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2008/4 Informationswissenschaft: Die Instrumente der Zukunft

Digitale Auskunft in Bibliotheken

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Immer mehr Informationen stehen heutzutage in digitaler Form zur Verfügung und können daher über das Internet ortsunabhängig und rund um die Uhr abgerufen werden. Viele Bibliotheken haben auf diese Entwicklung reagiert und stellen ein entsprechendes digitales Angebot wie Webkataloge, Datenbanken oder E-Books zur Verfügung. Doch lassen sich auch die bibliothekarischen Auskunftsdienstleistungen in eine digitale Form überführen?

Antworten in Echtzeit

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Studentin benötigt für ihre Arbeit unbedingt noch einige Informationen. Sie begibt sich auf die Website ihrer Universitätsbibliothek und findet dort ein umfangreiches Angebot an Datenbanken. Nun fragt sie sich, welche denn die für sie benötigten Informationen enthält. Und wie ist es ihr von zu Hause aus möglich, auf dieses Angebot zuzugreifen? Auf der Suche nach Antworten stösst sie auf ein Eingabefenster mit dem Vermerk «Fragen Sie uns!». Sie denkt sich: «Ein Versuch ist es ja wert» und tippt ihre Fragen in natürlichsprachiger Form ein. Umgehend erhält sie von einem Bibliotheksmitarbeiter eine Antwort, und ihre Fragen werden im Rahmen einer Chat-Session in einer Viertelstunde geklärt. Die Studentin ist mit dem Service sehr zufrieden, hat sie doch die gewünschten Informationen sehr schnell erhalten und musste dafür weder ihren Arbeitsplatz verlassen noch zum Telefon greifen.

Definition und Formen

Die beschriebene Situation illustriert ein Beispiel eines digitalen Auskunftsdienstes. Digitale Auskunft wird wie folgt definiert:

– die Erteilung von Auskunft und das Beantworten von Fragen

– über das Internet – durch einen Menschen – erbracht als eine Dienstleistung von Bibliotheken

Dabei bestehen verschiedene Möglichkeiten, einen digitalen Auskunftsdienst technisch umzusetzen.

So gibt es asynchrone Dienste, bei denen es zu einer Zeitverzögerung zwischen Anfrage und Antwort kommt. Dazu gehört etwa die Auskunft über E-Mail oder über Webformulare, die bereits von einer Vielzahl von Bibliotheken eingesetzt werden. Ein grosses Potenzial zeigt sich allerdings in der Gruppe der synchronen Auskunftsdienste. Hier findet die Kommunikation zwischen Benutzenden und Bibliothek zeitgleich statt. Das ist beispielsweise beim Chat, bei der internetbasierten Telefonie oder bei der Videokonferenz der Fall. 

Verbreitung

Sowohl die internetbasierte Telefonie als auch die Videokonferenz sind heute noch zu wenig verbreitet, um als Auskunftsform auf Akzeptanz zu stossen. Anders sieht die Situation bei den Chat-Services aus. Insbesondere die jüngere Generation ist mittlerweile mit dieser Technologie vertraut und benutzt sie häufig.

In den USA wird Chat als Auskunftsform seit Ende der 90er Jahre eingesetzt. Inzwischen stellt eine Vielzahl von Bibliotheken solche Services zur VerfügungListe von US-Bibliotheken, die Chat-Services anbieten: http://liswiki.org/wiki/Chat_ reference_libraries.. Auch in Deutschland existieren einige AngeboteListe von deutschen Bibliotheken, die Chat-Services anbieten: http://www.bibliothekar.de/con.....

In den Anfängen hatten nahezu alle Chat-Angebote mit geringen Nutzungszahlen zu kämpfen. Mit dem Aufkommen des Instant Messagings (IM) konnten in den USA jedoch viele Bibliotheken eine markante Zunahme der Nutzung verzeichnen. IM ist eine schlanke Variante von Chat und läuft über Programme wie den Microsoft Messenger. Diese sind lokal auf den Computern der Nutzenden installiert und gehören mittlerweile zur Standardausstattung. Vorteile dieser Lösung sind der hohe Bekanntheitsgrad und die Vertrautheit mit dem Umgang der Programme. Die Bibliothek ist über gespeicherte Kontaktlisten nur einen Klick von den Nutzenden entfernt.

Besonders elegant und unkompliziert sind Plugins wie Plugoo oder MeeboMeMeeboMe wird z.B. an der University of Waterloo Library eingesetzt: http://www.lib.uwaterloo.ca/as..... Dabei ist das Chat-Fenster direkt in die Website der Bibliothek integriert. Es braucht also weder eine separate Software wie beim IM, noch müssen, wie bei herkömmlichen Chat-Lösungen, neue Browser-Fenster geöffnet werden.

Formen digitaler Auskunftsdienste 

Synchrone Formen

– E-Mail

– Webformular

Asynchrone Formen

– Chat/Instant Messaging

– Internetbasierte Telefonie

– Videokonferenz

Einsatz in Schweizer Bibliotheken

In der Schweiz gibt es bis jetzt erst ein Chat-Angebot. Diese Dienstleistung wird von der Bibliothek des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung1betrieben. Obwohl ein Chat-Service auf den ersten Blick attraktiv erscheint, müssen zuvor einige Fragen geklärt werden.

Bibliotheksinterne Organisation

Das grundlegende Merkmal eines Chat-Services ist Kommunikation in Echtzeit. Eingehende Anfragen sollten im Prinzip sofort beantwortet werden. Findet die Betreuung des Chats an der Ausleihtheke statt, kann dies ein zusätzlicher Stressfaktor für das Personal sein. Zeitgleich müssen drei Kommunikationskanäle (Schalterkunden, telefonische Anfragen sowie Chat) betreut werden, die eine sofortige Reaktion erfordern. Insbesondere zu Spitzenzeiten kann dies zu einer Überlastung führen. Bei einer solchen Lösung müsste zumindest festgelegt werden, in welcher Reihenfolge die Kommunikationskanäle zu bedienen sind.

Doch auch die Bearbeitung der Chat-Anfragen im Backoffice ist nicht einfach. Ist nur eine Person mit der Betreuung beauftragt, muss sie ständig am Computer präsent sein. Dadurch kann der Arbeitsprozess dieser Person erheblich beeinträchtigt werden.

Denkbar und sinnvoll ist eine Mischform der beiden Modelle. Je nach Auslastung der Ausleihtheke (in Abhängigkeit von Tages- und Ferienzeiten) geschieht die Bearbeitung im Backoffice oder an der Theke.

Betriebszeiten

Nicht wenige Bibliotheken sind der Meinung, dass eine Chat-Auskunft rund um die Uhr und möglichst während sieben Tagen in der Woche angeboten werden muss, um die Erwartungshaltung der Nutzer zu erfüllen. Dies ist einer der Gründe, weshalb Bibliotheken von einem Aufbau eines solchen Angebots absehen. Doch ein 24/7-Betrieb ist in der Regel gar nicht nötig und wird von den Benutzenden auch nicht erwartet. Erfahrungen aus den USA haben gezeigt, dass die meisten Benutzenden die Chat-Auskunft während den normalen Öffnungszeiten der Bibliothek nutzenPomerantz, Jeffrey/Luo, Lili (2006): «Motivations and uses: Evaluating virtual reference service from the users’ perspective». In: Library & Information Science Research 28 (2006), Nr. 3, S. 350–373.

Eignung

Chat-Services sind nicht für alle Bibliotheken gleichermassen geeignet und erreichen nicht überall hohe Nutzungszahlen. Grundsätzlich eignet sich eine Chat-Auskunft für Bibliotheken, die einen Schwerpunkt auf elektronische Angebote setzen möchten.

Chat-Services werden zudem eher von einem jungen oder studentischen Publikum genutzt, welches mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien vertraut ist und keine Scheu hat, Neues auszuprobieren. Darüber hinaus eignet sich die Chat-Auskunft für einfache bis mittelschwere Fragen, die vom Bibliothekspersonal sofort und ohne weitere Nachforschungen beantwortet werden können.

Ausserdem sind Chat-Services eher für grössere Bibliotheken mit entsprechendem Budget empfehlenswert. Ein grosser Benutzerkreis generiert ein Fragevolumen, das den Aufbau eines entsprechenden Chat-Service rechtfertigt.

Ausblick

Lassen Sie mich noch einen Blick auf die Auskunftsformen der Zukunft werfen: Neben der persönlichen Auskunftserteilung vor Ort wird das Angebot um digitale Formen ergänzt. Die Website der Bibliothek bietet ausserdem elektronischen Ressourcen zusätzlich Zugang zu einem digitalen Auskunftsdienst an. Es bleibt den Benutzenden selbst überlassen, ob sie ihre Fragen über E-Mail oder Chat stellen wollen. Auch können sie wählen, ob der Chat mit Ton oder Video unterstützt werden soll. Einfache, webbasierte Werkzeuge erlauben es den Bibliotheksmitarbeitenden, die Benutzenden Schritt für Schritt durch eine Anfrage zu geleiten. Ohne technische Probleme lassen sich die einzelnen Schritte einer Recherche direkt auf dem Bildschirm der Benutzerin durchlaufen. Damit werden Re- cherchetechniken in Echtzeit demonstriert, und es kann Informationskompetenz vermittelt werden. Dabei ist die Bibliothek nicht nur auf der eigenen Website präsent, sondern stellt ihre Auskunftsdienstleistungen beispielsweise auch auf der studentischen Lehr- und Lernplattform der Hochschule oder Universität zur Verfügung.

Fazit

Die neuen Technologien, vor allem das Internet, eröffnen den Bibliotheken eine grosse Chance, neue und attraktive Services anzubieten und zusätzliche Nutzergruppen zu erreichen. Durch die Einrichtung von digitalen Auskunftsdiensten haben die Bibliotheken die Möglichkeit, die Benutzenden am «point of need» mit den benötigten Informationen zu versorgen und Informationskompetenz zu vermitteln. Dadurch können die Bibliotheken eine zentrale Rolle in der Informationsgesellschaft einnehmen. Um dies zu erreichen, müssen die Bibliotheken jedoch ihre Präsenz erhöhen, damit sie von den Benutzenden als Informationsdienstleisterinnen und nicht nur als blosser Zugangsknoten zur Literatur wahrgenommen werden. Da sich die Benutzenden heutzutage die benötigten Informationen vermehrt über das Internet beschaffen, ist es wichtig, dass die Bibliotheken im Internet präsent sind. Digitale Auskunftsdienste eröffnen die Chance, auch den traditionellen Auskunftsdienst über das Internet anzubieten.

Dieser Artikel ist eine Kurzfassung der Arbeit «Digitale Auskunft in Bibliotheken – eine Einführung in Digital Reference Services». Der Volltext ist verfügbar unter http://e-collection.eth-bib.et...

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Nathalie Hutter

IuD-Spezialistin FH

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Les nouvelles technologies, notamment l’internet, ouvrent pour les bibliothèques de nouvelles possibilités de servir des prestations inédites et attrayantes, ainsi que d’atteindre des groupes d’usagers supplémentaires. La mise en place de telles prestations permet aux bibliothèques de fournir aux usagers sur le lieu de consommation les informations qui leur sont nécessaires et de leur proposer leur compétence en matière d’information. Les bibliothèques peuvent donc ainsi jouer un rôle central dans la société de l’information. Pour y parvenir, elles doivent toutefois augmenter leur présence, afin qu’elles soient perçues par les usagers non plus comme de simples nœuds d’accès à la littérature, mais comme de véritables prestataires de services informationnels. Etant donné que les utilisateurs accèdent aujourd’hui de plus en plus aux informations dont ils ont besoin via l’internet, il est important que les bibliothèques soient elles aussi présentes sur la Toile. Les services de renseignements numériques augmentent les chances d’offrir le service de renseignement classique également via l’internet.