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2016/2 Ausgelagert, eingekauft, fremdbeschafft

Offenes Crowdsourcing im Bildarchiv der ETH-Bibliothek

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Nach dem erfolgreichen Crowdsourcing-Projekt mit Swissair-Pensionären (2009–2013) richtete das Bildarchiv der ETH-Bibliothek vor kurzem auf seiner Bilddatenbank eine allgemein zugängliche Kommentarfunktion ein. Ein Artikel in der NZZ vom 18. Januar 2016 löste ein grosses Medienecho aus und rief viele Freiwillige auf den Plan, die mithelfen Bilder zu identifizieren.

Das Bildarchiv der ETH-Bibliothek machte bereits zwischen 2009 und 2013 erste Erfahrungen mit einem Crowdsourcing-Projekt. Ehemalige Swissair-Mitarbeitende halfen ehrenamtlich mit, rund 40‘000 Bilder des Fotoarchivs der Swissair online zu erschliessen.1 In diesem Zusammenhang sprach die Autorin von Experten-Crowdsourcing, da gezielt eine geschlossene Gruppe von Experten angesprochen wurde. Der grosse Vorteil bei den Swissair-Pensionären war, dass sie gut organisiert und über diverse Kommunikationskanäle (eigene Zeitung, Versammlungen usw.) direkt ansprechbar sind.

Seit dem erfolgreichen Swissair-Projekt ist für uns klar, dass wir auch weiterhin auf das Wissen von Vielen zurückgreifen wollen. Bilder ohne Titel können am effizientesten durch den sogenannten «Schwarm» identifiziert werden, das sechsköpfige Team des Bildarchivs hingegen ist in seinem Wissen begrenzt. Unter dem Motto «Wissen Sie mehr?» öffneten wir am 9. Dezember 2015 die Kommentarfunktion auf unserer Bilddatenbank BildarchivOnline (http://ba.e-pics.ethz.ch) für jedermann, d. h. jeder Benutzende kann sämtliche Bilder via automatisiertem E-Mail kommentieren.

Das Motto «Wissen Sie mehr?» machen wir uns an verschiedenen Stellen in der Datenbank zunutze, um die Benutzenden möglichst intuitiv durch die neue Funktion zu führen. Auf der Willkommensseite weisen wir in fetter Schrift folgendermassen darauf hin: "Wissen Sie mehr zu einem Bild? Dann schreiben Sie uns! Unter der Kategorie Wissen Sie mehr?" stehen Bilder, die wir nicht genau beschreiben oder datieren können. Bei den Bildinformationen finden Sie unsere E-Mail-Funktion für Ihr Feedback sowie allfällige Fragen und bereits bestehende Kommentare. Geben Sie bitte auch an, ob und wie wir Sie in den Kommentaren zitieren dürfen.» Wir richteten unter den Schlagworten eine neue Rubrik «Wissen Sie mehr?» ein, die auf derselben Hierarchiestufe wie bspw. Bestände steht. In die Unterrubriken Bauwerke, Berge, Orte u. ä. verteilten wir gezielt Bilder, die teilweise oder komplett identifiziert werden sollten. Bei den Metadaten in der Informationsansicht fügten wir zuunterst den Separator «Wissen Sie mehr?» mit den neuen Feldern «Feedback», «Fragen» und «Kommentare» ein. Das Feld «Feedback» ist ein Formelfeld, das automatisch eine E-Mail ans Bildarchiv mit Betreff «Feedback zu Bild [Bildcode]» generiert. Im Feld «Fragen» kann das Bildarchivteam allenfalls konkrete Fragen an die Freiwilligen richten. Im Feld «Kommentare» werden die Kommentare der Freiwilligen, nach deren expliziten Einverständnis namentlich publiziert.

Die Neuerung wurde zunächst nur mittels einer sogenannten Aktuell-Meldung auf der Homepage der ETH-Bibliothek kommuniziert. Zwei Tage später hatten wir – ein wenig zu unserer eigenen Überraschung – bereits die ersten Feedbacks in der Mailbox, innerhalb des ersten Monats waren es schliesslich 100 Mails. Am 18. Januar 2016 berichtete die NZZ im von Adi Kälin verfassten Artikel «Wer kennt die Berge, Orte und Fabriken?» über das Bildarchiv und das Crowdsourcing-Projekt. Der Journalist war seinerseits bei einer Bildersuche über unseren Aufruf auf der Willkommensseite von BildarchivOnline aufmerksam geworden. In der Online-Version wurde der Artikel zusammen mit zehn nicht-identifizierten Luftbildern von Walter Mittelholzer publiziert. Der Bericht löste sowohl ein grosses Leser- als auch Medienecho aus. Innerhalb von anderthalb Tagen waren neun der zehn Bilder identifiziert!

Bis Ende März 2016 beteiligten sich rund 500 Freiwillige (91 Prozent Männer) am Crowdsourcing. Rund die Hälfte gab nur eine Rückmeldung. Viele Personen schrieben und schreiben uns jedoch mehrere E-Mails. Die meisten haben ein Spezialgebiet, das sie systematisch durcharbeiten (Berge, Industriebauten, Flugzeuge, Dampfschiffe usw.). Viele Freiwillige haben in unserer Rubrik «Wissen Sie mehr?» Bilder ohne Titel und ohne jegliche Hinweise identifiziert. Viele haben sich aber auch selber auf Entdeckungsreise in unserer Bilddatenbank gemacht, indem sie beispielsweise Bilder ihres Wohnorts studiert und uns Präzisierungen oder falsche Bildtitel mitgeteilt haben. Insgesamt wurden 1800 Bilder bearbeitet.

Das Team des Bildarchivs unterzieht die Hinweise einem Plausibilitätscheck. Interessanterweise schicken die meisten Freiwilligen Beweismaterial, sei es in Form eines Links auf Google Maps, eines Bildes oder einer persönlichen Geschichte. Bei einigen Bildern gingen mehrere identische oder gar widersprüchliche Hinweise ein, die jedoch in der Diskussion aufgelöst werden konnten. Schliesslich wurde sogar eines der ältesten Bilder in unserer Sammlung identifiziert. Die Informationen werden dann in die entsprechenden Metadatenfelder, in der Regel Titel, Beschreibung, Datierung eingepflegt und die Beschlagwortung wird allenfalls angepasst. Die Originalkommentare werden, falls die entsprechende Zustimmung vorliegt, ins Kommentarfeld eingefügt.

Uns erreichten bis Mitte März 2016 über 2300 E-Mails mit über 3000 Hinweisen. Wir konnten nicht jedes Mail einzeln beantworten. Immer fragten wir jedoch beim jeweils ersten Mail nach, ob wir die Kommentare namentlich publizieren dürfen. Nach einem Monat bedankten wir uns mit einer Zusammenfassung über den Stand der Arbeiten bei allen Freiwilligen, was wiederum zu vielen Feedback-Mails geführt hat, signifikant mehr als in den Tagen davor. Dies wiederum hat uns gezeigt, dass die Crowdsourcing-Gemeinde dankbar für Informationen ist. Um in Kommunikation mit den Freiwilligen zu treten, und zwar nicht über ein monatliches Rundmail, wird per Mitte April 2016 das neue Weblog «Crowdsourcing der ETH-Bibliothek» (https://blogs.ethz.ch/crowdsourcing) online gehen. Dieser Blog richtet sich einerseits an die Freiwilligen, es sollen wöchentlich neue zu identifizierende Bilder sowie besonders schöne identifizierte Bilder bekannt gegeben werden, ausserdem Statistiken, Presseschau und Hinweise auf andere Crowdsourcing-Projekte. Diese Rubriken richten sich auch an die Professionals.

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Nicole Graf

Geboren 1970 und aufgewachsen in der Ostschweiz. Ausbildung zur Diplombibliothekarin BBS an der Nationalbibliothek in Bern, Studium Soziologie, Staatsrecht und Neuere Schweizer Geschichte an der Universität Bern. Wissenschaftliche Assistentin, wissenschaftliche Redaktionsassistentin an der Universität Bern und freie Filmjournalistin bei der Berner Zeitung. Seit 2008 Leiterin des Bildarchivs der ETH-Bibliothek in Zürich. Mit-Herausgeberin der Reihe «Bilderwelten. Fotografien aus dem Bildarchiv der ETH-Zürich» (Scheidegger &Spiess, Zürich, ab 2011). Masterstudium Bildwissenschaft an der Donau-Universität in Krems (A).

  • 1 Graf, Nicole: Experten erschliessen die Swissair-Bilder!, in: Arbido 2 (2014), S. 37–39; Graf, Nicole: Crowdsourcing. Die Erschliessung des Fotoarchivs der Swissair im Bildarchiv der ETH-Bibliothek, in: Rundbrief Fotografie 23 (2016), No. 1 [N. F. 89], S. 24–32.

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Suite au succès du projet de production participative mené avec le personnel retraité de Swissair (2009–2013), les archives iconographiques de la bibliothèque ETH rajoutèrent une fonction de commentaire en libre-accès dans leur banque d’images. Un article à ce sujet dans la NZZ du 18 janvier 2016 déclencha un grand écho médiatique et mobilisa de nombreux volontaires prêts à collaborer dans l’identification des images. Près de 500 bénévoles, à 91 % masculins, ont participé jusqu’en mars 2016, en envoyant environ 2‘300 courriels, soit plus de 3‘000 informations. 1‘800 images au total ont pu être traitées, avec leur contenu identifié pour la première fois, ou par l’amélioration de leurs métadonnées. L’équipe du Bildarchiv soumettait les informations à un contrôle de plausibilité puis les intégrait dans les champs de métadonnées afférents, en règle générale les champs ‚titre‘ et ‚description‘. L’indexation a été, le cas échéant, actualisée. Les commentaires originaux ont été avec l’autorisation de leurs auteurs intégrés dans le champ «commentaire». Un aspect important dans le travail participatif est la communication. Afin d’atteindre régulièrement les collaborateurs bénévoles mais aussi les professionnels, un nouveau blog est lancé sur le web dès la mi-avril 2016 «Crowdsourcing der ETH-Bibliothek» (https://blogs.ethz.ch/crowdsourcing).