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2018/1 Archive und Bibliotheken für das Kulturerbe

Schriftliches Kulturgut benötigt speziellen Schutz

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In Deutschland wird das Kulturerbejahr 2018 nicht nur genutzt, um die zentrale Bedeutung der Bibliotheken für den Erhalt und die Vermittlung von Kulturerbe zu kommunizieren. Der Deutsche Bibliotheksverband nutzt die Gelegenheit zudem, um auf die Fragilität schriftlichen Kulturgutes aufmerksam zu machen und zu erinnern, dass solches speziellen Schutzes bedarf.

In Deutschland wurde das Kulturerbejahr 2018 nicht mit einem Pauken-, sondern mit einem Glockenschlag eröffnet. Am 8. Januar wurde das Gedenkjahr mit dem Motto «Sharing Heritage» unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten im Hamburger Rathaus eingeläutet. Glocken spielen im Kulturerbejahr in Deutschland eine grosse Rolle. Mit dem Projekt «Hörst du nicht die Glocken?» soll eine nationale Glocken-Datenbank aufgebaut werden und am Weltfriedenstag, der jeweils am 21.September begangen wird, sollen die Glocken in ganz Deutschland zum Klingen gebracht werden.

Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) aber beschäftigt sich nicht mit Glocken, sondern in erster Linie mit schriftlichem Kulturerbe, weshalb er das Kulturerbejahr nutzt, um sich für den Erhalt ebendieses Kulturerbes einzusetzen und seinen Einsatz öffentlich zu machen.
Denn die schriftlichen Überlieferungen in den Archiven und Bibliotheken Deutschlands sind das Gedächtnis der Kulturnation. Millionen von wertvollen Originalen sind jedoch durch Faktoren wie säurehaltiges Papier oder unzureichende Lagerung vom Verfall bedroht. Nach einer Analyse zum Erhalt der schriftlichen Überlieferung in Bibliotheken und Archiven der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) werden für den Originalerhalt jährlich insgesamt 63 Millionen Euro benötigt, um auch nur 1% des geschädigten Kulturguts konservatorisch oder restauratorisch bearbeiten zu können.
Darum bekräftigt der dbv anlässlich im Europäischen Jahr des Kulturerbes 2018 seine Forderungen zum Erhalt des schriftlichen Kulturerbes und unterstützt ausdrücklich die bundesweiten Handlungsempfehlungen der KEK. Barbara Lison, Bundesvorsitzende des dbv, fordert in diesem Zusammenhang: «Für die Erhaltung des schriftlichen Kulurgutes benötigen die Bibliotheken die finanzielle Absicherung eines Bund-Länder-Förderprogramms zum Originalerhalt sowie die dauerhafte Etablierung der Koordinierungsstelle Kulturgut als zentraler nationaler Instanz für ein solches Programm. Wir unterstützen die berechtigte Forderung der KEK, die Bewahrung dieses Erbes als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern zu begreifen. Die neue Bundesregierung muss daher dringend zusammen mit Ländern und Kommunen Verantwortung für die Bewahrung des schriftlichen Kulturerbes übernehmen, damit über eine gesamtstaatliche Strategie deutliche Synergie- und Effizienzeffekte geschaffen werden.»

Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts

In Deutschland haben grosse Unglücke in Bibliotheken und Archiven der Öffentlichkeit die Anfälligkeit des schriftlichen Kulturguts erschreckend deutlich vor Augen geführt. In der kollektiven Erinnerung sind zum Beispiel der Brand der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek 2004 oder der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln 2009 nach wie vor präsent. Weitgehend unbemerkt hingegen verliert das nationale Gedächtnis Deutschlands jeden Tag unersetzliche Originale und bedeutende Werke durch «schleichende Katastrophen»: Papierzerfall und Tintenfrass, Schimmel durch falsche Lagerung oder mangelhafte Sicherung sind unsichtbare Feinde, mit denen Restauratoren, Archivarinnen und Bibliothekare und Bibliothkarinnen zu kämpfen haben. Vor allem, aber nicht nur in kleineren Institutionen fehlen oftmals Kenntnisse und Mittel, um unersetzliche Bestände zu retten und dauerhaft zu erhalten.
Dieser massiven Bedrohung unseres nationalen Gedächtnisses durch akute und schleichende Katastrophen gegenüberzutreten, ist Auftrag der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK). 
Diese hat auf Initiative des ehemaligen Kulturstaatsministers Bernd Neumann und finanziert durch den bzw. die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Kulturstiftung der Länder im August 2011 ihre Arbeit aufgenommen. An der Stiftung Preussischer Kulturbesitz eingerichtet und bei der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt, arbeitet die KEK an einem elementaren Ziel: der dauerhaften Erhaltung des nationalen Erbes in Form schriftlicher Überlieferungen. 
Dabei handelt die KEK nach dem Prinzip «Schützen, bevor es zu spät ist». Weil das nationale Erbe in Archiven und Bibliotheken am wirtschaftlichsten und effektivsten zu erhalten ist, wenn Schäden nicht nur behoben, sondern dauerhaft vermieden werden, hat die KEK ein bundesweites Bestandserhaltungskonzept mit Handlungsempfehlungen für schriftliche Kulturgüter entwickelt. Damit will sie Partnerin sein für alle Akteure, die sich dem Schutz des schriftlichen Kulturerbes widmen.
Als Koordinierungsstelle engagiert sich die KEK in vier Aufgabenfeldern, die der Gefährdung schriftlichen Kulturguts in Deutschland effektiv entgegenwirken:

  • Erkenntnisse zur Sicherung von schriftlichen Kulturgütern sammeln und auswerten.
  • Netzwerke bilden, um bewahrende Institutionen zur Zusammenarbeit anzuregen.
  • die Öffentlichkeit für die Gefährdung des schriftlichen Erbes sensibilisieren.
  • bundesweit Modellprojekte unterstützen.

Sharing Heritage

Auch in Deutschland sollen die Bibliotheken als wesentliche Vermittler des Kulturerbes mit vielfältigen Veranstaltungen und Projekten auf dessen Bedeutung hinweisen. Sie sind aufgefordert, ihre Kommunikationskanäle für ihre Veranstaltungen zum Thema zur stärkeren Sichtbarkeit nutzen. Veranstaltungen zum Thema schriftliches Kulturerbe und Vermittlung von Kulturerbe, die für den deutschen Tag der Bibliotheken am 24. Oktober geplant werden, können auf der eigens eingerichteten Website sharingheritage.de eingetragen werden. 

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv)

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) vertritt mit seinen mehr als 2100 Mitgliedern bundesweit rund 10000 Bibliotheken mit 25000 Beschäftigten und 11 Millionen Nutzerinnen und Nutzern. Sein zentrales Anliegen ist es, Bibliotheken zu stärken, damit sie allen Bürgerinnen und Bürgern freien Zugang zu Informationen ermöglichen. Er will die Wirkung von Bibliotheken in Kultur und Bildung sichtbar machen und ihre Rolle in der Gesellschaft stärken.
Der Verband setzt sich ein für die Entwicklung innovativer Bibliotheksleistungen für Wissenschaft und Gesellschaft. Als politische Interessensvertretung unterstützt der dbv die Bibliotheken, insbesondere auf den Feldern Informationskompetenz und Medienbildung, Leseförderung und bei der Ermöglichung kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger.

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Maiken Hagemeister

Maiken Hagemeister ist Leiterin Kommunikation und Pressesprecherin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv).