean­-Pierre Gehrig, André Perrig und Pierre Ihmle, Cinetis SA 

Heute sind 90% der Stummfilme und 50% der vor 1950 gedrehten Filme für immer verlorenM Friend, Film / digital / Film Dans AMIA Conference AMIA Octobre 94.. Das rührt daher, dass Filme, obwohl sie ausgezeichnete Aufbewahrungsträger sind, nur einge­schränkt lagerbar sind: Es muss streng auf die Temperatur und den Feuchtig­keitsgrad geachtet werden, damit die Filme keinen Schaden nehmen. Die lichtempfindliche Emulsion – die wich­tigste der drei Schichten, aus denen ein Film besteht – ist sehr feuchtigkeits­ empfindlich. Eine Lagerung bei zu ho­her Feuchtigkeit führt zu einer Ver­mehrung von Schimmelpilzen und anderen hydrophilen Bakterien, die nach und nach die organischen Farb­mittel zerstören, aus denen die licht­empfindliche Emulsion besteht. Auch der physikalische Träger der Emulsion kann sich mit der Zeit wegen der Feuch­tigkeit verschlechtern: Das Zellstoff­ Triazetat verwandelt sich in Essigsäure, und es entfaltet sich ein ausgeprägter Essiggeruch (auch bekannt als «Essig­ syndrom»), welcher für beschädigte Filme charakteristisch istCommission Supérieure Technique de l’Image et du Son (CST). La restauration numérique des films cinématographiques. CST, Paris, 97.. Die Lagerungsqualität der Filmrollen ist und bleibt ein generelles Problem. Der Zu­gang zu diesem Material ist jedoch wei­terhin fast unmöglich; die Vorführung führt unweigerlich zu einer Beschleu­nigung des Alterungsprozesses. Die Verwendung dieses einmaligen Erb­guts nur zur Einsicht oder zu For­schungszwecken ist deshalb nicht rat­ sam.

Cinetis S.A. in Martigny arbeitet zusammen mit dem Forschungsinstitut IDIAP daran, eine Lösung zu entwickeln, um alte Filme aufbewahren zu können, ohne sie zu beschädigen. Dazu werden die Archivfilme systematisch digitalisiert, und deren Inhalt wird halbautomatisch analysiert. Danach stehen die Filme wieder zur allgemeinen Besichtigung zu Verfügung.

Das bedeutet, dass die Filme wenn möglich gereinigt werden, bevor sie in einem Speziallabor digitalisiert wer­den. Man überträgt sie dann auf einen Server, wo sie ohne weiteres angesehen werden können. Die halbautomatische Analyse des Inhalts hilft dem Doku­mentalisten, die Werke mit den ge­wünschten Anmerkungen zu versehen. Das digitale Archiv, das dank der Meta­daten fachdienliche Angaben enthält, erlaubt einen schnellen und einfachen Zugang zu den gespeicherten Objekten und vereinfacht die Verwaltung, den Unterhalt und den Ausbau der Sammlungen. Anhand dieser neuen Techno­logie kann man Archivfilme in einer zufriedenstellenden Qualität sehen, ohne dass das Original dabei Schaden nimmt. Darüber hinaus können mit diesem Verfahren auch aussergewöhn­liche Filme entdeckt werden, die es wert sind, in einer höheren Qualität digita­lisiert oder von Hand restauriert zu werden.

In Zukunft wird die Indexierung von digitalisierten Filmen automatisiert werden. Neue Methoden befinden sich in der Entwicklungsphase. Dank der halbautomatischen Indexierung wird es möglich sein, Dialoge in Texte umzuwandeln, einen Text aus einem Bildausschnitt zu entnehmen oder den Inhalt einer Auf­nahme zu analysieren. Es wird sogar an einem Projekt gearbeitet, das darauf abzielt, Gesichter oder Stimmen auto­matisch erkennen zu können. Dadurch wird die Suche nach berühmten Perso­nen erleichtert werden. Anhand eines Referenzbildes wird es zudem möglich sein, ähnliche Ausschnitte aufzufin­den.

Cinetis S.A. arbeitet momentan auch an einem Filmscanner, um Super-8-, 8-mm-, 9,5-mm- und 16-mm-Filme qualitativ, originaltreu und effizient zu einem erschwinglichen Preis zu digitalisieren. Die­ser Apparat wird mit einem Software­ programm ausgestattet sein, das die Filme dank einer automatischen Segmentierung in einzelne Sequenzen auf­teilt. Diese Sequenzen – in Form von Schlüsselbildern – erlauben es dem Operator, die empfindlichen Zonen zu finden, die er manuell digitalisieren will.

Die Erhaltung von wertvollen Film­ material in digitalisierter Form ist eine einfache, erschwingliche Alternative. Sie erlaubt die Aufwertung von Filmen, sei es im professionellen oder im priva­ten Bereich. Die digitalisierten und in­dexierten Filme bilden einen Katalog von gefilmten Kunstwerken, die bis­ lang verborgen waren. Und vergessen wir nicht all die unveröffentlichten Filme, die sich noch in Privatbesitz be­finden ...

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Jean-Pierre Gehrig

Cinetis SA