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2006/4 Elektronisches Publizieren – Informationsspezialisten als Mittler zwischen zwei Welten

Open­-Access­-Literatur und wissenschaftliche Bibliotheken

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Erfahrungen der Bibliothek der Universität Konstanz

1 Wie kam die Bibliothek zu Open Access?

1.1 Etatentwicklung und Zeitschriftenpreise

Die Bibliothek der Universität Konstanz ist eine junge Bibliothek, die vor nunmehr 42 Jahren gegründet wurde und begonnen hat, ihren Bestand aufzubauen. In den ersten 25 Jahren konnte ein guter Bestand aufgebaut werden, da für die Beschaffung des fehlenden Altbestandes zum laufenden Etat zusätzliche Mittel bereitgestellt wurden. Dank diesen zusätzlichen Mitteln konnten in den 1980er-Jahren auch die Preissteigerungen der Zeitschriften aufgefangen werden, die damals schon über dem allgemeinen Preisindex und den regulären Etatsteigerungen lagen.

Ende der Achtzigerjahre liefen die Aufbaumittel aus, sodass dann die Preissteigerungen voll aus dem laufenden Etat finanziert werden mussten. Seit Mitte der Achtzigerjahre begannen die grossen Zeitschriftenverlage die Abonnementspreise von Jahr zu Jahr stärker anzuheben, was bis Mitte der Neunzigerjahre zu zweistelligen Preissteigerungsraten führte.

Die Bibliothek der Universität Konstanz hatte bereits in den Achtzigerjahren beschlossen, dass in keinem Fach mehr als siebzig Prozent der dem Fach zugewiesenen Literaturmittel für Fortsetzungen und Zeitschriften ausgegeben werden durften. Folglich mussten sie seitdem in den einzelnen Fächern regelmässig abbestellt werden. Betraf dies bis Mitte der Neunzigerjahre überwiegend die Naturwissenschaften, so sind seit der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre zunehmend auch die Sozialwissenschaften und in den letzten fünf Jahren ebenso die Geisteswissenschaften davon betroffen.

Durch diese laufende Anpassung der Ausgaben für Fortsetzungen und Zeitschriften konnte erreicht werden, dass der Kaufkraftverlust nicht einseitig zulasten der Monografien ging, sondern die Käufe von Monografien und Zeitschriften in gleichem Masse reduziert wurden und damit weiterhin, wenn auch in reduziertem Umfang, Monografien für Forschung und Lehre zur Verfügung standen und stehen.

Da man annimmt, dass derzeit die Anzahl der publizierten wissenschaftlichen Beiträge sich in zehn Jahren in etwa verdoppelt, ist zu vermuten, dass die Bibliothek für die Universität Konstanz im Jahre 2000 nur noch etwa ein Viertel des Anteils an wissenschaftlichen Publikationen beschaffen konnte, den sie zehn Jahre früher für die Universität beschaffen konnteVgl. Kirchgässner, Adalbert: Die Bibliothek im Online­Zeitalter – Zwischen Literaturbestand und Informationsdienstleistung. In: Ein Jahrzehnt World Wide Web: Rückblick -Standortbestimmung – Ausblick, Tagungsbe­richte ODOK’03. Hrsg.: Eveline Pipp. Wien 2004. (Biblos­Schriften 179) Seiten 17–30, Seite 21..

1.2 Zeitschriftenkrise

Diese Entwicklung war die Auswirkung der Entwicklung des Marktes für wissenschaftliche Zeitschriften auf die Literaturversorgung der Universität Konstanz.

Die grossen Wissenschaftsverlage hatten den Monopolcharakter der wissenschaftlichen Zeitschriften erkannt – in diesem Markt gibt es fast keine Konkurrenz, da die Lektüre einer Fachzeitschrift nicht durch die Lektüre einer Zeitschrift mit anderem Inhalt ersetzbar ist – und seit den 1980er-Jahren die Preise der führenden Zeitschriften deutlich stärker angehoben, als die Umfangs- und Kostensteigerungen dies erfordert hätten. Dies schlug sich in steigenden Gewinnen nieder, die heute dem führenden Verlag weit über 30 Prozent Umsatzrendite bringenVgl. Reed Elsevier Annual Report 2005 (English). Seiten 11 und 12. Quelle: http://www.reed-elsevier.com/media/pdf/p/e/FINAL_Reed%20Report.pdf, . Zuletzt eingesehen: 29.09.06.. Die Umsatzrenditen weiterer grosser Verlage liegen zwischen zwanzig und dreissig ProzentVgl. Wiley, Selected Finace Data. Quelle: http://eu.wiley.com/WileyCDA/S.... Zuletzt eingesehen: 27.10.06. Und: Jeder vierte Mitarbeiter ist in Indien tätig. Wissenschaftsverlag Springer plant neues Wachstum/Elektronik verdrängt Druckerzeugnisse/820 Millionen Euro Umsatz. In: FAZ Nr. 228 vom 30. September 2005, Seite 19. – Zur Gewinnsituation im Zeitschriftenmarkt siehe auch: Heise Newsticker vom 18.4.06: Riesengewinne mit wissenschaftlichen Publikationen. Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/72062, 1.

Diese Entwicklung ist deutlich durch die Statistiken der Association of Research Libraries belegt. Während die allgemeine Teuerung von 1986 bis 2004 43 Prozent betrug, sind die Zeitschriften in dieser Zeit um 273 Prozent teurer gewordenVgl. ARL Statistics. Published annually since 1962. Quelle: http://www.arl.org/stats/arlstat/. Hier: Monograph and Serial Expenditures in ARL Libraries, 1986–2004. Quelle: http://www.arl.org/stats/arlst/graphs/2004/monser04.pdf, . Zuletzt eingesehen: 29.9.06.

Die Kostensteigerungen sind nicht nur durch die Preissteigerungen dieser Verlage begründet, sondern auch durch ein systematisches Aufkaufen von KonkurrentenVgl.: Muroe, Mary H.: The Academic Publishing Industry: A Story of Merger and Acquisition. Quelle: http://www.niulib.niu.edu/publ...  , 2. In der Folge dieser Käufe wurden die Preise der gekauften Zeitschriftentitel, wenn sie vor dem Kauf deutlich unter dem Preisniveau des kaufenden Verlages lagen, in kurzer Zeit auf das Preisniveau des kaufenden Verlages angehobenFranken, Klaus: Die Zeitschriftenkrise: Ein Briefwechsel zwischen zwei wissenschaft­lichen Verlegern, ans Tageslicht befördert und bearbeitet von Klaus Franken. Konstanz im Dezember 2003. Quelle: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2004/1155/, 1.

Diese Preis- und Verlagspolitik führte dazu, dass die Bibliotheken, wenn sie die Zeitschriften dieser Verlage halten wollten, überproportional viele Zeitschriften anderer Verlage mit geringeren Preisen abbestellen mussten oder immer weniger Monografien kaufen konnten.

1.3 Internet als Kommunikations- und Informationsplattform – Verhaltensänderungen der Wissenschaftler

Die Entwicklung immer grösserer und leistungsfähigerer Datenverarbeitungsanlagen führte dazu, dass Rechenanlagen zunehmend zur Erstellung von Dokumenten unterschiedlichster Art genutzt wurden. Die aus diesen erstellten Publikationen wurden immer häufiger gleich aus den elektronisch vorliegenden Quellen erarbeitet und ebenfalls in elektronischer Form erstellt. Die parallele Entwicklung elektronischer Kommunikationsformen, die heute im World Wide Web eine weltweite Vernetzung aller wissenschaftlich Arbeitenden erreicht hat, führte dazu, dass die Wissenschaftler sich untereinander direkt und schnell verständigen. Wir haben in unserer Bibliothek beobachtet, dass trotz ständiger Abbestellungen von Zeitschriftentiteln die Vertreter der davon besonders betroffenen naturwissenschaftlichen Fächer zwar die Verschlechterung der Literaturversorgung laut beklagten, aber in keiner Weise bereit waren, für die Verbesserung etwas zu tun. (Im Gegensatz zu den Geisteswissenschaftlern, die Jahr für Jahr steigende Beträge aus Drittmitteln beschafften, um das Absinken der regulären Literaturmittel in ihren Fächern auszugleichen.)

Andererseits beobachteten wir, dass trotz ständigen Abbestellungen die noch verbliebenen Zeitschriften immer weniger genutzt wurden. Deshalb führten wir im Spätjahr 2001 eine Nutzungsuntersuchung bei den gedruckten Zeitschriften von Biologie, Chemie und Physik durch. Nach regelmässigen Abbestellungen in den vorangehenden Jahren war weniger als die Hälfte der Zeitschriftentitel vorhanden wie im Jahre 1990, während die Anzahl der publizierten Titel in diesen Jahren deutlich gestiegen war. Und trotzdem wurden die gedruckten Hefte der verbliebenen Titel kaum genutztVgl. Kirchgässner, Adalbert: 13 Jahre Zeitschriftenabbestellung an der Universität Konstanz. Konstanz 2003. Seite 9. Quelle: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2003/1036/, 1.

Seit Zeitschriften online nutzbar sind, kann diese Nutzung gemessen werden. Alle uns zur Verfügung gestellten Statistiken weisen darauf hin, dass der grösste Teil der Nutzung auf wenige Titel konzentriert ist und der grössere Teil der Titel nur schwach genutzt wirdEbenda: Seite 8: Ausgewertet wurden hier die Nutzungsstatistiken für das Jahr 2002, die die Bibliothek von den Verlagsplattformen bekommen hatte. Alle weiteren Statistiken weisen dieselbe Charakteristik auf..

Die schwache Nutzung der noch vorhandenen gedruckten Zeitschriften wie der elektronischen Zeitschriften liess darauf schliessen, dass die Wissenschaftler zunehmend auf Dokumentelieferdienste angewiesen waren, weil die Bibliothek die für sie relevanten Zeitschriften nicht mehr in der erforderlichen Breite zur Verfügung stellen konnte. Doch dies war auch nicht der Fall, im Gegenteil ist die Nutzung dieser Dienste durch die Wissenschaftler der Universität Konstanz seit 1996 rückläufig. 

Die Schlussfolgerung ist, dass die (Natur-)Wissenschaftler in Konstanz heute die Zeitschriften bei weitem nicht so nutzen, wie das früher der Fall war.

Beobachtungen zur Zeitschriftennutzung und Gespräche mit Wissenschaftlern liefern Anhaltspunkte, dass die Wissenschaftler, die sich in ihren Spezialistengruppen weltweit kennen, das Internet als Informationsmedium untereinander nutzen.

Sobald ein Zeitschriftenbeitrag die Begutachtung überstanden hat und von einer Zeitschrift zum Druck angenommen ist, wird dieser den interessierten Kollegen zur Verfügung gestellt. Bis dann einige Monate später die Zeitschrift erscheint, ist die Information längst bekannt und verarbeitet. Es ist nicht mehr erforderlich, die Zeitschrift auch zu lesen.

1.4 Hilfe für Online-Publikationen als Dienstleistungen der Bibliothek

In dieser Zeit, in der die Zeitschriftenkrise zur laufenden Diskussion mit den Wissenschaftlern zwang, entstanden auch die technischen Möglichkeiten zur Online-Publikation. Die Bibliothek griff diese auf, installierte den Publikationsserver KOPS und stellte die erforderliche Publikationshilfe bereit. 

2 Auswirkung auf die Bibliothek(en)

2.1 Nichtfinanzierbarkeit wachsender Informationsmengen

Unabhängig von der Preispolitik der Verlage wächst die Menge der wissenschaftlich erarbeiteten Ergebnisse und der darüber veröffentlichten Arbeiten ständig an, und ein Ende dieses Wachstums ist bisher nicht abzusehen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, müsste der jährliche Zuwachs des Bibliotheksetats sowohl die Inflationsrate wie den Zuwachs des publizierten Wissens ausgleichen. Dies ist unrealistisch. Selbst ein Ausgleich der Inflationsraten ist vielfach nicht gewährleistet. Und einmalige Sondermittel beheben das langfristige Problem nichtBibliotheksplan 1973. Entwurf eines umfassenden Bibliotheksnetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Hrsg.: Deutsche Bibliothekskonferenz. Berlin, Deutscher Büchereiverband 1973. Seite 70: Die Autoren postulieren, dass der Bibliotheks­etat jedes Jahr um fünf Prozent wachsen muss, um die zusätzlichen Publikationen zu finanzieren. Hinzu müsse der Ausgleich der allgemeinen Teuerung kommen..

2.2 Bestandsaufbau oder Informationsbeschaffung

Bibliotheken stellen Informationen bereit, die ihre Benutzer für die wissenschaftliche Arbeit brauchen. Über Jahrhunderte sammelten die Bibliotheken die Materialien, die gebraucht wurden, in Form von Büchern und Zeitschriften. Man bemühte sich, die jeweiligen Teilgebiete, die die Wissenschaftler vor Ort für ihre Arbeit brauchten, möglichst vollständig zu beschaffen und für die Benutzung bereitzustellen.

Mit der zunehmenden Differenzierung und Spezialisierung der Wissenschaften wie mit dem Anwachsen der wissenschaftlichen Produktion sind die Bibliotheken immer weniger in der Lage, einzelne Teilgebiete annähernd vollständig zu beschaffen und bereitzustellen.

Dies führte dazu, dass heute vielfach Materialien kurzfristig beschafft werden müssen. Auch lohnt es kaum, umfangreiche Sammlungen bereitzustellen, wenn daraus nur marginale Teile für die wissenschaftliche Arbeit Verwendung findenKirchgässner, Adalbert: Bibliothek – Buchmuseum oder Informationsagentur. In: Bibliothek aktuell, Heft 77.2002. Seiten 10–12. Quelle: http://w3.ub.uni-konstanz.de/v13/volltexte/2002/900//pdf/Heft77.pdf, 1.

Die heutige Informationstechnik erlaubt es auch, viele Informationen, die früher nur in gedruckter Form transportiert werden konnten, online zu selektieren und abzurufen. Die aktuelle Beschaffung von Informationen, die für den einzelnen Benutzer beschafft oder von ihm selbst – von der Bibliothek finanziert – abgerufen werden, führen aber dazu, dass die Bibliothek aus diesen Informationen keinen Bestand aufbauen kann. Folglich muss die Bibliothek bei wiederholter Anforderung der gleichen Informationen aufs Neue bezahlen. Die Informationsbeschaffung für den aktuellen Bedarf des Benutzers bedient diesen unmittelbar, hat aber zur Folge, dass diese Mittel nicht zum Bestandsaufbau eingesetzt werden können.

Eine Mischform zwischen Bestand und aktuell zu beschaffenden Informationen sind zeitlich befristete Lizenzen: Die Nutzer können auf diese unmittelbar zugreifen wie auf den Bibliotheksbestand, aber die Bibliothek erwirbt keinen auf Dauer verfügbaren Bestand, sondern muss jährlich neu dafür bezahlen, um diese Bestände weiter anbieten zu können.

2.3 Selbstverständnis der Bibliotheken

Bibliotheken definierten ihre Bedeutung in der Vergangenheit weitgehend aus einem für ihre Benutzer möglichst vollständigen und umfassenden Bestand in den von ihren Nutzern nachgefragten Fachgebieten. Dies ist auch daran abzulesen, dass die Bestandsgrösse und die Ausleihzahlen oftmals als Gradmesser der Wertigkeit von Bibliotheken verstanden wurden. Indem die Bestandsbeschaffung durch Informationsbeschaffung zuerst ergänzt und inzwischen zum Teil die Informationsbeschaffung den Bestandsaufbau ersetzt hat, führt das dazu, dass manche Bibliothekare sich in ihrem Selbstverständnis bedroht fühlen.

In dem Masse, wie die Bibliothekare die Herausforderung durch die Veränderung der Informationsbedürfnisse der Wissenschaftler annehmen, werden sie ihr berufliches Selbstverständnis aus der Gesamtheit der Dienste beziehen (müssen), die heute erforderlich sind, die Anforderungen der Nutzer zu befriedigen.

2.4 Sichtbarkeit bibliothekarischer Leistungen

Mit der Bereitstellung der elektronischen Dienste und dem Bedeutungsschwund der Bestände und damit der Bibliothek als Ort der Arbeit und Kommunikation vor allem für die Naturwissenschaftler entsteht ein weiteres Problem für die Bibliotheken: Die Nutzer nehmen die Bibliothek als Dienstleister kaum mehr wahr, auch wenn sie ihre Dienste intensiv nutzen. So wurde festgestellt, dass Wissenschaftler vielfach der Ansicht waren, was im Netz sei, sei kostenfrei. Und sie wissen nicht und nehmen nicht wahr, dass ein Grossteil der von ihnen genutzten Quellen durch die Bibliothek lizenziert und bereitgestellt wird.

Für die Bibliotheken ist es aber wichtig, dass die Nutzer ihre Dienste wahrnehmen, damit die Entscheidungsträger nicht aus Unkenntnis Beschlüsse fassen, die die Informationsversorgung ihrer Einrichtungen beschädigen.

3 Verhalten der wissenschaftlichen Institutionen und ihrer Mitglieder

3.1 Leser Wissenschaftler wollen als Leser möglichst ungehinderten und schnellen Zugang zu allen sie interessierenden Inhalten haben. Woher die gesuchten Informationen kommen, wer sie aufbereitet und bereitstellt, interessiert sie nicht.

Interessant ist für sie auch, ob die erreichbaren Informationen qualitativ hochwertig sind. Aber teilweise ist die schnelle Erreichbarkeit wichtiger als die Qualität der Informationen. Dies führt auch dazu, dass Open-Access-Publikationen von den Wissenschaftlern als Leser hoch geschätzt werden und viele Wissenschaftler dafür eintreten, dass alles open access veröffentlicht werden soll. Problematisch wird dies, wenn sie der Meinung sind, alles im Netz sei frei verfügbar, was sie finden. Und dabei nicht wissen (wollen), dass eine Bibliothek im Hintergrund die erforderlichen Lizenzen bezahlt und die Zugriffe bereitstellt.

3.2 Autoren

Ganz anders verhalten sich die Wissenschaftler als Autoren. Als Autoren kommt es ihnen darauf an, ihre Beiträge in möglichst hochrangigen Zeitschriften zu veröffentlichen. Dabei ist es ihnen egal, ob die Veröffentlichung in einer Kaufzeitschrift oder in einer Open-Access-Zeitschrift erscheint. Da ihr persönlicher Erfolg sowohl von der Anzahl als auch von der Rangigkeit der Zeitschrift abhängt, führt dies dazu, dass sie ihre Papiere bei einer möglichst hochrangigen Zeitschrift einreichen, wenn sie dort abgelehnt werden, bei der nächsten, und so weiter, bis sie eine Zeitschrift finden, die den Artikel druckt.

Für die Veröffentlichung brauchen die Wissenschaftler nach wie vor Zeitschriften, weil die Wertigkeit einer Veröffentlichung in vielen Bereichen der Wissenschaft vom «Rang» der Zeitschrift abhängt, in der der Beitrag veröffentlicht wird.

Andererseits brauchen sie die Zeitschriften zur Information vielfach nicht mehr. Wenn die Zeitschriftenbeiträge zur Veröffentlichung angenommen sind, werden sie in der Gruppe der Interessierten weltweit verteilt.

3.3 Gutachter und Herausgeber

Werden Beiträge bei möglichst hochrangigen Zeitschriften eingereicht und bei Ablehnung so lange immer weiter zur nächsten Zeitschrift gegeben, bis eine Zeitschrift diesen Artikel druckt, führt dies zu den beklagten, enorm hohen Ablehnungsquoten bei hochrangigen Zeitschriften unabhängig davon, ob dies Kaufzeitschriften oder Open-Access-Zeitschriften sind.

Einige Gesellschaften verhindern dieses Einreichen auf Verdacht, indem sie nicht nur die Zeitschriften im Open Access veröffentlichen, sondern auch das Begutachtungsverfahren öffentlich machen. Hier werden bereits die eingereichten Papiere ins Netz gestellt, und die wissenschaftliche Gemeinschaft kann Kommentare dazu schreiben, die öffentlich sind und mit archiviert werdenVgl. Pschl, U., Interactive journal concept for improved scientific publishing and quality assurance, Learned Publishing, 17, 105–113, 2004. Quelle: http://www.ingentaconnect.com/content/alpsp/lp/2004/00000017/00000 002/art00005, sowie die Webseite: http:// www.copernicus.org/EGU/acp/ad_.....

Bei allen Kaufzeitschriften und den meisten Open-Access-Zeitschriften ist die Begutachtung ein verdecktes Verfahren. Dies hat die schon genannte Folge, dass jede Menge Artikel auf Verdacht eingereicht werden. Die Autoren bekommen bei einer Ablehnung eine Begründung, die sie zur Verbesserung der Arbeit nutzen können. Über mehrere Iterationen kann dann unter Mithilfe der Gutachter aus einem Ansatz ein veröffentlichungsfähiger Beitrag werden.

Die Gutachter haben den Vorteil, dass sie nicht bekannt sind. Sie brauchen sich für ihr Verhalten nicht zu rechtfertigen und bekommen vorab Informationen, an was die Kollegen bzw. die Konkurrenz gerade arbeiten.

Die Herausgeber haben die Möglichkeit, durch Hinweise auf in ihren Zeitschriften veröffentlichte Arbeiten die Zitierung der eigenen Zeitschrift(en) zu erhöhen und so den Impact-Faktor zu beeinflussen.

Es gibt Hinweise, dass in einigen Zeitschriften nur Arbeiten veröffentlicht werden, die eine von den Herausgebern als ausreichend angesehene Anzahl Zitierungen aus der (den) eigenen Zeitschrift(en) enthalten.

3.4 Wissenschaftliche Gesellschaften und ihre Funktionen

Wissenschaftliche Gesellschaften haben die Aufgabe, die Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Dazu gehört unstreitig die Herausgabe wissenschaftlicher Zeitschriften, um ihren Mitgliedern eine Veröffentlichungsplattform zu bieten. Damit kann man aber unterschiedliche Zwecke verfolgen.

Einige Gesellschaften nutzen ihre Zeitschriften, um maximale Gewinne aus diesen zu ziehen. Diese Gesellschaften fordern von den Verlagen, weit mehr als die Hälfte der Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Zeitschriften an die Gesellschaft abzuführen. Wenn die Gesellschaft einen Verlag findet, der mehr abzuführen bereit ist als der bisherige Verlag, wird der Verlag gewechselt. Dies führt zum sogenannten «Verlagshopping». 

Ob diese Gewinne dann den Mitgliedern oder den Gesellschaftsvorständen und Mitarbeitern zugute kommen, ist unerheblich. Auf jeden Fall werden aus den Einnahmen der Zeitschriften – die meist aus öffentlichen Kassen kommen – andere Zwecke als die Publikation wissenschaftlicher Literatur finanziert.

Dies ist der Grund, warum Gesellschaftszeitschriften sehr unterschiedliche Preise haben. Je mehr von den Einnahmen dem Publikationszweck entfremdet wird, desto teurer werden die Zeitschriften. Im Gegensatz dazu sorgen Open-Access-Zeitschriften, die nicht zur Gesellschaftsfinanzierung missbraucht werden, besonders wenn sie ein öffentliches Begutachtungsverfahren haben, zur Kostensenkung im Publikationswesen.

3.5 Arbeitgeber und Unterhaltsträger

Die meisten wissenschaftlichen Autoren stehen in einem Beschäftigungsverhältnis. Den Arbeitgebern steht es in den meisten Ländern zu, im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass die Ergebnisse der Arbeit, die geistiges Eigentum der Beschäftigten sind, nicht diesen ausschliesslich zur Verwertung zur Verfügung stehen.

Die Ausschliesslichkeit hat nämlich zur Folge, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit des Beschäftigten bezahlt, der Beschäftigte aber sein Arbeitsergebnis einem Verlag zur Verwertung überlässt und der Arbeitgeber die Publikation, in der der Beitrag erscheint, wieder kaufen muss, damit die in diesem Wissenschaftsbereicht Beschäftigten das Ergebnis lesen können.

Deshalb ist es aufs Ganze gesehen unerheblich, ob der Arbeitgeber für die Veröffentlichung in einer Open-Access-Zeitschrift oder in einer Kaufzeitschrift bezahlt. Dem Wissenschaftler ist dies egal, sofern die Zeitschrift einen entsprechenden hohen wissenschaftlichen Rang besitzt.

3.6 Gewinne aus Kaufzeitschriften und Open-Access-Zeitschriften

Die Verlage haben als Wirtschaftsunternehmen ein vitales Interesse, dass ihre Zeitschriften Gewinne erwirtschaften, sonst ist die Existenz des Verlages bedroht. Ebenso müssen die Gesellschaften, und wer sonst noch Zeitschriften publiziert, diese finanzieren, soweit sie nicht von dritter Seite bezahlt werden.

Das Publizieren von Zeitschriften kostet Geld, unabhängig davon, wer dieses bezahlt. Bei Kaufzeitschriften finanziert der Verlag die Zeitschrift und holt die Kosten über den Verkauf wieder herein. Bei Open-Access-Zeitschriften bezahlen die Autoren für das Veröffentlichen. Und bei «kosten- freien» Zeitschriften gibt es eine Institution, die die Herstellung dieser Zeitschrift bezahlt, damit sie verteilt werden kann. Vielfach wissen diejenigen, die solche «kostenfreien» Zeitschriften herausgeben, nicht, was ihre Zeitschrift tatsächlich kostetWegener, Bernd: Kostenmodelle für wissenschaftliche Zeitschriften – Ergebnisse einer Umfrage durch die IuK-­Fachgruppe E­-Journals. Vortrag anlässlich des Workshops der Universitätsbibliothek Regensburg und der IuK­Fachgruppe E­Journals zum Thema: Elektronische Zeitschriften an wissenschaft­lichen Bibliotheken am 4./5. Februar 1999 an der Universität Regensburg. Quelle: http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/iuk/kosten.htm. Zuletzt eingesehen: 31.10.06. Und: Froben, Friedrich Wilhelm: Das E­ Journal-­Experiment – Stand und Finanzie­rung. Vortrag anlässlich des Workshops der Universitätsbibliothek Regensburg und der IuK-­Fachgruppe E­-Journals zum Thema: Elektronische Zeitschriften an wissenschaft­lichen Bibliotheken am 4./5. Februar 1999 an der Universität Regensburg. Quelle: http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/iuk/experim.htm, 3. Artikel in Open-Access-Zeitschriften kosten in der Erstellung unter 2400 Dollar, da Springer für Open-Access-Veröffentlichungen 3000 Dollar von den Autoren fordert und sicherlich eine Umsatzrendite von über 20 Prozent einkalkuliert,Vgl. auch PLOS Frequently Asked Questions, Questions about publication fees Quelle: http://www.plos.org/about/faq..... , 4und was Verlagszeitschriften kosten, kann man vielleicht an dem Verhältnis von Umsatz und Gewinn bei einigen Verlagen abschätzen. Kostenfrei gibt es keine Zeitschriften.

Wie oben benannt, haben die grossen Verlage in den frühen 1990er-Jahren begonnen, die Monopolsituation naturwissenschaftlicher Zeitschriften auszunutzen, um ihre Renditen zu erhöhen. Der massive Konzentrationsprozess im wissenschaftlichen Publikationswesen in den letzten zwanzig Jahren hat die Monopolisierung weiter verschärft, was daran zu erkennen ist, dass in wichtigen Bereichen nur noch je eine führende Zeitschrift oder ein Referateorgan bzw. heute eine Datenbank existiertFrüher gab es einmal als Konkurrenz zu Chemical Abstracts (heute SciFinder) das Chemische Zentralblatt. Nachdem dieses an die ACS verkauft wurde, stiegen die Preise für Chemical Abstracts deutlich stärker als die allgemeine Teuerung und die Umfangszu­ wächse. Und heute ist die Datenbank SciFinder eine der teuersten Datenbanken der Welt. Die American Mathematical Society hat in diesem Jahr versucht, deutsche Universitäten durch ein Angebot, das deutlich unter dem Listenpreis und unter den in Amerika geforderten Preisen lag, zum Wechsel vom Zentralblatt Mathematik zum MathSciNet zu bewegen. Möglicherweise kann durch die Konkurrenz des Zentralblattes der Preis für MathSciNet nicht so hoch gezogen werden, wie die AMS dies gerne tun würde. , Zur Bildung von Quasimonopolen im Zeitschriftenmarkt siehe: Haucap, Justus, Hartwich Tobias, Uhde André: Besonderheiten und Wettbewerbsprobleme des Marktes für wissenschaftliche Fachzeitschriften. In: Vierteljahreshefte zur Wirt­schaftsforschung (Ausgabe 3/2005), Band 74.2005 Heft 3, Seiten 85–107. Hier Seiten 94 ff.. Somit können die Kunden nicht auf die Konkurrenz ausweichen und müssen die monopolisierte Zeitschrift lesen, wenn sie an die Informationen kommen wollen.

Andererseits hat ein Autor, wenn er open access publiziert, die freie Auswahl zwischen verschiedenen Zeitschriften, wenn es unterschiedliche Zeitschriften gibt, die entsprechend hochrangig sind. Wie schon benannt, ist für den Autor die Bewertung der Zeitschrift wichtiger als die Kosten der Veröffentlichung (zumal diese Kosten vielfach von der Institution getragen werden, bei der der Autor beschäftigt ist.)

Dies führt dazu, dass bei Open-Access-Zeitschriften eher eine Konkurrenzsituation besteht als bei Kaufzeitschriften. Modellrechnungen ergaben, dass bei den Open-Access-Zeitschriften die Gewinnmargen nur die Hälfte der Gewinnmargen von Kaufzeitschriften erbringen dürftenBergstrom, Theodore C., und Bergstrom, Carl T.: Can «author pays» journals compete with «reader pays»? In: Nature 2004. Quelle: http://www.nature.com/nature/focus/accessdebate/22.html, 1.

3.7 Entwicklung des Open Access

Das monopolistische Marktverhalten der Verlage führte dazu, dass einige Wissenschaftler aktiv wurden, das verlagsgestützte Publikationswesen in Frage stellten, neue Publikationswege entwickelten und Förderer fanden, die bereit waren, Anschubfinanzierungen für diese Publikationsform bereitzustellenEinen Überblick über Entwicklung und Stand der Open­-Access-­Publikationsformen gibt Wikipedia. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Open_Access, 1. Diese Entwicklung und die breite öffentliche Diskussion über die Verwerfungen im Publikationsmarkt war und ist die Voraussetzung, damit Bibliotheken Open-Access-Publikationen unterstützen können.

4 Handlungsmöglichkeiten der Biblio­theken

4.1 Aufgaben und Betriebsziele

Die Bibliothek braucht eine klare Aufgabenstellung. Wenn diese nicht von ihrer Trägerinstitution vorgegeben ist, muss sie diese selbst definieren.

Die Bibliothek muss wissen, wo sie ihre Aufgabe sieht und wie sie sich in ihrer Institution bzw. bei ihren Nutzern positioniert. Beschafft sie umfassend Informationen und stellt diese zur Nutzung bereit, oder sieht sie sich als umfänglichen Dienstleister im Publikationswesen, der seinen Nutzern Informationsbereitstellung, Schulung zur Informationskompetenz und Hilfestellung zum Publizieren in gleicher Weise bietet?

Dabei ist es wichtig, die Dienste nicht nur zu erbringen, sondern vor allem bei den netzbasierten Diensten auch kenntlich zu machen, dass die Bibliothek als Dienstleister diese Dienste bereitstellt oder ermöglicht.

Das Publikationswesen wird wesentlich vom Verhalten der Wissenschaftler bestimmt. Bibliotheken können kaum direkt darauf einwirken. Autoren, Herausgeber und Leser bestimmen, was veröffentlicht und was gelesen wird.

Bibliotheken wie die Verlage sind darauf angewiesen, dass die Autoren ihre Beiträge zur Veröffentlichung geben und die Wissenschaftler diese lesen. Dafür bekommen die Bibliotheken Mittel, um die Veröffentlichungen von den Verlagen zu beschaffen. Die Verlage haben die Möglichkeit, Preise zu setzen, die Bibliothekare nur die Möglichkeit, zu kaufen oder nicht zu kaufen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, herauszufinden, wo die «Interessen»Das Interesse der Bibliothekare sollte die bestmögliche Informationsversorgung sein. Um dies zu leisten, müssen sie ihr Handeln an den Interessen der Nutzer orientieren. Eigeninteressen haben sie in dem Sinne, dass sie sich bemühen, dies bestmöglich zu leisten, und daraus ihr Selbstverständnis beziehen.der Bibliothekare auch die Interessen der Wissenschaftler sind. Dazu ist es erforderlich, die Wissenschaftler über die Zusammenhänge des Publikationswesens und die Verhaltensweisen der Marktpartner zu informieren. Nur wenn sie informiert sind, werden sie erkennen, was sie in eigenem Interesse tun können.

4.2 Erwerbung in Abstimmung mit den Wissenschaftlern

Da Bibliotheken immer zu wenig Mittel haben, alle Wünsche ihrer Benutzer zu erfüllen, ist es wichtig, diese in die Beschaffungsentscheidungen einzubeziehen.

Entscheidet die Bibliothek ohne Beteiligung der Wissenschaftler über die zu beschaffenden Inhalte und stellt auch einen objektiv guten und auf die Benutzung ausgerichteten, ausgewogenen Bestand bereit, wird immer derjenige, dessen Wünsche nicht erfüllt werden, der Bibliothek vorwerfen, das Falsche eingekauft zu haben.

Wenn die Wissenschaftler jedes Fachbereiches über die Beschaffungen ihres Faches entscheiden, können sie zwar mit den Kollegen über Sinn, Zweck und fachliche Qualität streiten, können aber aus ihrer Sicht «falsche» Entscheidungen nicht der Bibliothek anlasten.

4.3 Information über den Markt für wissenschaftliche Publikationen

Die Bibliothek kann diese Entscheidungsfindung dadurch unterstützen, dass sie umfassend über den Markt, die Firmen, die Produkte und die Nutzung informiert. Deshalb haben unsere Bibliotheksleitung und die Fachreferenten in den letzten Jahren immer wieder in jedem Fachbereich in Gremiensitzungen und Informationsveranstaltungen über den Zeitschriftenmarkt, die Preisentwicklung im Verhältnis zu Marktentwicklung und Fachetat, über Zeitschriftenindizes, Zeitschriftennutzung sowie über alternative Möglichkeiten der Publikation informiert.

Diese Information ist mühsam, und es kann sehr lange dauern, bis die Botschaft ankommt. Hilfreich ist, wenn man im Fachbereich Wissenschaftler findet, die einen Teil dieser Informationen selbst beitragen oder bestätigen können. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, auf die Möglichkeit der Open-Access-Publikation hinzuweisen, diese vorzustellen und die Zusammenhänge und Vorteile zu erklären. Ein für die Wissenschaftler wichtiges Argument ist, dass die open access publizierten Zeitschriften tendenziell höhere Zitierraten haben als die KaufzeitschriftenVgl. MacCallum. Catriona J. und Hermai Parthasarathy: Open Access Increases Citation Rate. In: PloS Biology, 2006, Vol 4, Iss. 5, e176, Seite 0661–0662. Quelle: http://biology.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pbio.0040176, 1.

4.4 Förderung von Open Access und Publikationsunterstützung

Nur wenige Wissenschaftler wählen von sich aus die Publikation im Open-Access-Modell. Wichtig und karriereentscheidend ist, dass ihre Beiträge in hochrangigen Zeitschriften erscheinenDas «Güte»­Mass Impact­Factor ist ein Pseudomass, da die Häufigkeit einer Zitation zwar etwas über die Qualität aussagen kann, aber nicht muss. Vgl. Hauffe, Heinz: Bibliometrische Verfahren zur Bewertung von Zeitschriften. In: Information Macht Bildung: Zweiter gemeinsamer Kongress der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. (BDB) und der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e.V. (DGI), Leipzig, 23. bis 26. März 2004, (zugleich 93. Deutscher Bibliothekartag, 55. Jahrestagung der DGI, Jahrestagung des Deutschen Bibliotheksverbandes [DBV]) Hrsg. von Georg Ruppelt Wiesbaden: Dinges & Frick 2004..

Wollen die Bibliotheken zum Nutzen der Wissenschaft die Open-Access-Publikationsform stärken, können sie dies durch gezielte Werbung für diese Publikationsform und Unterstützung beim Publizieren erreichen.

Dazu ist es allerdings erforderlich, die Wissenschaftler einzeln anzusprechen und für diese Publikationsform zu werben. Da sie wegen der genannten «Tyranny of Citation»Vgl. auch Altbach, Philip G.: The Tyrany of Citations. Quelle: http://www.insidehighered.com/... , Zuletzt eingesehen: 20.10.2006. – Oder wie ein Konstanzer Professor kommentierte: Der Glaube an den Impact­Factor enthält den Irrtum, zu meinen, dass man lesen und selbst urteilen durch zählen ersetzen könne.auf die Veröffentlichung in «hochrangigen» Zeitschriften angewiesen sind, ist es zweckmässig, sie für eine Zweitveröffentlichung ihrer Zeitschriftenbeiträge auf dem Server der Bibliothek/Universität zu gewinnen.

Hilfreich ist, wenn die Universitätsleitung dieses Bemühen durch entsprechende Erklärungen unterstützt. Bei Veröffentlichungen auf dem Server der Universität sollte den Wissenschaftlern mindestens so viel Hilfestellung gegeben werden, wie sie bekommen, wenn sie in einem Verlag publizieren.

Dies bedeutet, dass die Bibliothek für sie klärt, wie die Copyright-Regelungen der Erstveröffentlichung aussehen, wann und wie das PostPrint veröffentlicht werden kann und dass umfassende technische Hilfe beim Veröffentlichen geleistet wird.

Kann man Wissenschaftler dazu gewinnen, in Open-Access-Zeitschriften zu veröffentlichen, ist es hilfreich, wenn die Universität oder Bibliothek die Kosten teilweise oder vollständig übernimmt.

Es ist die Frage, ob dies auf Dauer eine Aufgabe der Bibliotheken ist oder ob diese Publikationsgebühren nicht aus den Forschungsmitteln der Projekte zu bestreiten sind, deren Ergebnisse veröffentlicht werden sollen. Trotzdem ist als Anschubhilfe eine Kostenübernahme zweckmässig, bis sich diese Publikationsform im Bewusstsein der Autoren festgesetzt hat.

4.5 Produktportfolio der Bibliotheken

Bibliotheken müssen sich in der Informationslandschaft positionieren und dazu in den Institutionen, für die sie arbeiten, entsprechende Dienste anbieten.

Für jede Bibliothek ist es wichtig, ein auf ihre Institution zugeschnittenes «Produktportfolio» zu definieren und zu realisieren. D.h., es ist zu klären, welche Leistungen und Dienste die Bibliothek entsprechend ihrer Aufgabenstellung und Zielsetzung der Universität/Einrichtung bieten kann, damit die Wissenschaftler vor Ort in ihrer Arbeit möglichst gut unterstützt werden. Dazu gehört auch, zu klären, wie Open Access so angeboten und gefördert werden kann, dass die Wissenschaftler ihrerseits Vorteile daraus gewinnen, sich dabei zu beteiligen. 

5 Der Weg der Universität Konstanz zur Open­Access­Veröffentlichung

5.1 Aufbau des Dokumentenservers KOPS

In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre hat die DFG an der Universität Stuttgart ein Projekt gefördert, das einen Publikationsserver für die Universitäten entwickeln sollte. Dieses Projekt OPUS wurde erfolgreich abgeschlossen. Das Programmpaket für den Aufbau und die Betreuung eines Publikationsservers wurde den interessierten Bibliotheken zur Verfügung gestellt und wird auch weiterhin von der Universität Stuttgart gepflegt und weiterentwickelt.

Die Bibliothek der Universität Konstanz hat diese Software übernommen und für die Universität Konstanz unter dem Namen Konstanzer Online Publikations Server KOPS 1999 in Betrieb genommen.

5.2 Regelmässige Information der Universität und der Fachbereiche

Seit Mitte der Neunzigerjahre – seit die Zeitschriftenpreise ständig deutlich stärker anstiegen – haben die Bibliotheksleitung und die Fachreferenten die Universitätsleitung, den zuständigen Ausschuss, die Fachbereiche und die einzelnen Wissenschaftler regelmässig intensiv über den Zeitschriftenmarkt, seine Entwicklung und die Konsequenzen für die Literaturbeschaffung bei beschränktem Literaturetat informiert. Dies war und ist weiterhin notwendig, da in Konstanz die Fachbereiche über die Zeitschriftenbezüge entscheiden und sie für die – inzwischen regelmässigen – Abbestellrunden ausführliche Informationen erwarten. Seit Ende der Neunzigerjahre wird diese Information regelmässig mit der Information über Alternativen zur bisherigen Literaturversorgung und darunter auch über Open-Access-Publikationsmöglichkeiten informiertWeitere Alternativen zur herkömmlichen Literaturversorgung sind – Ersatz von Zeitschriftenabonnements durch Dokumentenlieferung – Ersatz von Zeitschrifteneinzelabonne­ments durch Aggregator­Datenbanken – Kooperation bei der Literatur­ und Informationsversorgung mit grossen Spezialbibliotheken für die Versorgung einzelner Fächer. Vgl. Kirchgässner, Adalbert: Finanzielle Experimente im wissenschaftlichen Publikationswesen. Vortrag auf der ODOK 05 am 15. September 2005 in Bozen. Erscheint in: Zugang zum Fachwissen. ODOK 05. Schriften der VÖB, Band 1. 2006. Siehe auch: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2006/1733/, 1. Hinweise auf die Publikationsmöglichkeit auf dem Universitätsserver und ergänzende Informationen sind über die Homepage der Bibliothek zu finden.

5.3 Werbung der Autoren für diesen Publikationsweg

Nur wenige Wissenschaftler interessieren sich dafür, wie das wissenschaftliche Publikationswesen funktioniert und was Publikationen kosten. Sie erwarten von der Bibliothek, die erforderlichen Informationsmedien zu beschaffen. Und es ist für sie selbstverständlich, dass sie die von ihnen geschriebenen Artikel an die Zeitschriften geben, die für sie von Interesse sind. Will man die Wissenschaftler dafür gewinnen, dass sie ihre Artikel auch auf dem Server der Bibliothek bzw. der Universität veröffentlichen, ist es erforderlich, dafür aktiv zu werben. Die Werbung durch die Fachreferenten in den Fachbereichen ist notwendig, aber oftmals nicht ausreichend. Deshalb hat in Konstanz der Bibliotheksdirektor die Professoren einzeln angesprochen für die Parallelpublikation auf dem Server und teilweise auch für die Veröffentlichung in Open-Access-Zeitschriften geworben und sie zum Teil gewinnen können.

Nur die wenigen Wissenschaftler, die sich für die Wirkungsweisen des Publikationswesens interessieren, suchen selbst aktiv Wege zur Open-Access-Publikation. Alle anderen sollte man nicht nur über die Entwicklung des Zeitschriftenmarktes informieren, sondern sie auffordern, ihre Beiträge auch auf dem Server der Bibliothek bzw. der Universität aufzulegen. Dabei ist es hilfreich, wenn man sie darüber informieren kann, wie die Regelungen für nachträgliche Parallelveröffentlichungen der Verlage sind, in deren Zeitschriften ihre Beiträge erschienen sind. Auch sollte man ihnen umfassende Hilfe anbieten, diese Zweitveröffentlichungen vorzunehmenFranken, Klaus: Gute Ideen und Technik reichen nicht aus: das Einwerben von Beiträgen für ein Institutional Repository am Beispiel der Universität Konstanz. Konstanz 2005. Quelle: http://w3.ub.uni-konstanz.de/v13/volltexte/2005/1569//pdf/Openaccess-Goettingen05.pdf, 1

Wissenschaftler dazu zu gewinnen, in Open-Acces-Zeitschriften zu veröffentlichen, setzt voraus, dass es für ihr Fachgebiet Open-Access-Zeitschriften gibt, die ein entsprechendes Renommee haben. Gibt es solche Zeitschriften, kann man damit werben, dass Open-Access-Zeitschriften durchschnittlich besser zitiert werden als Kaufzeitschriften.

Um die Veröffentlichung in Open-Access-Zeitschriften zu fördern, hat die Bibliothek der Universität Konstanz in Absprache mit dem Fachbereich Biologie die Gebühren für Veröffentlichungen in BioMedCentral in den letzten Jahren aus den Literaturmitteln der Biologie bezahlt. Seit diesem Jahr gilt ein Beteiligungsmodell, in dem die eine Hälfte der Publikationsgebühren aus dem Literaturkontingent und die andere Hälfte vom Fachbereich bezahlt wird.

Die Finanzierung aus Literaturmitteln ist als zeitlich befristete Umstiegshilfe vorgesehen. Es ist nicht realistisch, davon auszugehen, dass die Veröffentlichungen in Open-Access- Zeitschriften auf Dauer aus den Literaturmitteln bezahlt werden können und sollen. Langfristig wird angestrebt, dass die Veröffentlichungskosten aus den Mitteln der Projekte bezahlt werden, in denen die zu veröffentlichenden Ergebnisse erarbeitet werden.

Die Bibliothek wirbt bei den Fachbereichen dafür, bei Projektanträgen Mittel für Literatur wie für Open-Access-Publikationen mit einzuwerben, und berät hierzu bei der Antragsstellung.

5.4 Aktive Publikationshilfe durch die Bibliothek

Um die Autoren der Universität für die (Parallel-)Veröffentlichung auf dem Universitätsserver zu gewinnen, bietet die Bibliothek umfassende Hilfe an. Dies beginnt bei der Beratung über die Technik der Dokumenterstellung und die Klärung von Urheberrechtsfragen. Den Autoren wird gezeigt, wie sie auf dem Server veröffentlichen. Diese Hilfe geht von der Hilfe zur Selbsthilfe im Bedarfsfall bis zur vollständigen Publikation eines Beitrages durch die Bibliothek sowie die Publikation ganzer Schriftenreihen.

5.5 Gewinnung der Universitätsleitung für die aktive Unterstützung

Die Bibliothek hat die Probleme frühzeitig im entsprechenden Ausschuss und im Rektorat vorgetragen. Nach intensiver Diskussion erreichte sie, dass das Rektorat die Berliner Erklärung unterschrieb und die Wissenschaftler zur Parallelpublikation auf dem Universitätsserver aufforderte. Aus den vorhandenen Ansätzen soll in der nächsten Zeit eine «Open-Access-Policy» der Universität entwickelt werden.

5.6 Ausbau des Publikationsservers KOPS zum Institutional Repository

Die Bibliothek hat der Universität im Laufe dieser Diskussionen angeboten, den Publikationsserver zu einem Institutional Repository auszubauen, auf dem dann nach Möglichkeit alle Veröffentlichungen der Universität aufgelegt werden, unabhängig davon, ob diese für die Nutzung freigegeben oder nur intern gespeichert werden sollen.

Aus den auf dem Server hinterlegten Veröffentlichungen aller Universitätsangehörigen soll dann eine elektronische Volltextbibliografie der Universität erstellt werden, die später auch für die universitätsinterne leistungsbezogene Mittelvergabe genutzt werden sollDiese Volltextbibliografie soll alle veröffentli­chten Texte der Universitätsangehörigen enthalten, unabhängig davon, ob diese open access veröffentlicht wurden oder derzeit nicht open access , zur Verfügung gestellt werden können..

Die Universitätsleitung misst dem Institutional Repository eine hohe Bedeutung für die Wahrnehmung der Universität in der wissenschaftlichen Welt zu.

5.7 Technische Unterstützung zur Gründung einer Open-Access-Zeitschrift

Die jüngste Aktivität ist die Hilfestellung zur Gründung einer Open-Access-Zeitschrift. Ein Professor trat an die Bibliothek mit der Frage heran, bei welchem Verlag angefragt werden sollte, um eine für sein Spezialgebiet neu zu gründende Zeitschrift zu veröffentlichen. In der Diskussion informierte die Bibliothek über die Möglichkeit, diese Zeitschrift open access zu veröffentlichen. Die Bibliothek bot an,die hierzu notwendige Software zu beschaffen und zu betreiben.

Nach der Entscheidung für die Open-Access-Veröffentlichung durch die Initiatoren prüfte die Bibliothek die angebotenen Programme zur Verwaltung und Veröffentlichung von Zeitschriften und wählte in Absprache mit den Herausgebern eine Software aus, die die Abläufe zur Einreichung, Begutachtung und Publizierung der Zeitschriftenbeiträge bereitstellt.

Die Veröffentlichung der ersten Ausgabe ist nun in Vorbereitung.

6 Ergebnis und Ausblick

Die Bibliothek hat über Jahre hinweg ständig den Publikationsmarkt, das Publikationsverhalten der Autoren sowie das Marktverhalten der Verlage und Gesellschaften beobachtet, analysiert und an der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema teilgenommen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden regelmässig dazu genutzt, die inneruniversitäre Diskussion voranzutreiben.

Die langjährigen Bemühungen führten dazu, dass derzeit jährlich mehr als 250 Beiträge (mit steigender Tendenz) auf dem Server aufgelegt werden.

Ziel ist die elektronische Volltextbibliografie der Universität.

Und die erste Open-Access-Zeitschrift wird demnächst auch erscheinen.

Die sekundären oder primären Veröffentlichungen der Konstanzer Wissenschaftler auf dem Konstanzer Publikationsserver werden die Probleme des wissenschaftlichen Publikationswesens nicht lösen. Aber nur durch Bewusstseinsbildung bei den Wissenschaftlern können diese dazu bewegt werden, in eigenem Interesse ihr Publikationsverhalten so zu ändern, dass sie und ihre Kollegen optimale Informationsmöglichkeiten erhalten.

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Adalbert Kirchgässner

Erwerbungsleiter Universitätsbibliothek Konstanz 

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  • 2 Zuletzt eingesehen: 29.9.06.
  • 3 . Zuletzt eingesehen: 31.10.06.
  • 4 Zuletzt eingesehen: 27.10.06.