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2007/2 New Library World – Was gibt es Neues in den schweizerischen Bibliotheken?

Praxisorientierter Massnahmenkatalog für Hochschulbibliotheken zur Errichtung eines Institutional Repository (IR)

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Herausforderungen beim Aufbau des Dokumentenservers:

Das Thema Open Access ist in der Schweiz nach wie vor aktuell. Davon zeugen einige gutbesuchte Tagungen und Workshops, welche in letzter Zeit zu diesem Thema von verschiedenen Institutionen durchgeführt wurden (Z.B. die Frühjahrestagung der SAGW: «Open Access: Vom Prinzip zur Umsetzung» und der Workshop des Schweizerischen Konsortiums: «E-Archiving in der Schweiz» (beide März 2007). Die Zusammenstellungen der Tagungsbeiträge sind unter http://www.sagw.ch/dt/index.as... und http://lib.consortium.ch/html_... zu finden). Ein wichtiger Aspekt von Open Access sind Institutional Repositories (IR). Dieser Artikel setzt sich mit den Herausforderungen auseinander, welche sich beim Aufbau eines solchen Dokumentenservers stellen.

Einleitung

Ein Institutional Repository ist ein Internetdienst, auf welchem die elektronischen Publikationen einer Universität oder einer anderen wissenschaftlichen Institution zentral veröffentlicht, aufbewahrt und frei zugänglich gemacht werden. Die in digitaler Form vorliegenden Dokumente werden mittels eines standardisierten Metadaten-Sets erschlossen, können dadurch gesucht und identifiziert werden und sind für die Langzeitarchivierung vorgesehenNach Crow, Raym (2002): SPARC institutional repository checklist & resource guide. Release 1.0. Washington: SPARC. S. 5. URL: http://www.arl.org/sparc/bm~doc/IR_Guide_&_Checklist_v1.pdf (Stand: 24.04.2007) und Lynch, Clifford A. (2003): Institutional repositories: Essential infrastructure for scholarship in the digital age. In: ARL, no. 226, S. 3. URL: http://www.arl.org/resources/pubs/br/br226/br226ir.shtml (Stand: 24.4.2007).. In diese, meist von Hochschulbibliotheken betriebenen Dokumentenserver, gelangen vor allem die von den Forschenden einer Universität publizierten wissenschaftlichen Artikel. Verbreitet ist auch das Bereitstellen von Hochschulschriften. Ein IR, das streng nach den Richtlinien von Open Access geführt ist, enthält jedoch nur Postprints. Dies ist diejenige Version eines Artikels, die nach dem Begutachtungsprozess zur Veröffentlichung in einer Zeitschrift angenommen wurde. Somit stimmt ein Postprint inhaltlich mit dem publizierten Artikel überein und ist auch zitierbar. Die Inhalte eines IR sind nach dem Prinzip Open Access frei zugänglich, unterliegen aber den geltenden Copyright-Bestimmungen.

Nutzen und Herausforderungen

Eine Institution kann durch ein IR ihren geleisteten Forschungs-Output für die Öffentlichkeit sichtbar abbilden und so auch ihren Bekanntheitsgrad innerhalb der wissenschaftlichen Welt steigernJones, Richard/Andrew, Theo/MacColl, John (2006): The institutional repository. Oxford: Chandos. S. XV.. Vor allem aber muss ein IR spürbaren Mehrwert schaffen – sowohl für die Institution als auch für die Forschenden als Autoren der abgelegten Artikel. Diese Mehrwerte können beispielsweise vereinfachte Abläufe bei der internen Dokumentationsablage oder gesicherte Langzeitarchivierung bedeuten. Daneben generiert ein Dokumentenserver direkt Nutzen für die Forschenden selbst, denn die wissenschaftlichen Erzeugnisse erlangen dank der freien Verfügbarkeit eine grössere Verbreitung als Artikel, die ausschliesslich in kostenpflichtigen Zeitschriften erscheinenHarnad, Stevan/Brody, Tim (2004): Comparing the impact of Open Access (OA) vs.non-OA articles in the same journals. In: D-Lib Magazine 10(6). URL: http://www.dlib.org/dlib/june0... (Stand: 24.4.2007).. Die Bibliothek als Betreiberin eines Institutional Repository verfolgt nach Crow ein anderes Ziel:

«(...) Library programs and budgets will have to shift to support faculty open access publishing activities in order for the library to remain relevant to this significant constituency. For libraries with an organizational imperative to invest in the future, institutional repositories offer a compelling response.»Crow, Raym (2002): The case for institutional repositories: A SPARC position paper. Release 1.0. Washington: SPARC. S. 20. URL: http://www.arl.org/sparc/bm~doc/ir_final_release_102.pdf (Stand: 24.4.2007). 

Vorausschauende Bibliotheken  müssen nach Crow rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkennen, aktiv werden und dadurch ihre Position innerhalb der Wissenschaftskommunikation längerfristig sichern. Dies kann jedoch aufgrund der hybriden Arbeitsumgebung zu Doppelspurigkeiten der Abläufe über eine nicht absehbare Zeitspanne führen. Diese zusätzlichen Aufgaben sollten als Investition in die zukünftige Rolle der Bibliothek und nicht als Bürde verstanden werden.

All die oben genannten Argumente für den Betrieb eines Institutional Repository müssen innerhalb der Institution mit Nachdruck kommuniziert werden. Man muss die Angehörigen der Hochschule für die Grundsätze von Open Access gewinnen, damit sie ihre publizierten Artikel im IR ablegen. Der Aufwand für dieses Advocacy darf nicht unterschätzt werden. Eine Marketingstrategie sowie die zusätzliche Stelle eines Open Access-Beauftragten helfen bei der vielfältigen und langandauernden Arbeit.

Am Anfang jedes Dokumentenservers steht jedoch die Bereitschaft der Institution zur Einsetzung einer Open Access-Policy. Weit verbreitet und akzeptiert ist dafür die Berlin Declaration1. Die Unterzeichnung dieser Absichtserklärung signalisiert jedoch nur ideelle Unterstützung durch die Hochschulleitung. Die nachfolgenden Schritte sind ein klarer Auftrag an das Projektteam und die Finanzierungsgarantie für den Aufbau und den längerfristigen Betrieb des Dokumentenservers.

Die dritte grosse Herausforderung, die sich den Betreibern eines IR stellt, ist das Urheberrecht. Die Schwierigkeit besteht aus der Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen dem Schutz des Copyrightinhabers, nachdem dieser identifiziert wurde, und der Garantie auf angemessene Wiederverwendungsrechte für die Endnutzer. Bei dieser Frage gilt es, die gültigen Selbstarchivierungs-Richtlinien einzelner Verlage und sogar einzelner Zeitschriftentitel zu eruieren und entsprechend zu behandelnEine gute, jedoch nicht immer ganz aktuelle Übesicht bietet dafür die SHERPA/RoMEO- Liste: http://www.sherpa.ac.uk/romeo.... (Stand: 24.4.2007).. Zum Schutz der Betreiber eines Dokumentenservers ist der Einsatz von verschiedenen Richtlinien dienlich. Dadurch werden rechtliche Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten geregelt und konkrete Abläufe und Zielsetzungen des Repository festgehalten. So dient ein Disclaimer als Haftungsausschluss für alle Inhalte des Repository und auch für weiterführende Links und deren Inhalte. Der Disclaimer basiert auf der Deposit Licence, die der Autor bei jeder Ablage eines Dokumentes in das IR ausfüllen muss. Damit bekräftigt der Autor seine Urheberschaft und der Rechteinhaber wird eindeutig identifiziert. Dies entbindet die Betreiber des Institutional Repository vor möglichen Anschuldigungen Dritter. Durch das Ausfüllen der Deposit Licence akzeptiert der Autor zudem, dass sein Dokument zu Zwecken der Langzeitarchivierung gespeichert und falls nötig äusserlich verändert werden darf. Diese Bedingungen müssen für die langfristige Zugangsgewährung zu den Dokumenten des Repository erfüllt sein.

Das in diesem Artikel behandelte Thema basiert auf einer Publikation in der Churer Schriftenreihe zur Informationswissenschaft. Die vollständige Publikation steht langfristig zum kostenlosen Download auf www.informationswissenschaft.c... > Top Links > Churer Schriften zur Verfügung unter folgendem Titel: Beatrice Bürgi: Open Access an Schweizer Hochschulen – Ein praxisorientierter Massnahmenkatalog für Hochschulbibliotheken zur Planung und Errichtung von Institutional Repositories

Massnahmenkatalog

Der Massnahmenkatalog umfasst neben der erwähnten Überzeugungsarbeit innerhalb der Institution Empfehlungen zur Projektorganisation, zu Kosten und Finanzierung des Betriebes, zu verschiedenen unterstützenden Leitlinien, zu den Copyright-Bestimmungen und zur Sicherheit der DatenDer Aspekt der Software-Evaluation wird zur Vervollständigung erwähnt, jedoch nicht ausgeführt. Eine gute Übersicht bietet das Open Society Institute: http://www.soros.org/openacces... (Stand: 24.4.2007).. An die Gesamtheit dieser Empfehlungen wird kein Vollständigkeitsanspruch erhoben. Dieser Massnahmenkatalog dient als praxisorientiertes Instrument zur Errichtung eines Institutional Repository. Da jede Hochschule in einem anderen Kontext eingebettet ist und mit einem Dokumentenserver auch unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt, gibt es kein allgemeingültiges Vorgehen.

Fazit

Bei der Betrachtung des entwickelten Massnahmenkataloges wird klar, dass die Errichtung eines Institutional Repository ein Projekt von grösserem Umfang ist. Nicht nur die Bibliothek ist daran beteiligt, sondern auch die Mitarbeitenden der Informatikdienste werden in die Konzeptarbeit und den anschliessenden Betrieb eingebunden. Auf strategischer Ebene braucht es die Mitwirkung der Leitungsgremien der Institution. Dafür müssen neue Stellen geschaffen oder mindestens während der Laufzeit des Projektes zusätzliche Stellenprozente genehmigt werden.

Um den Erfolg eines IR zu messen, können unterschiedliche Indikatoren benutzt werden. An erster Stelle steht sicherlich die Anzahl Postprints, die auf dem Dokumentenserver angeboten werden. Dafür muss jedoch ein Grossteil – wenn nicht sogar alle an der Institution produzierten und qualitätsgeprüften Arbeiten – in das IR einfliessen. Dieser Faktor und dessen Tragweite erschweren den raschen Erfolg des Institutional Repository. Für die aktive Nutzung eines IR braucht es keine revolutionäre Umstellung des Wissenschaftsbetriebes, sondern ein Bewusstwerden für die Ziele der Open Access-Bewegung und den Nutzen, den ein Institutional Repository für die Institution und die Forschenden generieren kann.

Die Wahrung der Rechte des Copyrightinhabers jedes einzelnen Dokuments ist ein zentraler Punkt für den langfristig gesicherten Betrieb eines IR. Um dies zu erreichen, braucht es einerseits vorgängige Abklärungen mit Verlagen und den Forschenden selbst. Andererseits wirken in diesen Bereich auch die Sensibilisierungsarbeit und die Rechtsberatung hinein. 

Konkrete Lösungen oder allgemeingültige Standards für die Langzeitaufbewahrung von elektronischen Dokumenten bestehen momentan noch nicht. Das verpflichtet die Betreiber eines Institutional Repository, dass sie die Entwicklungen in diesem Bereich mitverfolgen und auch anwenden.

Ausblick

Die verschiedenen internationalen Initiativen zu Open Access und zu Institutional Repositories weisen auf eine Entwicklung von neuen Wegen innerhalb der wissenschaftlichen Kommunikation hin. Indem Hochschulbibliotheken die Arbeiten ihrer Wissenschaftler systematisch aufbereiten und für die Weiterverwendung frei zugänglich anbieten, leisten sie einen wichtigen Beitrag an die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dadurch bewirken sie allmählich eine Abschaffung von Zugangsbarrieren zu wissenschaftlicher Literatur.

Die Errichtung und der Betrieb eines Institutional Repository stellen für die Institution in finanzieller und ideeller Hinsicht eine grosse Herausforderung dar. Nur mit der vollumfänglichen Unterstützung der Leitungsgremien kann ein Dokumentenserver erfolgreich betrieben und können die einzelnen Forschenden zur Nutzung des IR motiviert werden. Auch ist seitens der Bibliothek eine gesunde Portion Idealismus und die Bereitschaft zur Übernahme von neuen Aufgaben nötig.

Neben den Leistungen von einzelnen Hochschulen ist jedoch auch eine schweizweite Initiative wünschenswert, welche die gemeinsame Stossrichtung von Open Access auf der politischen Ebene vorantreibt. Zudem sollte sich die Schweiz an internationalen Entwicklungen orientieren und auch Einsitz in Open Access-Organisationen nehmen. Auf diesem Weg kann sich der Bildungs- und Forschungsplatz Schweiz profilieren und aktiv am vereinfachten Zugang zu wissenschaftlicher Literatur mitwirken.

LITERATUR

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Beatrice Bürgi

Informations- und Dokumentationsspezialistin FH Universitätsbibliothek Bern

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Les Institutional Repositories (IR) représentent un aspect important de l’Open Access. Au centre des enjeux qu’implique la mise en place d’une telle bibliothèque numérique se trouve l’élaboration d’un catalogue de mesures qui permettent la planification et la conception d’un IR. Les recommandations de ce catalogue doivent tenir compte tant de l’organisation du projet que du travail de sensibilisation, du marketing, du financement, des lignes directrices, des droits d’auteur ou encore de la sécurité des données. L’accent doit donc être mis sur les besoins des utilisateurs d’un IR performant et sur les exigences des bibliothèques. Ces recommandations ne prétendent d’ailleurs pas à l’exhaustivité.